◆14| H i d e & S e e k◆

Keine Jagd ist so wie die Jagd auf Menschen und die, die lange genug Menschen gejagt haben, die Spaß daran hatten, interessierten sich nie wieder für etwas anderes.

|Ernest Hemingway|

Einen kalter, paradoxerweise fast schon sanfter Hauch von einem Windstoß wanderte mit einem Mal mein Rückenmark entlang, hinauf bis zu meinem Nacken.
Erschrocken schnappte ich nach Luft und öffnete auf der Stelle meine Augen, die aufgrund meiner Fassungslosigkeit an Ort und Stelle, von Ecke zu Ecke, Seite zu Seite huschten, nur um mich an etwas Brauchbares zu klammern, etwas zu haben, woran ich meinen Risse aufweisenden Menschenverstand anbinden konnte, sodass es nicht komplett in tiefen Schluchten des Abgrunds hinabfiel und in Verlorenheit geriet.

Das konnte doch nicht...
Diese Stimme... dieser Duft.

Ehe ich von meiner inneren Spannung in Fetzen gerissen werden konnte und drohte keine Luft mehr zu bekommen, nahm der Körper, der sich dicht hinter mir befand, Abstand und einige Sekunden lang passierte rein gar nichts. Auch seine gefährlichen, bewusst langsam auf den Boden aufkommenden Schritte, die einen merkwürdigen gruseligen Laut erzeugten, verstummten.

Weder ein Geräusch war auszumachen, noch ein Atemzug.

Ich sah vor meinem bloßen Auge meine Aufrecht haltende Selbstbeherrschung, die plötzlich von einem großen Kegel getroffen wurde und schwankte. Sehr schwankte. Ich gestand mir recht schnell ein, dass die Stille mich, je länger sie anhielt, verrückter stimmte. Nervös tippte ich mit meinem Fuß auf den Boden, meine Beine wippten unkontrollierbar und völlig angespannt. Dies hatte ebenfalls unabsichtlich zur Folge, dass ich immer wieder an meinen festen Fesseln hinter meinem Stuhl rüttelte und mir dadurch selber Schmerzen zufügte. Denn das bereits stramm gezogene Band an meinen Handgelenken, schnitt bei jeder kleinsten Regung meinerseits umso mehr meine Haut, sodass ich nächsten Augenblick auf meine Lippen biss, um nicht laut aufzuschreien, als das Brennen und gleichsam die Schmerzen der Wunden mit voller Wut auf mich einwirken.

Verzweifelte rang ich nach Luft, als ich das leichte Blut auf meinen Lippen schmeckte. Es zerfraß förmlich meinen Willen, dass ich mich von diesen Fesseln nicht entrinnen und mich nicht auf meiner Sitzfläche umdrehen konnte. Die Situation erwies sich nach jedem ach so winzigen Fortgang des Uhrzeigers umso verzwickter und aussichtsloser.

Wie sich hingegen Sekunden darauf herausstellte, musste ich auch nicht mehr länger dagegen ankämpfen mich umzudrehen, denn Schritte halten in diesem leeren Raum wieder und als eine ausgesprochen großgewachsene Statur vor mir stand, da verstummten auf Anhieb auch meine wild umher konkurrierenden Gedankengänge. Mit einem Mal nahm ein merkwürdiges Gefühl Besitz von meinem Körper, was eindeutig danach schrie, dass mir all die Kontrolle aus den Händen entglitt. Ich schluckte schwer und hob ehrfürchtig den Blick an, um mich der Identität meines Gegenübers vollkommen entgegenzustellen.

«D-Du...», platzte es ungläubig aus mir heraus und meine Augen vergrößerten sich, als er die wenigen Schritte, die uns voneinander trennten, überbrückte und sich gefährlich und sich bewusst Zeit dabei lassend zu mir herunterbeugte.

Beide seiner Hände stemmte er mit seinen kräftigen Oberarmmuskeln ausgestattet an meinen Stuhllehnen ab und kam mir näher, so viel näher, dass sein Atem unmittelbar gegen meins stieß. Mein Herz schlug mir heftig gegen die Brust, dass ich laut zu Atmen begangen hatte. Ich war einfach zu durcheinander, um überhaupt ein Wort herauszubringen.

Was geschah hier ? Träumte ich etwa ? Hatten Silvana und ihr Komplize mir auch noch andere Medikamente während meiner Unzurechnungsfähigkeit verabreicht, wenn nicht sogar irgendwelche Drogen, die Halluzinationen bei mir hervorriefen ?

Ich drehe durch.
Das musste die plausible Antwort sein.
Ich drehe eindeutig durch.

Während ich mich innerlich selbst bekreuzigte und mich allmählich bedrohlich nahe an den Abgrund des Wahnsinns zubewegte, schien die Person mir Gegenüber, meinen innerlichen Untergang als essenzielle Nahrung wahrzunehmen. Denn das Gift was mich regelrecht innerlich zerfraß, galt für ihn wie ein Katalysator seines Sauerstoffes.
Aus der Bestürzung dieser Divergenz geleitet, spürte ich, wie sich meine innerliche Last allmählich auch auf mein Äußeres auswirkte, was ihm wiederum ebenfalls nicht entging und er dies alles herzlich, wie ungeduldig aufgeregt an mir wahrnahm. Von meinen Augen wanderte er zu meinen Lippen hinauf bis zu meinen Wangen und anschließend wieder zurück zu meinen Augen, die sich fest in den Kampf, nicht durch seine Dunkelheit verschluckt zu werden, gestürzt hatten.

Es stellte beinahe schon ein verstörtes Experiment dar.
Ich war das dabei das sogenannte Werkzeug, mit dem er gedachte alles tun und lassen zu können, was er wollte, da er im Besitz der besseren Karten war. Er übernahm nämlich die Stellung des Wissenschaftlers, der gebannt hinter einem Mikroskop beobachtete, wie sich sein Experiment weiterentwickelte. Was sollte das hier werden ? Ein verrückter Foltermechanismus ?

Seine Augen verengten sich, als er all die Fragezeichen in meinen Augen ausfindig machte, -so nahm ich zumindest an, alsdann ein kleines Lächeln über seine wohlgeformten Lippen huschte.

Verdutzt blinzelte ich einige Male bei der Erkenntnis, was diese Haltung zu vermitteln hatte.

Es gefiel ihm... Meine Verzweiflung machte ihn an.

Hätte ich mir nicht im nächsten Augenblick wieder die Unterlippe zwischen meine Vorderzähne geklemmt, so wäre mir womöglich die Kinnlade runter gefallen.
Was für ein krankes Spiel war das, was er hier mit mir spielte ? Das mit dem verrückten Wissenschaftler war demnach nicht ganz abwegig gewesen...

Er richtete sich auf, dabei äußerst darauf Acht gebend seine Augen keinen Moment lang von mir zu wenden, ehe er wieder nach hinten lief und den Bereich aufsuchte, zu dem ich mich weder umdrehen noch nachschauen konnte, was er hinter meinem Rücken trieb. Kurz darauf hielt ich hingegen auch schon in meiner Bewegung inne und zuckte erschrocken zusammen, als ein durch Mark und Bein gehendes Geräusch ertönte, dass dem Laut von Fingernägel ähnelte, mit dem man über eine Tafel kratzte. Meine Nackenhaare sträubten sich bei dieser Gänsehaut bescherenden Moment auf, welches sich von meinen Fußspitzen bis zu meinen Ohren erstreckte.

Außer mir von dieser Unbeweglichkeit und diesen qualvollen Tönen verzog ich missmutig das Gesicht.

Sekunden darauf wurde das Geräusch immer lauter und plötzlich, als er wieder neben mir auftauchte und ich sah, dass er einen Stuhl halb am Boden liegend mit zerrte, indem er diese zur die Mitte zog, konnte ich nicht anders, als ihn empört anzublicken. Dass er dieses kratzende Geräusch bewusst erzeugte, um einen Nerv bei mir zu treffen, sprach ein weiteres Mal für sich, dass ich mir seine tiefliegende Abneigung mir Gegenüber nicht nur einbildete.

Ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, wie solch ein sadistisches Verhalten, solch eine abgrundtiefe verachtende Haltung, überhaupt existieren konnte.
Der auffällige, beinahe schon auffordernde Blick, dem ich ihm im Anschluss zuwarf, er möge doch mit dem hinterher schieben aufhören, fand keinen Beifall von seiner Seite aus. Es schien ihn nicht zu stören, noch zu interessieren, welch' Auswirkungen dies auf mich hatte.
Mein Hinterkopf, der nun zumindest, wie ich durch das Material des großen Pflasters ausmachen konnte, bedeckt wurde, strahlte nicht mehr nennenswerten intensiven Schmerzen aus im Vergleich zu den letzten Stunden, doch schien dieser Laut erneute Qualen in mir hervorzurufen.

Mit dem langsam spürbar aufkommenden Kopfschmerzen gewappnet, horchte ich augenblicklich auf und stellte meine Selbstbemitleidungen zurück, als ich erkannte, dass er nun wenige Meter vor mir den Stuhl gerade aufstellte und anschließend auf diesem Platz nahm.

Aufmerksam beobachtete ich ihn. Dabei pochte mir mein Herz bis ins Unendliche, mein Puls raste unaufhörlich schnell. Das dunkle Haar, die ebenso verborgenen finsteren Augen, die Lederjacke, die einen ausgewogenen Kontrast zu den Bikerboots herstellten und die lockere Haltung, die er einnahm, indem er den ein Bein anhob und seitlich an sein Knie anwinkelte, strömten als erste Eindrücke auf mich ein. Er hatte seine Hände nur leicht in die kleinen Öffnungen seiner Jeans verstaut, während er lässig gegen seine Stuhllehne lehnte. Die Lässigkeit, die seine Körpersprache ausstrahlte erwies sich hingegen ausgesprochen schnell als eine Art Illusion. Denn im Gegensatz zu seiner Haltung stachen seine Augen unaufhörlich, die ganze Zeit über, wie Munitionen auf mich ein.

Die offensichtlichen Fragezeichen, die mein Gesichtsausdruck mehr als kenntlich machte, bemerkend, lächelte er diabolisch auf, ehe er seine Hände an den Knien positionierte und sich erneut vorbückte.

«Lass uns für den Einstieg mit einem kleinen Spiel beginnen.»

Es war nur eine mickrige Aussage, die nicht eintöniger hätte klingen können und doch lag das etwas, etwas Verborgenes in seinem Blick, was diese simplen Worte, wie die größte Bedrohung darlegten, die mir unter die Augen getreten waren. Es erschien mir fast schon wie ein Todessegen, der mich mit diesem Satz sanft in mein eigenes Grab legte.

Ich zuckte merklich zusammen, erwiderte aber trotz meiner Sprachlosigkeit seinen standhaften und selbstbewussten Blick. Ich konnte mich nicht regen, aber auch sonstiges Reaktionsvermögen war in dem Moment wie ausgeschieden. Einzig und allein die finster dreinblickenden Augen, die mich in die Tiefen zogen, mit sich rissen, ohne dass ich mich davon entwinden konnte, waren der einzige Fokus, dem ich mich ergab.

Eine seiner Augenbrauen hoben sich belustigt fragend an, als ich nichts erwiderte, ehe er einwarf:

«Ich werde dir noch eine Chance geben. Du wirst die Fragen von gerade eben erneut beantworten. Doch dieses Mal wirst du mit der Wahrheiten herausrücken. »

Ein stechendes Pochen stellte meine funktionstüchtigen Gehirnzellen unter die Probe, als ich seinen Worten lauschte und sie verinnerlichte. Über was für Wahrheiten sprach er da gerade ?

Langsam rieb er sich mit der einen Hand über die Fingerknöchel, auf denen die Tinte der schwarzen Farbe seiner Tattoos durch das spärliche Licht nur sehr transparent wahrzunehmen waren. Doch als ich bemerkte, dass er mir dabei zusah, wie ich seine Tattoos näher in Augschein zu nehmen bestrebte, da richtete ich meine Augen zurück auf seine.

«Erste Frage lautet: Moreno. Sagt dir der Name etwas ?» Nun war er ernst, wie auf einen Knopfdruck ausgewechselt. Gebannt, fokussierte er sich auf meine Lippen und während ich diese widersprüchlichen Verhaltensweisen vor Augen hielt, geriet mein Denkvermögen, meine Aufnahmefähigkeit und die Zusammenschlüsse, die ich herzustellen bestrebte in ein völliges Chaos. Mein inneres System stürzte ein. Verbindungen brachen, verwickelten sich in einen Endlosknoten. Bevor ich mich zurückhalten konnte, fragte ich geradewegs misstrauisch, weil ich nicht erahnen konnte, wie ich diesen Mann vor mir zu beurteilen hatte:

«Wer bist du ?»

Ein spöttisches Lachen erklang aus dem Munde meines Gegenübers, doch dass diese Darbietung kein Ausdruck der puren Erheiterung war, war ihm anzusehen, als sich seine Nasenlöcher weiteten.

«Meine Geduld sollte man nicht unter Probe stellen. Nicht du stellst hier die Fragen, sondern ich. Ich erwarte eine ehrliche Antwort.»

Doch ich schwieg. Der harsche Unterton, der in seiner Stimme mitschwang, verriegelte wie ein Türschloss, die Türen zu meinem Willen. Williger denn je war ich darauf aus zu schweigen, bis ich selbst nicht Antworten auf meine Fragen hatte.

Angst schwang in meinen Unterbewusstsein mit und hinterließ ein geklemmtes Gefühl, das einer Lähmung glich. Anstatt aber dieser Betäubung den Weg kampflos frei zu räumen, beschwor ich im Hinterkopf jedes Mal den Gedanken hervor, dass mein plötzliches Verschwinden bereits die Runde gemacht haben musste und dass alle meine Liebsten auf der Suche nach mir waren. Sie würden mich finden, auch wenn es nun, so nahm ich an, mitten in der Nacht war.

Meines Gegenübers bedachte mich mit einer erzürnten Miene, als uns auch nach Sekunden das Schweigen umhüllte.

«Du schweigst. Das ist keine schlaue Entscheidung, dessen bist du dir bewusst, oder ?»

Ich auf der anderen Seite warf ein:

«Du bist auch kein Jurastudent, stimmts ? Álvaro ist nicht dein echter Name. Das ist Freiheitsberaubung und Körperverletzung. Das alles ist strafbar! Sie werden dich finden und...»

In dem Moment steckte er eine seiner Hände auffällig in seine Jackentasche und fischte ein mir bekanntes Handy raus.

«Du denkst doch nicht wirklich, dass ich dieses kleine Detail übersehen habe.»

Sein Lächeln wurde bösartig, wirkte arrogant und überlegen. Ich fühlte mich wie ein kleines unwissendes Kind, dass ohne Vorwarnung ins eiskalte Wasser geschmissen wurde. Mein Optimismus ertrank in den heftigen Wellen, meine Chancen hier rauszukommen kamen auf dem Meerestiefgrund an, sodass aufgrund der Tiefe nichts mehr zu erkennen war. Ich blickte an mir runter auf meine Jacke, die ich immer noch trug, doch konnte ich nicht in meine Jackentaschen greifen und nachschauen, ob dies auch wirklich stimmte, ob es sich dabei wirklich um mein Handy handelte.

Wen versuchte ich hier eigentlich anzulügen ? Es war offensichtlich, dass es mein Handy war, dachte ich mir niedergeschlagen.

«Deine Familie denkt, du würdest heute Nacht bei deiner Freundin übernachten. Und deine Freundin denkt, dass dir wegen des Küchendienstes und deiner Familie etwas in die Quere gekommen ist, weshalb du auf der Grillparty nicht erscheinen konntest. Hast du wirklich den Gedanken für möglich gehalten, dass jemand gerade auf der Suche nach dir ist ? Die Nacht ist noch jung. Bis sie überhaupt die Notiz davon bekommen, dass du verschwunden bist könnte ich... so einiges mit dir anstellen.»

Seine Augen wanderten langsam runter und wieder rauf. Der abscannende Blick ließ mich erschaudern, seine Worte brandmarkten mich wie ein Siegel.
Mein Unglaube stieg hoch bis zu den Sternen empor, als ich seine Worte auffasste. Nicht nur die Erkenntnis, dass er mir auch hier in einen gewaltigen Schritt durch die Rechnung gemacht hatte, erschreckte mich... Nein, es war eher die Bandbreite seines Wissens über mich, was das Blut in meinen Adern erfrieren ließ.

Woher wusste er das alles ? Mein Handypin, meine Nachrichten, dass ich bei Sanjana eingeladen war, dass ich nach dem Küchendienst zu ihr wollte ?
Was ging hier vor sich ?

Bevor ich hingegen reagieren konnte, war er aufgestanden und lief mit zielstrebigen Schritten auf mich zu. Seine Geduld war am Ende, das sah man ihm an seiner steinharten Miene an. Mein Körper verspannte sich noch weiter, meine Schultern zogen sich krampfhaft zusammen, doch anstatt vor mir stehen zu bleiben, umrundete er meinen Stuhl, sodass ich nur Augenblicke später seine Präsenz hinter mir spürte.

Plötzlich schloss sich ein eiserner Griff um meine Handgelenke, die am Stuhl verbunden waren, was mich wiederum dazu verleitete stocksteif den Rücken auszustrecken und erschrocken nach Luft zu schnappen. Den panischen Schrei konnte ich im letzten Moment erfolgreich unterdrücken, bis ich im nächsten Augenblick warmen Atem dicht an meiner Wange spürte. Ein kleines Winseln verließ meine Kehle, als er sich so schnell runter bückte und mit ausgestreckter Hand unter dem Stuhl und einem spitzen Gegenstand meine Fußfesseln abmachte. Ehe ich überhaupt die Gelegenheit dazu hatte meine Beine anständig zu bewegen, angesichts der Tatsache, dass ich seit einigen Stunden nicht einmal im Inbegriff, dessen war sie zu fühlen, stellte er sich wieder auf, fasste mich noch fester hinten an den Fesseln und zog mich einem Ruck hoch, sodass meine gefesselten Hände nicht mehr mit dem Stuhl, sondern mit seinem Rücken in Berührung kamen.

Ein lautes Poltern erklang, der Stuhl wurde mit einer unsanften Bewegung zur Seite des Raumes geworfen und bevor ich den Kopf umdrehen konnte, wurde ich mit voller Wucht nach hinten gezogen, sodass ich seine harte Brust spürte. Seine Hände umklammerten immer noch die meine, seine Lippen steifen zart mein Ohr. Mein Atem verlief ungleichmäßig, wagte ich es in dem Moment nicht mich dabei umzudrehen.

«Deine Freiheit...», knurrte er wie ein Raubtier auf. «... liegt ganz alleine in meinen Händen, niemand, deine Familie... nicht einmal die Polizei kann dich finden, wenn ich es nicht so möchte.»
Seine Stimme war rau, kalt und mit solch einer Entschlossenheit ausgerüstet, dass es sich jedes Mal wie ein fester Fausthieb anfühlte, als sein Atem meine Haut berührte.

Dann brüllte er auf, zog so fest an meinen Fesseln, dass ich Blut schmeckte, als ich meine Zähne in meine Unterlippen bohrte, nur um ihm keine Genugtuung zu verschaffen, indem ich vor ihm winselte.

-«Glaubst du, dein einflussreicher, machtvoller Vater kann alles ? Er... euresgleichen wärt unbesiegbar ?» Der Griff um meine Handgelenke verschärfte sich, sodass ich unmittelbar vor Schmerz den Rücken ausstreckte.

Sein Atem streifte sachte meine Schultern, was mich wahnsinnig werden ließ.

«Denkst du, deine Familie hat über alles die Kontrolle ? Du bist nichts weiter als ein kleines dummes Kind, dass in ihrer Traumwelt lebt.» Ich spürte plötzlich, wie der spitze Gegenstand in seiner Hand auch durch meine Handfesseln fuhr. Die groben Fesseln fielen zu Boden, doch meine Hände erlangten immer noch nicht die Freiheit, nach der sie sich so sehr sehnten. Denn seine hielten meine immer noch unter Gewahrsam.

«Ich bestimmte, wann du frei sein wirst», fauchte er ein letztes Mal so leise in diesem Raum, sodass niemand außer ich dies hören konnte und ehe ich es mich versah, wurde ich mit einem Ruck nach vorne gestoßen, verlor mein Gleichgewicht und krachte zu Boden. Im letzten Moment konnte ich noch mein Gesicht schützen, da ich zunächst mit den Händen auf dem Boden aufkam. Auch dieses Mal bedeckten meine Haare mein ganzes Gesicht. Nur aus einzelnen Haarsträhnen heraus sah ich ihn an. Mein Körper glühte und ich spürte, dass ich jetzt nicht aufstehen können würde, als er sich vor mir mit seiner ganzen Statur aufstellte und mich umrundete, wie ein Jäger seine persönliche Beute. Seine Hände hinter dem Rücken verschränkend, observierte er mich im Stillen, als würde er jeden Moment auf einen Widerstand meinerseits warten. Ich war gefangen in einem Zirkel, den er durch sein um mich herum lauernd darlegte.

«Nun.. steh auf ! Geh doch... deine Fesseln sind frei. Komm, steh auf !»

Ich spürte, wie mir die Galle hochkam, als ich dieses Menschen herabwürdigende Verhalten, diese Boshaftigkeit in seiner Stimme ausmachen konnte. Ich ähnelte einem eingesperrten Tier in einem Käfig, das lediglich zur reinen Attraktion galt und ihn unterhalten sollte. Zum ersten Mal erdrückte mich dieser Hass, den er ausstrahlte und ich wollte nichts Sehnlicheres, als in Erfahrung zu bringen, was so viel Verachtung in ihm hervorgehoben hatte, geschweige denn, was ich angestellt hatte, um das Opfer seiner Unmenschlichkeit zu sein.

Anstatt zu Antworten blickte ich zu Boden. Ich wollte nicht, dass er Wind von meiner Verzweiflung bekam, doch da spürte ich bereits, wie er auch schon stehen blieb und in die Hocke ging. Ein Druck an meinem Kinn zwang mich dazu den Blick anzuheben, um seinen Augen zu begegnen. Seine Hand glitt an meine Kehle und als ich nach Atem keuchte, trafen meine Atemzüge sein Gesicht, weil er sich so nah zu mir runter gebückt hatte.

Schwarz. Pures teuflisches schwarz ging es mir durch den Kopf, als ich von seinen Augen eingenommen wurde.

«Sag mir, wo ist nun dein Daddy huh? Wo. Ist. Dein. Daddy ?» Der zunächst monoton, recht normal klingende Ton seiner Stimme hatte sich im Laufe des Satzes, immer weiter gesteigert, sodass es letztlich einer Bestie ähnelte, die mich jeden Moment in Stücke zerreißen wollte. Sein Griff, der sich analog dazu ebenfalls aggressiver um meinen Hals geschlungen hatte und meine Atemwege zerquetschte, sorgte dafür, dass ich seine Hände umfasste und sie zu entfernen versuchte. Andernfalls bekam ich keine Luft mehr. Kurz bevor die Schwärze, die sich vor meine Augen bildete, dominierte, ließ er so von mir ab, dass ich selbst durch die Wucht erneut zu Boden verleitet wurde und wie ein Haufen Elend angestrengt nach Luft schnappte und hustete.

Ich fühlte die Schwere seines nun wieder auf mir haftenden Blickes, doch war ich nicht wirklich imstande aufzublicken. Das Husten überkam mich und mein Gegenüber, der nun wieder aufrecht auf beiden Beinen stand, schien mir wenigstens diese paar Sekunden zu gewähren, bis er sich dazu entschloss einzugreifen.

«Nun sei artig und beantworte die Frage. Moreno. Woher kennst du diesen Namen ?»

Verdammt, verdammt, verdammt ! Ich ähnelte just einer tickenden Zeitbombe, die jeden Moment explodieren könnte, wenn ich ein weiteres Mal diese Fragen zu hören bekommen würde, die mir rein gar nichts sagte. Um Gottes Willen in was für eine Schlammassel war ich, da nur hinein geraten ? Ich kannte kein...

Ich stutzte abrupt. Meine kraftlosen Augen hellten sich auf und wachsam blickte ich ihn an, als ich flüsternd rausbrachte.

-«Das Gemälde. Papás Lieblingsgemälde im Ballsaal... da... da war eine Unterschrift des Künstlers am Rande des Bildes... Moreno.»

Ich erinnerte mich. Ja, nun erinnerte ich mich klipp und klar an den Abend, wo er und ich vor diesem Gemälde gestanden hatten und ich sein merkwürdiges Verhalten nicht zuordnen konnte. Diesen ganzen Aufwand betrieb er also nur wegen eines Gemäldes ?

Seine Augen blinzelten auf, dunkler denn je, seine Züge wirkten zwar durch meine Antwort zufrieden gestellt, doch der pure Hass nahm sie Sekunden später wieder an.

Kraftlos und schwer keuchend, weil meine zittrigen Arme unter mir wieder nachgaben, brachte ich nur noch leise hervor:

«Wer bist du Álvaro Vera ?»

Sekunden lang blickte er mich nur stumm an, fuhr mit seinen Augen mein Gesicht entlang, ehe er selbst zu realisieren schien, wie nah er wieder eigentlich bei mir war. Seine Augen ließen von mir ab und machte einige Schritte rückwärts. Der herabwürdigende Blick war wieder in seinem Blick verankert.

Er hatte, was er wollte. Die richtige Antwort. Die Wahrheit. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, steuerte er die Tür seitlich an, zog einen Schlüssel aus seiner Hosentasche und öffnete die Tür. Nachdem er einen Schritt nach vorne gesetzt hatte und ich nur noch seine Rückenansicht wahrnehmen konnte, drehte er seinen Kopf seitlich nach hinten um, wobei seine Augen bewusst, die meine nicht kreuzten.

«Eine richtige Antwort deinerseits bedeutet eine Antwort deiner Fragen meinerseits. Iván... so lautet mein Name.»

Und dann fiel die Tür ins Schloss und ich blieb alleine, an Ort und Stelle zurückgelassen und von der Dunkelheit umzingelt.

Wie von einem Blitz getroffen richtete ich mich auf und humpelte zur Tür, wusste ich doch selbst, dass mir das nichts bringen würde.

«Lass mich raus ! Lass mich raus ! Hilfe ! Hört mich jemand, hilfe !» ich klopfte, schlug feste gegen die Tür, blickte mich um, aber nichts. Es war zum Durchdrehen. Wie in einem Kreis gefangen, drehte sich alles um mich herum und ich spürte, wie mir auf Anhieb schwindelig wurde. Angestrengt und bevor ich das Gleichgewicht verlieren konnte, stützte ich mich an der kahlen eiskalten Wand ab, ehe ich mich von da aus runter sinken ließ und gleichmäßig nach Atem rang.

Sie werden mich finden, sie werden mich finden, versuchte ich bei jedem Atemzug meine Gleichmäßigkeit wiederherzustellen, aber als mir wieder das selbstgefällige Lächeln vor meinem geistigen Auge einfiel und wie er mein Handy in die Höhe hielt, sackte die Zuversicht in mir zusammen und ich schloss, den Kopf gegen die Wand lehnend, die Augen.

Oh Gott, in was war ich hier nur reingeraten ?

***

«Lasst mich raus. Bindet mich los.»

Ich blickte zu Silvana und Tian, die weiterhin mit angespannten Gesichtszügen hinter mich blickten.  Dies ließ mich verzweifelter werden. Denn ich sah es, ich erkannte, dass sie ihm gehorchen und gehen würden. Wie zur Bestätigung nickte Tian Silvana zu, die zwar meinen flehenden Blick spürte, aber mit zusammengepressten Lippen und gesenktem Blick, meiner Aufforderung mir zu helfen auszuweichen versuchte.

Fußschritte. Sie näherten sich der Tür. Ich wollte aufsspringen. Ich wollte mich an sie klammern.

Sie konnten mich nicht hier alleine lassen ! Sie durften nicht gehen. Eine plötzliche Angst beschlagnahmte meinen Körper und lähmte mich, ich fühlte mich absolut verloren.

«Nein... nein bleibt hier ! Geht nicht ! Ihr dürfte mich hier nicht lassen !»

Doch auch Tian vermied es nun in meine Richtung zu blicken, was mich mehr als alles was ich sonst erlebt hatte erschreckte.

«Nein. NEIN!», schrie ich, aber die Tür fiel bereits ins Schloss und erneut umwarb mich Stille und Dunkelheit. Dieses Mal war es hingegen anders. Anstatt mich wohl zu fühlen bei dem Gedanken einen Moment für mich zu haben, realisierte ich, dass dem nicht so wahr.

Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war in der Dunkelheit. Und durch das ständige Abdriften meinerseits hatte ich ebenfalls jegliches Zeitgefühl verloren. Vielleicht waren auch nur 10 Minuten vergangen, seitdem ich mich alleine in diesem Raum befand, vielleicht aber auch Stunden. Als ich hingegen wieder zur klaren Besinnung kam und die Augen öffnete, aufgrund des kleinen Flashbacks der sich in Gestalt eines Albtraums zu Ausdruck gebracht hatte, zischte ich kurz auf, weil mein angewinkeltes Bein, durch das Gewicht des anderen über ihm, eingeschlafen war und heftig aufpochte.

Doch der Schmerz, der sich hinaufarbeitete, war zweierlei und recht schnell in den Hintergrund gerückt, als ich erneut die Dunkelheit auffasste und mich panisch eingeengt fühlte. Ich war keineswegs klaustrophobisch, doch in diesem Moment konnte ich es nicht verhindern, dass mein Atem flacher und immer flacher verließ und meine Brust sich leidend zusammenzog, wie als wären die Adern, die zu meinen Herzkammern führten zusammengedrückt worden, um mich bewusst zu quälen und mich von Atemzug zu Atemzug in die Finsternis zu schicken.

«Ich muss hier raus ! Ich musste einen Weg finden um hier rauszukommen !», flüsterte ich hörbar tiefe Atemzüge einnehmend.

Ich bemühte mich zwar sehr darum einen stabilen und klaren Gedankengang zu schaffen. Denn nur wenn ich bei klarem Verstand war, hatte ich auch die Möglichkeit nicht alles in einem eingeengten zugeschnittenen Zustand der Ratlosigkeit zu betrachten. Und auch nur dann könnte mir vielleicht auch die Flucht gelingen, fügte ich beiläufig in Gedanken versunken hinzu.

Lauter kleine Schweißtropfen, die sich auf meiner Stirn im Laufe der Stunden gebildet hatten und mein Körpergeruch, der lediglich durch die Ereignisse nicht mehr ganz angenehm aufzufassen war, betäubten meine Sinne. Der Schweiß, der sich nun sanft über meinen Körper gelegt hatte, war zu einer eisigen Spur verwandelt und als mein Körper kurzzeitig bebte, schlang ich meine Arme um mich.

Raus, raus, raus !

Immer wieder, wenn ich diesbezüglich eine Idee aufbauen, meine Gedanken zu sammeln versuchte, traten vor meinem geistigen Auge zwei verderbliche abgrundtiefe Augen auf, die mich in diese Schlucht zogen. Ich versuchte mich zu wehren, versuchte sein Gesicht, seine Augen auf meinem Kopf zu verbannen, aber es gelang mir nicht.

Iván... Iván war also sein richtiger Name.

Ich hatte es gewusst, ich hatte gespürt, dass da irgendetwas dunkles war, irgendetwas, was mich jedes Mal stutzig und wachsam in seiner Gegenwart werden ließ, aber was war der Grund ? Was hatte ich angestellt, dass ich hier war ? Wie konnte es sein, dass er mich kannte, aber ich ihn nicht. Ich wusste nichts von ihm, auch bezweifelte ich, dass die zuvor in Erfahrung gebrachten Informationen mich weiter bringen würden. Wer also war Iván und was hatte ihn so rasend vor Wut gemacht, dass er seine Umgebung wahllos verwüstete. Ich hatte es gesehen... ich hatte Silvanas warnenden Blick gesehen, der mir zu deuten gegeben hatte, bloß keine falsche Antwort in seiner Gegenwart abzugeben.

Ich schüttelte den Kopf. Wäre dem so, wäre ich womöglich gar nicht hier. Denn erst durch sie war ich überhaupt in dieser Situation. So sehr ich es auch aus dem einen und dann aus dem anderen Blickwinkel betrachtete, eine genau Wahrheit war nicht in Sicht. Ich verirrte mich nur noch mehr in diesem nicht zu Enden wollenden Irrgarten.

Urplötzlich hatte ich das Gefühl, mir würde von all den ungeklärten offen stehenden Fragen der Kopf platzen. Von einem plötzlichen Drang gepackt, stützte ich mich langsam an der Wand ab, um mich dann wieder auf die Beine zu stellen. Meine Beine zitterten leicht, auch schien jegliche Muskel erschlafft worden zu sein, der sich wie ein Skorpionsstich durch meinen ganzen Körper schlich.

Wieviel Uhr hatten wir überhaupt ? Und wie lange würde es dauern bis sie wieder kamen ?

Ich stoppte mich bei der Ladung all dieser Fragen, die sich wieder in meine Gedanken schlichen und setzte die ersten Schritte nun wieder in die Mitte des Raumes, weg von der Tür.

Es war zwar stockdunkel, aber ich hatte das Gefühl, als hätten sich meine Augen an diese Dunkelheit in den vergangenen Stunden gewöhnt.

Aufmerksam drehte ich mich im Kreis und blickte mich um.

Nichts weiter, als die zwei Stühle auf denen wir gesessen hatten und ein kleine altmodische Kommode, an der sich dieser Tian mit Silvana angelehnt hatte, um mir die Fragen zu stellen, nahmen weniger als die Hälfte des Raumes ein.

Es war leergefegt und es gab nichts brauchbares, mit dem ich vielleicht die Tür aufbekommen konnte.

Mit ungeschickten Schritten tappte ich zur Kommode, welche meine einzige Hoffnung war und versuchte deren Schubladen zu öffnen, die, wie sich aber Sekunden darauf herausstellte, abgeschlossen war. Ich runzelte die Stirn, zerrte schnaufend am Knauf, doch nichts anderes als mein verzweifeltes Wimmern ertönte in dieser unheilvollen Stille.

Wütend und verzweifelt trat ich mit dem Fuß gegen die Kommode, doch auch Gewalt brachte mich keinen Schritt weiter. Der Schrank öffnete sich nicht. Panisch fasste ich mir in meine verknoteten Haare und blickte mich erneut um.

Es musste etwas geben ! Etwas geben, womit ich.... Ich hielt inne, als ich es vor meinen Augen plötzlich aufblinzeln sah und zwar genau an der Stelle, wo sich Silvana zuvor aufgestellt hatte. Ich beugte mich runter auf die Knie, blinzelte einige Male, weil ich befürchtete, dass mir die Dunkelheit einen Streich spielte und meine Wahrnehmung erheblichst beeinträchtigte, aber als ich es immer noch sah, klein, dünn unbeweglich dort liegen, da ließ ich ein erleichtertes fast ungläubiges Seufzen aus meiner Kehle entfliehen.

Es war eine Haarnadel. Eine kleine einzige Haarnadel, die dort auf dem Boden lag.

Hatte Silvana es absichtlich dort fallen lassen ? Hatte sie mir dadurch helfen wollen ?beschlich mich sofort der Gedanke, den ich aber recht schnell wieder verwarf. Stattdessen foskussierte ich mich gierig auf das mickrige dünne Ding, welches meine Fahrkarte aus dieser Hölle sein könnte.

Nachdem ich es zwischen den Fingern gehabt hatte, ging ich wieder auf die Tür zu. Ich war in Eile, weshalb ich einige Male sogar währenddessen stolperte, aber mein Gleichgewicht recht schnell wieder fand.

Dort angekommen, zerrte ich ganz vorsichtig die Haarnadel auseinander und steckte sie in das Schloss rein, wie ich es in dem Filme gesehen hatte. Na und jetzt ? Ich wusste nämlich, dass zwischen dem was in den Filmen dargelegt wurde und dem wie es in Wirklichkeit war, Welten lag.

Ich drehte es hin und her, meine Hände rutschten mir dabei immer wieder vom der Schweißspur, die sich darauf niedergelegt hatte, ab, was mich wiederum nervös auffluchen ließ.

«Verdammt jetzt geh doch schon. Geh schon, geh schon du verfluchtes...»

Klack.

Ich erstarrte in meiner Bewegung, ehe ich einen Schritt zurücktrat und ehrfürchtig die Türklinke betrachtete.

Langsam, wie als würde ich Angst haben einen Dominostein fallen zu lassen, streckte ich ganz gezielt und doch mit einer präzisen Vorgehensweise die Hand nach dem Knauf aus, um sie dann ebenso bedächtig runter zu drücken.

Die Tür öffnete sich. Ich hielt den Atem an.

Ich... Ich war frei.

Erschlagen von diesem unerwarteten Erfolg, versuchte ich das Lächeln auf meinem Gesicht zu zügeln. Ich hatte es geschafft diesem Zimmer zu entfliehen. Doch was mich nun im restlichen Gebäudekomplex erwarten würde, konnte ich nicht erraten.

Vorsichtig spähte ich also von der Tür aus in beide Richtungen und versuchte dabei zu lauschen ob Stimmen von irgendeiner Richtung zu mir durchdrangen. Doch mein Herz hämmerte so laut gegen meine Ohren, dass, wenn auch jemand gesprochen hätte, ich dies womöglich nicht gehört hätte.

Ich ging raus. Einen Schritt, einen zweiten Schritt.

Ich konnte nicht klar denken, konnte nicht erkennen, wie viele Räume ich passierte, doch als plötzlich eine Tür vor meinen Augen in Sicht kam, konnte ich nicht mehr bei mir halten und rannte mit dem Aufreißen der Tür raus. Einfach nur weg.

Ich bekam einen dunklen Tunnel zu sehen, doch als ich rannte, und immer schneller rannte und meine Beine nicht mehr fühlte, sah ich nach einigen abgelegenen Metern eine Treppe, die nach oben führte und von dort aus Sonnenlicht nach unten Drang.

Da müsste es sein ! Der Ausgang.
Immer wieder blickte ich mich beim Rennen um. Angstvoll, paranoid und betete gleichzeitig, dass ihnen mein Verschwinden noch nicht aufgefallen sein mochte.

Ich konnte zu meiner Familie ! Ich konnte zur Polizei ! Ich konnte sie warnen und sie um Hilfe bitten.

Als ich die Treppen hochgestiegen war und plötzlich vom Sonnenlicht geblendet wurde, erhoben sich intuitiv meine Arme in die Lüfte. Die Sonnenstrahlen taten mir in den Augen weh, da mich zuvor nur Dunkelheit eingenommen hatte.

Also war es am helllichten Morgen ! Und das bedeutete, dass ich die ganze Nacht dort unten gefangen gehalten wurde. Die Erinnerungen an den kalten kahlen Raum und die stickige Luft, holten mich wieder zurück in die Realität und bevor ich den Abstand zwischen uns noch verringerte, falls sie auf mein Verschwinden aufmerksam geworden waren, war es besser diese größer denn je zu halten.

Ich blicke mich um, konnte nicht sagen, wo genau ich mich befand. Verlassen war die Gegend, doch ehe ich mich halten konnte, rannte ich auch schon wieder orientierungslos los, ehe ich von Gasse zu Gasse plötzlich in eine Straße abbog, in der ich mich zwischen die Passantr zwängen und in der Menschenmasse veeschwinden konnte. Ab und an erntete ich verwirrte und komische Blicke meiner Mitmenschen, was ich ihnen nicht übel nehmen konnte, ich sah ganz bestimmt miserabel aus.

Ich hielt Ausschau nach einem Taxi und als ich letztlich eins erwischte, ließ ich mich schwer atmend darin sinken und gab ihm meine Adresse.
Während dieser sich durch den Verkehr zwängte, blickte ich auf allen Seiten hektisch aus dem Fenster. Auch drehte ich mich alle paar Sekunden um und schaute nach hinten, doch ich sah nichts verdächtiges.

Ebenso bemerkte ich den irritierten Blick des Taxifahrers, der mir immer wieder Blicke vom Innenspiegel zuwarf. Ich ignorierte es, blendete alles um mich herum aus.

Der einzige Gedanke, der mich im Moment beschäftigte, war, dass ich mein Zuhause erreichen musste. Ich musste mit meiner Familie reden. Am liebsten hätte ich den Taxifahrer um sein Handy gebeten, aber auch da beschlich mich die Paranoia, dass Silvana dies zurückverfolgen könnte.

Gleich ! Gleich würde ich in schutzvollen Händen sein, wir würden das klären. Papá hatte gute Kontakte.

Ich lehnte mich erschöpft in meinem Sitz nach hinten, als ich nach weiteren malen abchecken sicher war, dass mich niemand verfolgte.

Schließlich dauerte es dann auch nicht lange, bis wir vor unserem Tor ankamen. Ich riss mich wirklich zusammen nicht schon eher aus dem Auto zu springen, bis der Wagen angehalten hatte.

Beim Anhalten stieg ich aus, sagte dem Fahrer, dass ich gleich mit dem Geld wieder kommen würde, schließlich hatte ich nichts bei mir.

Sobald ich Zuhause war, würde ich Jeffrey nach draußen schicken, damit er dies erledigte.

Mit erleichterten und freudigen Tränen in den Augen öffnete ich das Tor und trat hinein. Nun sah ich es, mein Zuhause. Wie als würde ich es zum ersten Mal sehen.
Einige Sekunden lang blieb ich so, voller Faszination und dann blickte ich auf, als ich an dem Fenster oben rechts eine Gestalt ausmachen konnte.

Es handelte sich um Raúls Zimmer. Dieser hielt sich sein Handy ans Ohr und war in ein Gespräch verwickelt. Meine Augen erstrahlten, als ich ihn sah.

Oh Raúl, wie froh...

Plötzlich horchte ich auf. Ein Klingelton. Ein lautes schillerndes Klingeln erklang.

Und als in meiner Jackentasche etwas vibrierte, hielt ich inne. Ich kannte diesen Klingelton nicht. Langsam schob ich meine Hand in die Jackentasche und erfasste ein Handy.

Alle Farbe wich mir aus dem Gesicht.

Das war nicht mein Handy.

Das Klingeln hörte kurzzeitig auf, dann ertönte es wieder.
Ich drückte auf annehmen und presste das Ding an mein Ohr.

«Hat dir dieses kleine Versteckspiel zur Aufwärmung gefallen ?»

Diese Stimme. Ich hielt den Atem an.

«Das hat aber lange gedauert bis du auf die Idee kamst die Haarnadel zu verwenden.»

Schallendes Gelächter, meine Augen weiteten sich.

«Gefällt dir der Anblick ? Deinen Bruder zu sehen, aber dich ihm nicht näher zu können.»

Was zum...
Ich drehte mich schnurstracks um. Doch da war niemand, auch nicht als ich meinen Blick herumwandern ließ.

Er war hier! Oh Gott, er war hier und beobachtete mich.

«Hoffnung ist wie Gift. Du denkst du seist gerettet in den Momenten wo du geflüchtet bist, bis die Erkenntnis dich wie Säure verätzt und deine Haut zerfrisst. Du warst nie, nicht für einen Moment in Freiheit ... Ich wollte nur meinen Spaß haben.»

Auch jetzt brachte ich keinen Ton raus.
Plötzlich würde sein Tonfall am anderen Ende der Leitung wieder ernst.

«Heb den Blick an. Schau zu deinem Bruder am Fenster», befahl er mir barsch.

Ich tat, was er sagte aus blanker Starre und zugleich auch Neugierde. Raúl hatte mich immer noch nicht bemerkt und telefonierte weiter.

Ich hingegen hatte bei diesem Anblick meine Stimme wieder gefunden.

«Ich bin daheim. Du kannst mir nichts antun. Sobald ich die Türen meines Hauses erreicht habe, wirst du mich nicht mehr kriegen... bist du bei mir bist, bin ich schon drin, in Sicherheit.»

Kaltes Lachen durchdrang am andere Ende der Leitung.

«Dieses Katze und Maus Spiel... hat erst gerade begonnen. Schau genauer hin!»

Seine selbstsichere Stimme verunsicherte mich noch mehr und auch dieses Mal bedachte ich Raúl mit einem aufmerksamen Blick, bis ich plötzlich etwas an seinem T-Shirt ausmachen konnte, der sich dann hocharbeitete. Ein roter kleiner Lichtstrahl, direkt über seine Stirn.

Ich rang nach Luft.

«Wer gewinnt nun diese Runde ? Du oder ich ? Hast du wirklich gedacht, ich lasse dich einfach so heraus spazieren. Merkst du es immer noch nicht? Du warst nur draußen, weil ich es so wollte.»

Ich setzte den Tränen nahe einem Schritt nach vorne. Ich musste ihn warnen, ich musste Raúl warnen.

«Stop !», durchschnitt die messerscharfe Stimme am Telefon mein Vorhaben.

«Betrittst du dieses Haus wird Tian ihn erschießen, ohne mit der Wimper zu zucken. Du wirst keinen weiteren Schritt nach vorne setzen, und keinen auf dich aufmerksam machen. Ich bin noch nicht fertig mit dir... Du wirst zurückkommen.»

«Nein ! Nein... Du bluffst... Ich kehre nicht zurück. Nicht zu euch. Ich weiß nicht was ihr von mir wollt.»

«Buffen ? Du denkst ich bluffe ?»

Nun klang er zornig.

«Tian ?»

Ich riss die Augen auf, als ich realisierte, dass die Worte nicht mehr an mich gerichtet waren, ich aber mithören sollte.

«Auf drei schießt du.»

Todesstille.

«Eins...»

Ich starrte den roten Punkt an, der immer noch an Raúls Stirn hin und her wanderte.

Nein, Nein sieh mich an. Raúl !

Sie waren nicht hier. Ich sah sie nicht ! Sie wollten nur, dass ich nachgab.

«Zwei...»

Er hatte es bewusst getan.
Silvana hatten bewusst die Klammer dort gelassen, hatten bewusst gewollt, dass ich fliehe. Mit was für einen Psychopathen hatte ich es nur zu tun... er würde nicht... er konnte nicht...

«Drei.»

Das Katz-und-Maus Spiel hatte begonnen
Und ich war schon längst in seine Falle getappt.

Hello 🙂
Passend zum Freitag den 13 gibt es hier ein neues Update 😈
Ich hoffe ihr habt den Tag gut überstanden. Da ich diese Zeilen nun um 9 Uhr morgens verfasse, kann ich schon Mal sagen, dass der Tag für mich sehr positiv angefangen hat. Wir haben in unserem Garten vor einigen Tagen ein verwundetes kleines Vöglein gefunden. Da ich meine Kanarienvögel abgöttlich liebe und wir als Familie generell  sehr tierfreundlich sind, haben wir den Vogel zu uns aufgenommen und ihn gesund gepflegt. Heute konnte es endlich wieder fliegen und sich somit wieder in die weite Welt hinauswagen 🙂

Wie dem auch sei, das Kapitel kam wie versprochen nach 3 Wochen, doch das nächste werde ich erst Anfang August posten. Der Grund dafür ist, dass mir jetzt beim erneuten Lesen dieses Kapitels und des nächsten Kapitels, die ich vor knapp zwei Monaten schon verfasst hatte, aufgefallen ist, dass es mir nicht mehr gefällt wie ursprünglich der Fall war. Dies habe ich jetzt zwar so gut es ging versucht zu korrigieren und umzuformulieren... aber ich muss zugeben, dass das echt hart für mich war. Ich bin seit knapp 2 Wochen bis 3 Uhr morgens wach, weil ich noch so viel zu erledigen habe und lernen muss und dann ungelogen jedes Mal noch nach 3 Uhr an einem Kapitel zu sitzen, bis ich wenigstens eine kleine Passage korrigiert habe, war für mich im Augenblick definitiv mehr als meine Kapazitäten es mir erlauben. Ich habe es trotz dessen durchgezogen.
Während meiner Abizeit ging das noch sehr gut, da habe ich ausschließlich nur nachts geschrieben, aber seit ich mir der Uni angefangen habe ist mir mein Schlaf hoch und heilig. Ich brauche jede Minute um am nächsten Tag meine Erledigungen angemessen durchführen zu können. So leid es mir auch tut, ich werde meinen Schlaf bis ich meine Klasuren nicht hinter mich gebracht habe keine Sekunde mehr für das nächste Kapitel aufbrauchten also kommt das Kapitel entweder in der ersten Woche oder in der zweiten Woche des Augustes.

Bis dahin gibt acht auf euch

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