◆17| C o u n t d o w n (P a r t I)◆

Mut ist Anmut unter Druck.

|Ernest Hemingway|

Tick, Tack, Tick, Tack...

Es war zum verrückt werden. Das unüberhörbare Geräusch des Uhrzeigers, das im Hintergrund ertönte und Schritt für Schritt immer denselben endlosen Weg einschlug. Durchgängig, von Minute zu Minute. Nie war es mir aufgefallen, geschweige denn, war es nie dazu gekommen, dass dieses konstante minimale Geräusch mich aus der Fassung brachte. Doch genau heute tat es das.

Ich war in der Annahme zur Uni gegangen, dass mich die paar Stunden auf andere Gedanken bringen, oder ich mich zumindest für eine gewisse Zeitspanne ablenken würden, aber dass dies ein absoluter Reinfall war, zeigte sich nach jeder weiteren verstreichenden Sekunde in der ich unruhiger und zappeliger wurde. Mehrmals hatte ich hier und da einen meiner Stifte in der Hand genommen, hatte sie durch meine Finger gleiten lassen oder mit ihnen sinnlos in meinem Notizblock herumgekritzelt, was zwar die reinste Blattverschwendung war, ich mit anders hingegen nicht zu helfen wusste, ehe ich letztlich die Nervosität kaum aushaltend am Ende meines Stiftes herumkaute und konstant geradeaus auf die Wandseite blickte, wo der Professor die Folien auf dem Monitor zur Verfügung stellte und anhand der zugrunde liegenden Stichpunkte während der Stunde näher auf den Inhalt einging. Wenn das Zuhören über einen längeren Zeitraum nicht mehr klappte, suchte ich mir eine andere Beschäftigung und spielte plötzlich mit den Rändern meines Notizblockes oder befummelte wie besessen die Spitzen meiner Haare. Ich tat alles Mögliche, alles, außer das, was ich für gewöhnlich in der Vorlesung machte, nämlich zuhören und den neuen Stoff zu verinnerlichen.

Ich hatte es versucht, hatte zwanghaft meine Augen nach vorne gerichtet und all meine Materialien vor mir zurechtgelegt, um mich voll und ganz auf die Arbeit zu stürzen. Doch während ich meinem Professor für Familienrecht, Mr. Sullivan, der zugegebenermaßen etwas von einer jüngeren Version von Ryan Reynolds hatte, mit den Augen folgte und seine Worte begierig aufzunehmen bestrebte, blieb zu meinem Ungunsten nichts von seinem bisher gesagten in meinem Gedächtnis hängen.

Nur gähnende Leere herrschte in meiner begriffsstutzigen Gehirnhälfte.

Statt aber einen erneuten Anlauf zu starten, stellte ich in Gedanken eine Bewertungsskala für den außergewöhnlichen Kleidungsstil meines Professors auf, der die ungewöhnliche Angewohnheit hatte, ganz gleich, welche Jahreszeit wir auch gerade hatten weiße Socken mit Sandalen zu tragen. Zugegeben, den ein oder anderen schrägen Blick erntete er sich durch diesen gewöhnungsbedürftigen Look auf dem Campus schon ein und auch bei unter den Fachleuten im Kollegium wurde dies stark diskutiert, da es grundsätzlich typisch für Juristen war fein und ordentlich aufzutreten. Die Professorinnen hatten da einen etwas größeren Spielraum, auch wenn sie den schmalen Grad zwischen hübsch und billig sehr stark einzuhalten hatten. Neunzig Prozent der männlichen Kollegen hingegen trugen lediglich einen perfekten Anzug, der sie in ihrer Position bestärkte.
Mr. Sullivan war aber kein Anzugträger, sondern war eher gleichzustellen mit einem Nerd. Kariertes Hemd, fliege und eine große Brille. So war er eben.

Und auch wenn das Äußere täuschen konnte und Sanjana zu Beginn keine Vorlesung bei ihm besuchen wollte, weil sich herumsprach, dass er nicht mehr ganz dicht im Kopf sei, so war es im Nachhinein die beste Entscheidung, die wir getroffen hatten, da der Kerl definitiv was von seinem Fachgebiet verstand.

Ich seufzte gestresst auf, als ich mir mit Unbehagen eingestehen musste, dass ich mich schon wieder hatte von ganz anderen Gefühlen aus dem Konzept bringen lassen. Und um diese ein für alle Mal zu unterbinden, startete ich gefühlt den nun zehnten Versuch mich auf die Vorlesung zu konzentrieren.

Plötzlich tippte mich hingegen jemand an und das Beben, das wie ich nun merkte, meinen Körper beschlagnahmte, hörte augenblicklich auf.

«Amalia du wippst schon die ganze Zeit mit deinem Fuß rum. Deine Unruhe färbt sich gerade auf mich an, du machst mich total kirre damit !», zischte Sanjana neben mir. Erst da erkannte ich, dass ich die ganze Zeit über meinen Fuß hin und her bewegt hatte.

Unbeholfen und entschuldigend warf ich ihr einen kurzen Blick zu, unterband meine Bewegungen, die ich zuvor kaum selbst wahrgenommen hatte, anschließend ich wieder in meine Notizen blickte und nach einer neuen Beschäftigung suchte, auf die ich meine ganze Anspannung lagern konnte. Jetzt erst fiel mir auf, wie wichtig mir das Tippen mit dem Fuß war und was für eine Balance es in mir herstellte. Ich wurde zunehmend zappeliger, da ich es nicht aushielt.

Mein Kopf drohte zu platzen, meine Gedanken fingen an sich wahllos zu zerstreuen, weshalb ich endgültig die Vorlesung ausblendete und die Augen schloss.

Anschließend holten mich die Bilder von vor sechs Tagen ein.

Ich atmete schwer, sehr schwer. Beinahe leise versuchte ich nach Atem zu ringen, da ich das Gefühl hatte, dass in diesem Raum jede minimale Bewegung oder Regung scharf auffallen und zu ihm durchdringen würde.

Silvana war weg.
Sie hatte mich mit ihm alleine gelassen. Derweilen ich versuchte gelassen zu wirken und einen starkes selbstsicheres Auftreten darzulegen, spürte ich, wie sich Iván mit dem Armen nach vorne beugte, sich an den oberen Ketten des Boxsackes einhakte und mit schweißnassen nacktem Oberkörper zu mir herunterbückte. Ich versuchte nicht auf seine muskulösen Oberarme und seinen nackten verschwitzten Oberkörper zu schauen, aber seine ganze Präsenz wirkte wie die eines Alphatiers, sodass ich nicht anders konnte, als den Rücken gerade zu Strecken und mich komplett an den Boxsack zu lehnen, derweilen er über mich stand und mich mit dem Armen von beiden Seiten einnahm.

«Du willst also verhandeln?», hakte er gefährlich leise nach und plötzlich fragte ich mich, wo sich mein Selbstbewusstsein verkrochen hatte, derweilen ich langsam nickte. Sein Blick brannte sich in meine Haut ein. Dabei verengte er seine Augen, nahm eines seiner Arme über mir ab und strich damit urplötzlich meine Unterlippe mit dem Daumen runter.

«Ich möchte keine Gesten. Ich möchte, dass Antworten über diese Lippen kommen», raunte er mir zu und blickte dabei konzentriert auf meinen Mund, als sein Daumen über meine Lippen strich. Diese Berührung löste ein abruptes Gewitter in mir aus. Der Schweiß, der über seine Haare tropfte, fiel auf genau die Stelle meiner Lippe nieder, wo er zuvor mit dem Daumen rüber gefahren war. Sein Blick haftete daran. Ich wagte es nicht mich zu rühren.

«Ja...», brachte ich mit Müh raus und hustete. Reiß sich zusammen. Du bist eine Alington !

«Gleiches Recht für alle.»

Ein Lächeln zierte seine Lippen, doch es war weder freundlich noch vergnügt, eher war es der bloße Ausdruck der Heimtücke. Als er aber keine Anstalten machte einzugreifen, noch die unangenehmen Blicke von mir zu nehmen, fügte ich räuspernd hinzu:

«Ich willige ein euch das Gemälde zu besorgen, aber das nur unter einer Bedingung.»

Er hob eine Augenbraue hoch, als könnte er meine Worte nicht ernst nehmen.

«Du willigst ein ? Habe ich dich danach gefragt, was du möchtest ? Wenn ich gesagt habe du wirst es tun, dann wirst du es auch tun.»

«Nein !» Nun hob ich den Kopf in seine Richtung und ungewollt berührte seine Nasenspitze, die meine, als er bei meinem Widerstand seinen Kopf  gleichzeitig senkte und mich mit zornigen Blick eingekesselte.

«Sag.das.nochmal.»

«Nein», brachte ich klar und deutlich hervor und feixte ihn dabei an. Wenn er dachte, dass ich nun einen Rückzieher machen würde, dann hatte er sich gewaltig geirrt.

«Niemand hat das Recht darüber zu bestimmen, wie und weshalb ich zu handeln habe. Ich treffe meine eigenen Entscheidungen. Nicht einmal meine Familie hat diese Macht über mich und ganz bestimmt auch du nicht.»

Seine Augen wanderten über mein Gesicht. Bedächtig, als wolle er sich diesen Anblick ins Gedächtnis speichern. Während er eine Zeit lang schwieg, spürte ich, wie sich meine Lieder von Mal zu Mal anspannten. Gerade, als ich die Hoffnung aufgab, dass er sich noch dazu äußern würde, sagte er:

«Und wie lautet diese Bedingung ?»

«Wenn du das Gemälde bekommst und die Unschuld meiner Familie bewiesen wird, wirst du sie in Ruhe lassen. Alle. Ganz gleich, was du auch in Erfahrung bringen magst. Sie bleiben am Leben. Jeder Einzelne von ihnen.»

Er ließ augenblick von mir ab, trat mit großen gefährlichen Schritten nach hinten, sein Gesicht aber immer noch zu mir gewandt.

Langsam nahm er sich die weißen Bandagen ab. Ich sah die roten dicken Blutergüsse und Schürfwunden an seinen Händen, die trotz der Tatoos zu erkennen waren.

Anschließend blieb er an einer quietschenden Diele stehen, ehe er sich hinhockte und die Holzdiele hochhob. Zum Vorschein kam eine Kleine verstaubte Kiste, die darunter verborgen lag. Ich beobachtete das Bild vor mir, ehe sich Iván damit erhob und mich mit unergründlichen Augen anblickte.

«Bist du mutig ?», fragte er fast schon herausfordernd. Eine plötzliche Aufregung flammte in seinen Augen auf, was mich völlig aus der Bahn warf.

Nur im letzten Moment konnte ich mit daran hindern zu stottern.

«Wie habe ich das zu verstehen?»

«Die Frage war eindeutig. Bist du so mutig, um das Leben derer zu retten, die dir etwas bedeuten.»

Er öffnete die kleine Kiste und seine Augen folgten dabei jeder meiner kleinsten Regungen. Aufeinmal lugten kleine dünne Messer aus der Kiste hervor, sodass ich zum einen ratlos aber auch zugleich etwas beunruhigt den Blick darauf gerichtet hielt.

«Ich nehme deine Forderung an, dafür habe ich aber auch eine Bedingung zu stellen. Wir spielen ein kleines Spiel. Wenn du gewinnst, gilt die Abmachung.»

Meine Kehle fühlte sich Staubtrocken an und als ich meine Lippen leicht mit der Zunge befeuchtete, änderte sich an der Trockenheit rein gar nichts. Ich war der Dürre, die seine Worte bei mir bewirkten, ausnahmslos ausgesetzt.
Als ich keine Reaktion von mir gab, sondern mich gerade, die Beine dabei aneinandergepresst und die Hände dicht an meinen Körper gelehnt und den Kopf angehoben, an den Boxsack drückte, da hoben sich seine Mundwinkel empor.

Er verstand, dass ich damit konkludent eingewilligt hatte.

«Zuckst du auch nur einmal zusammen oder blinzelst dabei, dann war's das. Du verlierst.»

Er drehte mir den Rücken zu und legte die Kiste wieder unter die Diele zurück. Dies ließ aber dennoch nicht von den vielen spitzen Pfeilen hinwegtäuschen, die er in der Hand hielt.

Er stellte sich gerade hin, reckte die Schultern nach hinten und trat mit einem Fuß nach vorne, um sich Schwung zu verschaffen. Den Oberkörper hatte er deutlich zu erkennen, angewinkelt, aber oberhalb seines Halses galt sein Blick ganz allein mir.

Während seine Augen wissentlich, fast schon besserwisserisch, dass ich verlieren würde, meine Statur auf und ab fihren, reagierte mein Körper wie von selbst. Mein Rücken streckte sich. Ich schnappte nach tiefen Atemzüge.

Bevor ich überhaupt noch einmal blinzeln konnte, verzog er sein Gesicht. Seine Augen wurden pechschwarz, seine Zähne wirkten wie das Gebiss eines Tieres, dass sich gleich auf seine Beute zum Fraß stürzen würde. Mit einer schnellen, kraftvollen Bewegung schleuderte er das auf funkelnde kleine Kampfmesser in meine Richtung, indem er seinen breiten Arm hinter seinem Kopf nach vorne streckte und das Ding im Nu abfeuerte.

Ich hielt den Atem an, als ein aggressives Plop in der Nähe meiner linken Kniezone am Boxsack erklang, die nur einige Meter von meinem Knie entfernt durch die Spitze des Messers durchbohrt wurde, sodass Sand aus diesem heraus sickerte.

Ich hatte nicht geblinzelt.

Schwer schluckend blickte ich runter auf das Messer.

Es war ein guter Abstand. Viel weiter weg von meinem Körper, als ich angenommen hatte. Erleichterung durchströmte meine Adern, doch hatte ich nicht damit gerechnet, dass ich dieses Gefühl bis nach außen getragen hatte. Denn als ich mit einem leichten unsicheren Lächeln den Kopf anhob, hatte Iváns böses Grinsen sich weiter ausgebreitet.

«Erleichert ?», flüsterte er nach einigen Minuten, während er mich beobachtete. Meine Atem verlief flacher, als ich die Vorfreude in seiner Stimme hörte.

«Na dann warte mal ab», und ehe ich vor Angst die Mundwinkeln nach unten ziehen konnte, schrie er zornig auf und feuerte ein weiteres Messer ab. Dieses Mal viel gezielter, viel entschlossener... entschlossener mich zu treffen.

Ich sah nur ein kleines Funkeln und gerade als ich dachte es landet direkt an meiner Stirn und durchbohrt meine Gehirnzellen, da spürte ich einen leichten Zug an meinem Oberkopf.

Das Messer war auf geradem Weg durch meinen Scheitel geflogen und direkt über meinem Kopf an dem Boxsack gelandet. Einen Millimeter nach unten und es hätte mich mit Haut und Haar getroffen.

Ein leichtes Zittern sagte sich wie ein Erdbeben an. Ich drückte fest meine Zehnspitzen in den Schuhen zu Boden, damit ich es noch im Zaum halten konnte. Iváns Blick war nämlich kritisch und analytisch zugleich auf mich gerichtet. Er wartete nur auf eine Regung, schien sich komplett sicher zu sein, dass ich zusammenzucken oder mich zu bekennen geben würde. Und auch wenn es mich all meine Energie kostete, all meinen Nerv, meine Konzentration, kämpfe ich gegen diesen Drang, gegen meinen eigenen Körper an.

Verwunderung blinzelte in seinem Gesicht auf. Kurzzeitig und relativ schwach, ehe er das nächste Messer in seiner Handinnenfläche zur Erscheinung brachte. Bevor ich blinzeln konnte, hatte er das Messer leicht durch seine Lippen gezogen und mich dabei stillschweigend betrachtet.

In dem Moment ging ich innerlich die Hölle durch. Denn obwohl ich nicht in seinen Kopf schauen konnte, ließ mich der Blick, den er auf mich zuwarf, erschaudern. Er würde sich steigern. Er würde sich ganz klar zeigen und mich gewiss nicht gewinnen lassen. Verzweifelte Tränen stiegen auf, die ich krampfhaft zurückzudrängen versuchte indem ich paar Mal schnell blinzelte.
Du tust das für deine Familie! Du tust es für deine Liebsten! Sei stark Amalia! Kämpfe verdammt nochmal !

Die Angst blieb, doch es beschlagnahmte mich nicht mehr so sehr wie vor Sekunden. Denn meine Gedanken drängten Sie immer weiter und weiter nach hinten. Und während ich ihm dieses Mal ebenfalls entschlossen und gewillt in die Augen Blicke zog er da Messer abrupt von seinen Lippen zur Seite und ich bekam nur noch ein silbernen Strahl seitlich aus dem Augenwinkel mit, ehe eine meiner Haarsträhnen wie eine sanfte Feder vor meine Augen herunterglitt und ein kurzzeitiges Brennen seitlich meines Auges sich kenntlich machte. Ich biss mir auf die Lippen, als ich kurz davor war zu schreien.

Und als Iván sich wieder zu seiner ganze Größe aufstellte, da wagte ich es langsam meine Hand zu heben undzur Seite zu blicken. Das Messer war seitlich meines Augen hindurch an den Boxsack eingedrungen und hatte dabei eine meiner Haarsträhnen geschnitten. Ich führte vorsichtig meine Hand an die Stelle, wo meine Haut höllisch brannte und sah Blut vor meinen Augen. Das Ding hatte meine Haut leicht gestreift.

Wie von der Farbe hypnotisiert, blickte ich aus die roten Tropfen auf meinem Finger nieder, sodass ich zu spät die Schritte, die sich mir näherten bemerkte und im nächsten Moment wieder von beiden Seiten durch zwei Armen umzingelt wurde. Ein schwerer Atem stieß gegen die brennende Stelle. Ich rührte mich nicht, richtete nur die Augen nach oben, um sie der Person entgegen zurichten, der so viel größer war als ich. Seine Augen nahmen mich komplett in Augenschein, seine Miene war felsenfest

«Ich kann es nicht ausstehen, wenn sich mir jemand in den Weg stellt. Und was ich noch weniger ausstehen kann, ist, wenn man mir vorschreibt, was ich zu tun habe.» Er beugte sich dicht runter zu mir und augenblicklich versteifte ich mich.Wir berührten uns in keiner Weise und doch entstand eine Bindung lediglich zwischen unseren Blicken und unserer beider Atem.

«Ich kann deine Gegenwart nicht ertragen. Die Gegenwart einer Arlington. Du hast zu erscheinen, wenn ich es verlange, andernfalls möchte ich dein Gesicht nicht sehen, nicht dieselbe Luft wie du atmen. Ich habe solch eine Mordsdurst auf dein Blut, dass ich mich nur schwer zurückhalten kann, dir die Kehle aufzuschlitzen. Wenn du meine Geduld auf die Probe stellst, garantiere ich für gar nichts. Wenn du mir mit Anforderungen ankommst...»

Er berührte mit dem Zeigefinger plötzlich die Stelle, an der das Messer mich geschnitten hatte, sodass mein Blut auf seiner tätowierten Handfläche klebte.

«...Dann bezahlst du mit deinem Blut.» Mit diesen bizarren Worten und der Verachtung, die immer weiter anwuchs je länger er sprach, führte er seinen blutigen Zeigefinger an seine Lippen und schob sich diese in den Mund anschließend er das Blut von seinen Finger ablenkte und es quälend langsam wieder herauszog. Während meine Augen sich bei diesem obszönen Szene weiteten, funkelte Erweiterung im seinen Zügen auf.

«Du bist krank», brachte ich beinahe atemlos heraus und starrte auf seine nun blitzblanken Finger. Kein Blut. Ein kleiner Laut, was einem erheiterten Lachen ähneln sollte, verließ seine Kehle, ehe sich seine Glieder wieder anspannten.

«Ich bevorzuge das Wort Sadist, Amalia.» Dann zog er blitzschnell mit einigen Handgriffen die Messer aus dem Boxsack und drehte mir seinen nackten Rücken entgegen.

Kurz bevor er an der Tür angekommen war und den Raum verließ, hörte ich seine nächsten Worte so leise, dass ich dachte mich verhört zu haben.
Doch sie waren klar und deutlich.

«Der Deal gilt.»

«Amalia ? Amalia ? Heyyy !»

Ein fester Griff um meinen Oberarm rüttelte mich wach und ich sprang erschrocken von meinem Platz auf.

«Wie... was ?»

Ich blickte plötzlich in Sanjana besorgtes Gesicht, das sich nun meinem Gesicht genähert hatte und mich eingehend beäugte.

«Du bist ja ganz blass und zitterst. Alles in Ordnung mit dir?»

In dem Moment erkannte ich, dass Professor Sullivan sich mit einigen Studenten vorne am Podium unterhielt und dass ebenfalls viele Studenten um mich herum ihre Taschen packten. Ich hatte mich so sehr wieder in die Ereignisse hineingesteigert, dass ich nicht mitbekommen hatte, wie der Professor die Stunde für beendet erklärt hatte.

Sanjana blickte mich verdutzt an, als sie meinen ahnungslosen Blick wahrnahm.

«Du wirkst seit einigen Tagen... total abwesend.»

Ich vermied bewusst den Blickkontakt mit ihr, als ich anfing meine Materialien einzuräumen und ihr zu versichern:

«Alles bestens. Ich schlafe nur seit Tagen nicht richtig und außerdem ist morgen die Veranstaltung bei uns, für die sich Papá sehr viel Mühe gegeben hat.» Dies war nicht ganz gelogen, denn ich konnte wirklich nicht schlafen. Wie sehr ich mich auch am Riemen zu reißen und wenigstens im Bett die Gedanken abzuschalten versuchte, wummerten sie in den Abendstunden noch wilder umher und ließen mich keine Minute in Ruhe. Anders gestaltete es sich nicht, wenn ich es doch noch schaffte in einen kurzen Schlaf zu fallen, denn dann suchten mich lauter schrecklicher Albträume heim, die mich wiederum dann ebenfalls wach hielten.

Müde und erschöpft rieb ich mir über die Augen, um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, was Sanajana mit einem kritischen Blick etikettierte. Sie war gut darin Menschen zu analysieren und ich wusste, dass ihr die Lüge wegen meine schwachen vorgespielten Leistungen nicht entgehen würde.

Sie nickte dann zu meiner Überraschung doch noch, was mich zugegebenermaßen auch sehr beruhigte. Wo ich jetzt noch eine Ausrede herzaubern sollte, war mir nämlich nicht ganz klar gewesen.

Sanjana, die ihre Tasche bereits gepackt hatte und nun von den Sitzbänken aufstand, sagte anschließend:

«Alles klar. Wollen wie vielleicht zusammen Essen gehen ? Die letzte Woche konnten wir uns nicht kaum sehen.»

Ich wollte zustimmend den Daumen hoch strecken, aber da verharrte mein Blick auch schon auf den Bereich hinter ihr, der Richtung Podium verlief. Blonde Haare drängten sich in mein Blickfeld.

Silvana tauchte urplötzlich an der Eingangstür des Hörsaals auf und hatte die Arme vor der Brust verschränkt, während sie mich auffordernd anblickte.

Ich erkannte sofort, was sie von mir wollte, weshalb ich mir Zeit ließ und so tat, als würde ich über Sanjanas Angebot ernsthaft Nachdenken. Als ich auch mein letztes Heft in die Tasche verstaute, sagte ich dann, als wäre mir plötzlich etwas Wichtiges eingefallen:

«Ohhh Mist, das habe ich völlig vergessen. Ich habe noch etwas zu erledigen Sanjana. Tut mir wahnsinnig leid. Ein anderes Mal vielleicht.»

Sie hob eine Augenbraue in die Höhe. Normalerweise wusste sie immer, was ich zu tun hatte und die jetzige Aussage, dass ich etwas zu erledigen hatte, aber verschwieg um was es sich dabei handelte, zeugte nicht gerade von meiner Glaubwürdigkeit.

Ich spürte, wie sie etwas sagen wollte und innerlich ihre Worte abwog. Letztlich entschied sie sich dann, aber für ein steifes:

«Ist ok. Wir sehen uns dann», ehe sie von der anderen Seite die Reihe durchlief und den Weg zur Saaltür ansteuerte.

Als ich sie dabei beobachte wie sie den Raum verließ, musste ich unwillkürlich die Lippen aufeinander pressen um nicht laut aufzufluchen.

Sie war gekränkt und das konnte ich ihr nicht einmal übel nehmen. Sie war meine beste Freundin. Natürlich würde sie bemerken, wenn etwa nicht mit mir stimme. Insbesondere ihr, die mich in- und auswendig kannte, würden solche kleinen Details, die so viel ausmachten nicht entgehen. Frustriert rieb ich mir über die Augen, schulterte meine Handtasche und lief auf das blonde Mädchen zu, die mich die ganze Zeit über im Auge behalten hatte.

Ich hatte keinen von ihnen nach dem Vorfall mit Iván gesehen, hatte mich andererseits, aber schon gefragt wie ich das Gemälde überhaupt morgen stehlen sollte, wenn doch überhaupt kein Plan vorlag, nach das ich voranschreiten sollte und auch konnte. Doch wie hatte ich überhaupt eine Sekunde daran denken können, dass sie dies nicht einkalkuliert hätten... wie töricht von mir !

«Wir müssen reden», sagte sie, wenige Meter bevor ich vor ihr zum stehen kam.

«Das wurde auch Mal Zeit», antwortete standhaft und erwiderte ihren Blick mit ebenfalls hart aufgesetzter Miene.

Der morgige Abend würde mein Untergang werden, dachte ich, ehe ich Silvana schweigend aus dem Saal folgte.

Das Kapitel musste aus Zeitmangel geteilt werden. Hoffe dennoch, dass es euch gefallen hat 🤗❤

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