001 | Anfang
~There will come a time when you believe everything's finished.
That will be the beginning.~
-Louis L'Amour
————
Lachen, weinen.
Glücklich, traurig.
Gewogen, wütend.
Das sind die Emotionen die ich gerade in den Menschen um mich herum sehe.
Und jedes Mal stelle ich mir dieselben Fragen:
Warum sollte man in einer Welt wie diese lachen, wenn hinter dem Lächeln ein Mensch stand der längst schon am ertrinken ist?
Warum sollte man in einer Welt wie dieser weinen, wenn die Tränen die vergiessen nichts wert sind?
Warum sollte man auf dieser Welt glücklich sein, wenn es nichts gibt um glücklich zu sein. Wenn alles nur für einen kurzen Moment anhält, und dieser Glücksmoment jederzeit zerstört werden kann. Ganz leicht mit schmerzlichen Folgen für dein Herz.
Warum gewogen sein, wenn alle selbstsüchtig nur auf sich selbst Acht geben?
Und warum belanglos wütend werden und seine Kraft verschwenden, wenn man davon nichts hat?
Warum überhaupt Gefühle haben, wenn diese dich innerlich zerstören konnten?
Seit ich klein war kannte ich diese Gefühle nicht mehr. Sie waren mir fremd. Ich verstand nie warum die Kinder in meiner Schule weinten nur, weil ihnen etwas Schlimmes passiert war. Warum einer über den anderen schlecht geredet hat, weil sie eifersüchtig oder gelangweilt waren. Und noch weniger verstand ich wieso sie am nächsten Tag mit einem strahlenden Lächeln zur Schule kamen und so taten als wäre nie etwas geschehen. Und wenn ich sagte, dass ich es nicht verstand, meinte ich das auch wortwörtlich. Viele nannten mich seltsam, da ich nie lachte, weinte, wütend oder traurig war.
Sie nannten mich immer einen Roboter. Oder einfach nur eine emotionslose Puppe. Diesen Spitznamen bekam ich, weil ich selten sprach, und wenn ich mal etwas sagte, hatte ich immer den gleichen Ton in der Stimme. Keine einzige Emotion. Nicht einmal eine Oktave höher oder tiefer. Dasselbe galt für mein Gesicht. Mein Gesichtsausdruck war immer der gleiche. Kalt, Emotionslos.
Aber das war nun mal ich. Meine Persönlichkeit.
Die missverstanden wurde.
Was viele nicht wussten war, dass ich im Grunde eigentlich ein weit offen stehendes Buch war. Nur wussten die Menschen nicht wie sie die nur schwierig wirkenden Buchstaben richtig lesen konnten. Dabei war es ganz einfach, man musste nur ganz genau hinschauen.
Mit einem schweren Seufzer stand ich von der Bank auf und begab mich auf dem Nachhause Weg. Mit langsamen Schritten verliess ich den Park, in dem die Kinder miteinander Spielten und lachten. Ich schaute um mich herum als ich das Knistern der orange-rot durchtränkten Blätter unter meinen Füssen hörte.
Herbst.
Herbst war eine schöne bunte Jahreszeit. Mit der holzigen und regnerisch duftenden Luft, die kühle Briese, der Boden ein Meer aus Farben, die nackten Bäume und die farbigen Blätter in denen Sonnenstrahlen hindurchschienen, was sie ein paar Kontraste heller erscheinen liessen.
Lustig war nur, wie man etwas schön finden konnte wenn doch alles starb...
Zu Hause angekommen machte ich mich auf den Weg in meinem trüben Zimmer. Es gab da nicht viel zu sehen, da ich ausgerechnet das ranzigste Zimmer in diesem grossen Haus erhielt. Ich bekam eine schlichte weisse Komode neben meinem kleinen Bett aufgestellt. Einen Tisch der grade mal für zwei Schulbücher platz hatte und einen winzigen Stuhl den ich vor kurzem bekam. Die Person, die für mich verantwortlich war fand es lästig die Arztegbühren für meine schmerzenden Knie zu bezahlen.
In meinem Zimmer setzte ich mich auf den kleinen Holzstuhl und schlug meine Schulbücher auf. Noch etwas was die Leute an mir 'komisch' fanden. Ich war immer mit lernen beschäftigt, weshalb mir ständig irgendwelche Namen an den Kopf geschossen werden. Aber ich ignorierte sie alle und schloss mich in meine eigene Welt ein.
Nicht lange und ich wurde vom lernen weggerissen als jemand in meinem Zimmer rein gestürmt kam. "Wo warst du, du dämliches Weib!", schrie mich meine Adoptivmutter aus vollem Halse an.
Ihre langen schwarzen Haare fielen ihr perfeckt über die Schultern, ihre blauen Augen waren mit schönen langen dichten Wimpern beschmückt, ihre Figur war für ihr Alter erstaunlich und ihr Gesicht liess täuschen, dass sie mitte 30 war. Alles in einem war sie eine wunderschöne Frau. Aber ihr Charakter-
"Wie oft habe ich dir gesagt, dass du ohne vorher aufzuräumen nicht sitzen sollst!" Sie kam mit schnellen Schritten zu mir und packte meine Schulbücher in die Hand. Mit denen lief sie auf das Fenster mit dem abgeblätterndem Lack zu, machte es auf, und warf sie raus.
"Noch einmal wie das hier lasse ich nicht gelten, verstanden!", schrie sie und zeigte drohend mit dem Finger auf mich. Ich schaute von ihr auf das Fenster hinüber und erwiderte fade: "Du musst mir die Schulbücher bezahlen. Ich bekomme keine von der Schule kostenlos. Und die, die du mir weggeworfen hast sind höchstwahrscheinlich in den Teich neben unserer Hauswand gefallen." Bevor ich es realisieren konnte, hatte sie eine Faustvoll von meinem Pferdeschwanz in der Hand. "Du dreckiges Stück redest gefälligst respektvoll mit mir. Oder willst du, dass wir die Letzte Woche wiederholen?!"
Respekt muss man sich verdienen.
Dachte ich mir, entschied mich aber es nicht zu sagen, dass wäre nur eine dumme Entscheidung. Stattdessen schaute ich ihr nur kalt in die Augen. "Mach mich noch wütender und es wird schlimmer wie letzte Woche enden. Anstatt ein normal grosses Glas werde ich dir eine kleine Kaffeetasse Wasser und eine halbe Scheibe Brot pro Tag geben!", drohte sie mir weiter, doch mir war das mittlerweile vollkommen egal. Ich sagte nichts sondern machte mich auf den Weg was auch immer aufzuräumen. Ich war mir das schon längst gewohnt, und ausserdem wie schon erwähnt redete ich nicht viel. Ich verschwendete meine Stimme nicht an Leuten die nett zu mir waren, also warum bei ihr?
Glaubt jetzt ja nicht ich wäre depressiv. Das bin ich nämlich nicht. Mir ist nur alles egal, ich hab's nicht so mit Gefühlen, hatte es auch nie. Mag komisch für euch klingen, ist aber so.
Als ich fertig war ging ich um unser Haus herum und suchte meine Bücher, nur um zu sehen, dass sie tatsächlich in den Teich gefallen sind.
Ich ging auf das Becken mit den farbigen Fischen zu und fischte meine Wasser durchtränkten Bücher raus.
Die waren jetzt wohl im Eimer. Toll.
Dachte ich mir schon fast gelangweilt. Sie hatte vieles getan, aber meine Schulbücher zu durchnässen nie.
Während ich auch die einzelnen Blätter raus fischte überlegte ich mir wie ich meine neuen Bücher bezahlen könnte. Taschengeld hatte ich ja nicht.
Als ich mich umdrehte um wieder ins Haus zu gehen blieb mein Blick auf unsere Nachbarsseite hängen. Wohl eher auf den schönen Jungen mit einer Zigarre im Mund, der mir direkt in die Augen schaute.
Von dieser Distanz aus konnte ich sein Gesicht nur teilweise wahr nehmen. Er hatte smaragdgrüne Augen, einen scharfen Kiefer und hohe Wangenknochen. Seine braunen Haare waren kurz, aber auch nicht zu sehr, und standen ihm perfekt in alle Richtungen. Kein Haarspray, kein Haargel, nur seine schönen Naturhaare.
Er war wunderschön.
Dachte ich mir. Ich versuchte es nicht zu leugnen, immerhin war das die Wahrheit. Zwischen uns war das Gelände welches unsere Gärten voneinander trennte und somit konnte ich nur einen Teil von seinem Oberkörper sehen, der von einem schwarzen T-Shirt und einer Lederjacke bedeckt war. Trotzdem konnte ich sagen, dass er recht gross war.
Er schaute mich kalt an, ich wiederum schaute ihn blank an. Falls er mir etwas sagen möchte, sollte er das schnell machen. Leicht zog er seine Augenbrauen zusammen, doch nach einer Weile kam der kalte Blick zurück in seinen Augen, drehte sich um und ging in seinem Haus rein. Nachdem er drinnen war machte auch ich schulterzuckend auf dem Absatz kehrt und ging ins warme.
Gutes Gespräch.
In meinem Zimmer angekommen versuchte ich meine Schulbücher mit einem Föhn zu trocknen, danach legte ich sie offen auf meinem Tisch und machte mich Bettfertig.
Als ich meine Balkontüre zu machen wollte schaute ich noch ein letztes Mal auf das Nachbarhaus rüber. Da das Haus für eine längere Zeit leer stand mussten sie unsere neuen Nachbarn sein.
Ich habe gar nicht mitbekommen wie die Balkontür gegenüber von mir aufging und jemand raus trat. "Was ist.", hörte ich eine genervte, aber auch eine angenehm tiefe Stimme in meine Richtung fragen. Aus einem unerklärlichen Grund lief mir ein Schauer den Rücken runter. Ich drehte meinen Kopf zu dem Jungen von vorhin. Nun konnte ich ihn besser sehen. Und wie ich behauptet hatte, war er wirklich gross und zudem auch gut gebaut. Er hatte diesmal eine lange, graue Trainerhose an und ein weisses T-Shirt mit einem V-Ausschnitt welches seine Muskeln betonte.
"Wie bitte?", fragte ich ahnungslos. Was wollte er denn? Ich habe nur auf seinem Haus rüber geschaut. Er schüttelte nur - immer noch genervt von mir - seinen Kopf. "Kümmere dich um deine Angelegenheiten und schaue nicht durchs Fenster von jemanden andern. Auf neugierige Nachbarn habe ich keine Lust.", waren seine letzten Worte bevor er wieder rein ging und die Gardinen zu zog.
Was für ein komischer Typ...
Mit leicht zusammengezogenen Augenbrauen machte auch ich meine Balkontür zu und legte mich ins Bett.
Also war er einer von solchen Jungs.
Dachte ich mir gleichgültig und versuchte einzuschlafen. Dennoch kam mir immer wieder sein Gesicht vor Augen.
In diesem Moment wusste ich nicht was nach dieser Begegnung auf mich zukommen würde, und wie sehr sich mein Leben ändern wird.
~~~~~
Das ist das erste Kapitel von ‚The Badboy's Angel Puppet', und ich hoffe, dass es bis hierin ganz gut war <3
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top