(6) drowning and dying

Some days I feel everything at once,
other days I feel nothing at all.
I don't know whats worse:
drowning beneath the waves
or dying from the thirst.
- o.m.

______________

-Hiraeth, jetzt-

Schwer atmend schreckte ich aus dem Schlaf hervor. Ich spürte kalten Schweiß in meinem Gesicht und auf meinem Rücken. Mein T-Shirt klebte nass auf meiner Haut.

Während ich versuchte mich zu beruhigen, setzte ich mich auf und schaltete die Nachttischlampe ein. Ich saß in meinem Bett. In meinem Zimmer. In Sicherheit.

Tief durchatmend fuhr ich mir durch die Haare und versuchte, mich diesen Traumes zu entsinnen. Doch wie so oft konnte ich mich an nichts erinnern. Keine Erinnerung. Einzig und allein das Gefühl von Leere und ein wenig Angst blieb in mir zurück.

Ich griff nach meinem Handy und tippte wie schon so oft in dieser Situation auf Nuvole Bianche. Als die Melodie ertönte spürte ich, wie sich mein Atem und Herzschlag beruhigte, wie die Welt plötzlich viel weniger einsam und finster wirkte.

Ich schwang die Füße aus dem Bett und tapste barfuß über den kalten Boden hinüber zum Fenster. Seufzend umschlag ich meinen eigenen Oberkörper mit den Armen, was zumindest ein bisschen Wärme und Trost spendete.

Grübelnd blickte ich über die Stadt und dachte darüber nach, wie viele Menschen hier eigentlich ihr eigenes, individuelles Leben führten. Oft vergaß ich, dass jedes Wesen das mir begegnete ein eigenes, genauso komplexes Leben wie ich führte.

Irgendwann war das Lied vorbei. Ich drehte mich um, legte mich wieder ins Bett und griff nach dem weichen, dünnen, kaminroten Buch auf meinem Nachttisch.

All or nothing

If you love me
for what you see,
only your eyes would be
in love with me.

If you love me
for what you've heard,
then you would love me
for my words.

If you love
my heart and mind,
then you would love me,
for all that I'm.

But if you don't love
my every flaw,
then you mustn't love me-
not at all.

-Love & Misadventure, Lang Leav.

*

Ich erwachte aufgrund des nervtötenden Klingeltons meines Handys. Grunzend drehte ich den Kopf zur Seite und starrte mit leicht zusammengekniffenen Augen auf das viel zu helle Display. Wer auch immer das war, es würde sein letzter Anruf gewesen sein.

"Miles, was zur Hölle willst du?", zischte ich, als ich den Anruf schließlich doch angenommen hatte.

"Hira, endlich!", rief er, sodass ich mein Handy einige Zentimeter von meinem Ohr halten musste.

Genervt und wütend schwor ich mir, ihn dafür leiden zu lassen.

"Ich steh vor deiner Haustür. Lass mich rein."

Nun gut, somit hatte ich zumindest die Möglichkeit, meinen Plan in die Tat umzusetzen.

Während ich mich nach einer Tatwaffe umsah, quelgelte Miles, dass ich ihn hineinlassen sollte. Genervt gab ich die Suche auf, verließ mein Zimmer und ging durch die Wohnung, um die Haustür zu öffnen.

Der große, braunhaarige Junge stand im Türrahmen und quetschte sich sogleich an mir vorbei. Ich stand noch immer an derselben Stelle und schloss für zwei Sekunden genervt meine Augen. Dann warf ich die Tür wieder zu und drehte mich zu Miles um. Gottseidank war ich heute alleine in der Wohnung. Keine Zeugen also.

"Ich will ja nicht unhöflich sein, aber du siehst ziemlich scheiße aus", bemerkte er trocken.

Eine Bratpfanne? Die Küche war direkt nebenan. Ein paar Schritte ins nächste Zimmer, die unterste Schublade aufreißen...

Oh Gott, ich brauchte dringend Koffein. Dicht gefolgt von Miles betrat ich die Küche und begab mich daran, uns Kaffee zu machen.

"Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass ein Typ aus unserem früheren Biokurs heute Abend eine Party schmeißt. Wir gehen hin. Mit Caro und Liam", erklärte der Junge schlicht.

"Und deswegen weckst du mich? Hättest du mir das nicht einfach schreiben können?!"

"Und mir dein vom Schlaf verquollenes Gesicht entgehen lassen? Sicher nicht", konterte Miles lachend.

Unterste Schublade. Bratpfanne. Blut auf dem Küchenboden.

Wunderschöne Vorstellung.

Ich seufzte und zog zwei Tassen hervor. Dann goss ich die dunkle Flüssigkeit hinein und atmete den wunderbaren Geruch von Kaffee ein.

"Achja, außerdem bin ich hier, um dir für dein Outfit für die Party zu helfen", fügte Miles am heißen Getränk schlürfend hinzu.

"Warum das denn?"

"Für Liam."

"Warum für Liam?"

"Hira, wenn du ihn dir nicht schnappst, mache früher oder später ich das."

Bei seinen Worten lachte ich. Ich wusste, dass Miles nichts von Liam wollte, aber ich wusste nicht, ob ich überhaupt etwas von Liam wollte.

Wie sollte ich mich um eine Beziehung kümmern wenn ich schon mit mir selber überfordert war?

*

"Hey. Freut mich, dass ihr kommen konntet."

"Okay, lass das. Gib mir nen Drink", erwiderte Caro, als uns der Typ aus dem früheren Biokurs die Tür öffnete.

Verwirrt blickte er meine unfreundliche Freundin an, sagte aber nichts und ließ uns hinein.

Das Haus war voller Jugendlicher, Alkohol, guter Stimmung und lauter Musik.

Ehrlich gesagt mochte ich das alles nicht mal. Bis auf die Musik vielleicht. Alkohol schmeckte scheiße, die meisten Menschen waren scheiße.

Aber mit meinen Freunden machte das Feiern Spaß und aus irgendeinem Grund sorgte es dafür, dass ich mich frei und unbekümmert fühlte.

Wir gingen ins Wohnzimmer, wo die Musik am lautesten war. Caro, die ihren Drink bereits von dem Jungen, dessen Name ich noch immer nicht wusste, erhalten hatte, hielt sich mit mir im Hintergrund, als Liam und Miles zur Bar gingen und zwischen den anderen Leuten verschwanden.

Caro neben mir nippte an ihrem Glas und ich bemerkte ihre präzisen Bewegungen, als sie sich das lange, helle Haar hinter die Schulter strich und geradeaus starrte. Ich folgte ihrem Blick und entdeckte einen dunkelhaarigen Typen in Jeans und Karohemd.

Stirnrunzelnd blickte ich Caro an. Nicht, dass ich irgendwas gegen ihn oder sein Erscheinungsbild hätte. Ich hätte nur nicht vermutet, dass er Caros Typ sei. "Ernsthaft?"

"Nein, natürlich nicht. Sei unauffällig, 14 Uhr. Aber er soll denken, ich hätte meine Interessen wo anders." Caro schmunzelte und blickte mich an. "Taktik, Schätzchen."

"Perfide Verwirrung männlicher Geschöpfe würde ich es eher nennen, Schätzchen", konterte ich und verzog mitleidig das Gesicht, als ich bemerkte, wie der Typ im Karohemd Caro schüchtern betrachtete. Ich wandte den Blick ab und betrachtete Caros wahres Opfer. Der junge Mann auf 14 Uhr schien derzeit in Gespräche verstrickt zu sein.

"Gute Wahl", ertönte Miles Stimme hinter uns, der seinen Kopf von hinten zwischen Caro und mich steckte und meinem Blick gefolgt war. Ich zuckte zusammen und war schon zum zweiten Mal an diesem Tag kurz davor, ihm wehzutun.

"Muss ich wirklich der einzige dieser Gruppe sein, der auf Frauen steht?", seufzte Liam augenverdrehend.

"Leute, ihr nervt! Und Liam, geh weg! Wenn ein gutaussehender Typ wie du neben mir steht sind alle anderen Typen direkt eingeschüchtert", beschwerte Caro sich und drückte ihre Hände auf Liams Brust, um ihn wegzuschieben. Dieser grinste aber nur und bewegte sich keinen Zentimeter.

"Hira, könntest du mir einen Gefallen tun und diese beiden Idioten entfernen?", bettelte Caro mich an, legte beide Hände auf meinen Schultern ab und sah mir eindringlich in die Augen. Dann zog sie die Augenbrauen ein wenig nach unten, machte einen Schmollmund. Verdammtes, perfides Stück.

"Du spielst mit unfairen Tricks", bemerkte ich trocken. Caro verzog keine Miene. "Ist ja schon gut", seufzte ich dann.

Das Gesicht meiner besten Freundin hellte sich augenblicklich auf.

"Du bist die Beste!"

"Ja ja", erwiderte ich und drehte mich um, damit sie den Anflug meines Lächelns nicht sehen konnte.

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