(7) look beyond what you see

The hardest questions
have the easiest answers.
Look beyond what you see.
-words.entwined

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-Lanohiah, jetzt-

"Warum bist du beim Trinken so viel besser als ich?"

"Sind wir mal ehrlich: Ich bin in allem besser als du", erwiderte ich schmunzelnd, als sich Kev neben mich aufs Sofa warf.

Obwohl wir etwa gleich viel getrunken hatten, wirkte er schon ziemlich angetrunken. Grinsend nahm ich ihm das Glas mit der restlichen Flüssigkeit ab und leerte es in einem Zug, was mir einen verärgerten Blick seiterseits einbrachte.

Kaliel und Habuiah, ein weiblicher Engel mit wohlgeformter Figur und einer dunklen, glänzenden Haarmähne setzten sich zu uns. Kev begrüßte die beiden sogleich begeistert. "Endlich mal werde ich durch angenehme Gesellschaft beehrt", meinte er mir einem vielsagenden Seitenblick zu mir.

Kaliel beäugte Kev misstrauisch. In ihrem Gesicht konnte ich lesen, dass sie von seinem Zustand wenig begeistert war. Sie wechselte den Platz und setzte sich neben mich.

Irgendwann erzählte sie, dass sie herausgefunden hatte, dass ihr Schützling kein Politiker war, sondern ein finanzieller Unterstützer verschiedener Umweltorganisationen.

"Langsam habe ich den Verdacht, dass seine kürzlich angeheiratete Frau die Organisationen sabotieren will. Wahrscheinlich will sie an sein Geld. Schrecklich. Dabei will er doch nur etwas Gutes tun", überlegte Kaliel laut.

"Ich würde nicht nur darauf achten, ob sie den Organisationen Geld abnehmen will. Wenn das nichts nützt ist dein Schützling bestimmt selber in Gefahr, je nachdem wie sehr seine Frau ans Geld will", gab ich zu Bedenken.

"Hmm", machte Kaliel. "Wie geht es bei dir voran?"

"Es geht so", meinte ich. "Sie kommt mir wie ein ganz normales Mädchen vor. Irgendwie gibt es da nichts ungewöhnliches", fügte ich dann hinzu.

"Das glaube ich nicht", sagte Kaliel da. "Du musst tiefer sehen", riet sie mir mit eindringlichem Blick. Dann trat eine unangenehme Stille auf. Wir wendeten die Blicke wieder ab.

Ein paar Minuten später blickte Kaliel mich wieder an und knetete daraufhin ihre Hände. "Lano, hast du dich jemals gefragt, wie wir sie beschützen sollen, ohne dass sie von uns erfahren?"

Bei diesen Worten starrte ich auf Kevs beinahe komplett leeres Glas in meinen Händen. Gedankenverloren schwenkte ich den letzten kleinen Tropfen im Kreis des Glasbodens umher.

"In der Menschenwelt passieren doch ständig Wunder. Irgendwas Unnatürliches passiert. Die einen schieben es auf den Zufall, die Anderen glauben an ein Wunder oder einen Gott, der sie beschützt hat. Sie denken, sie wurden durch ein Wunder gerettet."

"Aber es war kein Wunder. Es waren wir", erwiderte Kaliel und sah mir in die Augen.

"Wer sagt denn, dass wir kein Wunder sind?"

*

Sechszehn Tage nach der Entscheidung Rochels saß ich also mit meinen Freunden im Aufenthaltsraum der Absolventen, redete mit Kaliel über Wunder und hinderte Kev daran, in seinem Zustand irgendwelche Dinge zu tun, die er später bereuen würde. Irgendwann hatte ich es satt und trug Kaliel auf, sich um Kev zu kümmern.

Schließlich saß ich auf dem Geländer des Balkons und sah in die Nacht hinein. Sechszehn Tage. Kaliel hatte schon so viel herausgefunden. Im im Gegensatz dazu fühlte ich mich, als würde ich im Dunkeln laufen.

Du musst tiefer sehen.

Ich holte eine Zigarette hervor und entzündete sie durch Flammen, die ich mit meiner Hand verursachte. Frustriert zog ich an der Zigarette und atmete den Rauch wieder aus.

Ich wusste, dass Hira Albträume hatte, sich mit Musik beruhigte und relativ viel mit ihren Freunden unternahm.

Ein leichter, kühler Wind zog auf. Ich hörte, wie er durch die Bäume und ihre Blätter fuhr.

Dann bemühte ich mich, Hiras Gefühle zu den Situationen zuzuordnen.

Sie fühlte sich frei, wenn sie in einem Auto saß, dass immer schneller fuhr. Sie genoss es, wenn ihr der kalte Wind ins Gesicht peitschte und ein prickelndes Gefühl auf der Haut hinterließ.

Weiterhin wachte sie manchmal nachts von Albträumen auf und fühlte sich danach eher verwirrt und verzweifelt als verängstigt.

Klaviermusik beruhigte ihren Herzschlag. Oft starrte sie nachdenklich und konzentriert aus dem Fenster.

Und mir fiel ein, dass ich bemerkt hatte, dass ich sie sehr selten überhaupt lächeln sah. Dass sie das nur tat, wenn sie glaubte, von niemandem beobachtet zu werden. Trotzdem wirkte sie aber nicht unglücklich.

Ich konnte diesen Menschen einfach nicht richtig einschätzen. Es trieb mich in den Wahnsinn. Besonders, weil mir all das auch nicht half, meine Aufgabe für sie herauszufinden.

Plötzlich sah ich auf, als über dem See und den Bergen ein paar Drachen durch die Dunkelheit flogen. Ich erkannte die Art, wusste, dass sie nicht gefährlich waren und wunderte mich jedoch, weshalb sie dieses Gebiet durchflogen.

Die Tür, die vom Balkon wieder ins Innere führte, öffnete sich und eine Person trat heraus. Die Schritte kamen näher und verstummten dann neben mir.

"Hey, Lano."

Habuiah, der Engel mit den dunklen Haaren trat zu mir. Wenn ich mich recht erinnerte, war sie die Göttin, die freigebig schenkt. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass wir schon beim Spitznamen angekommen waren, aber ich nahm es einfach mal hin.

"Hey", grüßte ich schlicht zurück.

"Wie geht es dir?", erkundigte sie sich und schwang sich neben mich auf das Geländer. Wir sahen auf den etwa zweihundert Meter entfernten Boden hinab. Ich fand, dass es etwas wunderbares und mächtiges hatte, so weit hinunter blicken zu können.

"Nun ja, mein bester Freund ist irgendwo da drin, betrunken und wahrscheinlich wird er mich morgen dafür umbringen, dass ich ihn alleine gelassen habe."

"Er hat mich ziemlich angemacht vorhin. Jetzt bequatscht er wen anders", lachte Habuiah leise.

"Bestimmt hat er sich eine von dir gefangen und wird mich deshalb morgen noch wahrscheinlicher umbringen", seufzte ich daraufhin.

"Von mir würdest du dir keine fangen", wisperte sie und beugte sich näher zu meinem Ohr heran.

Das wusste ich. Ich hatte mir bisher von noch niemandem eine gefangen. Man schlug Lanohiah, den bewunderungswürdigen Gott nicht. Man bewunderte ihn.

Manchmal hasste ich es. Dass es viel zu leicht war. Nie auf Widerstand zu stoßen. Ich von irgendwie jedem gemocht und bewundert wurde, bedingungslos.

Nicht selten wunderte ich mich, ob wir so waren, wie unser Name es vorgab, weil Rochel wusste, wer wir waren und wie wir werden würden. Oder ob wir so wurden, weil unser Name uns vorgab, wie wir sein sollten.

Ob sich der Name nach uns richtete, oder wir uns nach dem Namen richteten.

Habuiah neben mir lehnte sich näher an mich. Der Wind wurde stärker. Wahrscheinlich würde schon bald ein Sturm aufziehen. Ich warf die Zigarette achtlos in den See hinunter.

Lanohiah, bewunderungswürdiger Gott. Bedingungslose Bewunderung von allen Seiten. Einerseits hasste ich es und fand es irgendwie auch ziemlich langweilig. Andererseits, wer hat denn gesagt, dass ich es nicht trotzdem ausnutzen kann?

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