(53) we found each other

I told her I was lost in this world and she smiled, because she was too, we were all lost somehow, but we didn't care. We had found the chaos, found each other.
- Atticus

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-Lanohiah, jetzt-

Ich stand im Kampffeld. Um mich herum brannte es. Die Hitze breitete sich unaufhaltsam aus, immer weiter und weiter.

Ein Engel mit silberfarbenen Federspitzen stand mir gegenüber. Wir kämpften um Leben und Tod. Doch ich kämpfte nicht nur für mein Leben.

Im Augenwinkel sah ich, wie Vira ihren Oberkörper aufrichtete und ihre Hände auf Kevs Brust presste. Mein Atem stockte, für einen Moment war ich zu abgelenkt. Das hätte mein Todesurteil sein sollen. Doch so kam es nicht.

Schwarze Flügel schoben sich in mein Sichtfeld, ein weiterer Engel stellte sich zwischen Viras Mutter und mich. "Nein", sagte er. "Das kannst du nicht tun. Sie wird dir niemals verzeihen, wenn du ihn tötest. Sie liebt ihn."

Schwer atmend schreckte ich auf, mein Körper war schweißüberströmt. Ich wartete, bis sich mein flacher, zitternder Atem beruhigte und fuhr mir mit der Hand durchs Gesicht.

Seufzend schaltete ich die Nachttischlampe ein und brauchte einen Moment, um mich im Raum zu orientieren. Ich saß in einem Stuhl, vor einem Bett. Erinnerungen an die vergangenen Stunden kamen zurück.

Mich aufrichtend betrachtete ich den Engel, der schlafend vor mir lag. Ich überprüfte seinen Atem und seinen Puls, beides schien mir ziemlich ruhig und gleichmäßig zu sein.

Dann schaltete ich das Licht wieder aus, lehnte mich in den Stuhl zurück und rieb mir über die Augen. Kevs Gesundheitszustand hatte mich schon beinahe die ganze Nacht wachgehalten, und jetzt rissen mich auch noch Träume gewaltsam aus meinem Schlaf.

Erschreckend realitätsnahe Träume.

Mir schauderte es, als ich darüber nachdachte, dass Vira noch bei ihrer Mutter war. Das sie wohl dachte, ich hätte ihren früheren besten Freund ermordet. Ich hatte keine Ahnung, wie ich sie jemals finden sollte, um ihr die Wahrheit zu erzählen.

Ich fühlte mich leer und verloren, wie so oft schon in den letzten Tagen.

Die Müdigkeit überrannte mich, meine Augen fielen zu.

*

Der blaue Zauber schwebte vor mir, wunderschön und anmutig. Dann schoss er durch meine Brust in mich hinein, mir wurde schlecht.

Rochels Gesicht erschien vor mir, ganz blass und ernst, dann leuchteten ihre türkisfarbenen Augen auf.

Meine Welt drehte sich, ich wurde durch Zeit und Raum geschleudert.

Ein hell leuchtendes, sichelförmiges Symbol verwandelte sich in eine rote, schmierige Zeichnung auf weißem Hintergrund.

Ich sah blutige, abgeschnittene Federn in einer zu einer Faust geballten Hand, dann drehte sich meine gesamte Welt abermals um sich selbst.

Ganz plötzlich war alles still. Ich erkannte Flügel mit blutigen, federleeren Stellen. Schwarz-weiße Tasten, hölzerne Wände und erste Sonnenstrahlen, die durch das Fenster fielen. Braun-grüne, funkelnde Augen.

Ich schreckte auf und bekam meine bebende Atmung kaum unter Kontrolle.

Noch mehr erschreckte ich mich, als der sich aufgerichtete Engel im Bett vor mir mich ausdruckslos anstarrte.

"Äh, alles gut bei dir?", fragte ich ihn.

"Ja", sagte er, sich mit den Händen durchs Gesicht fahrend. "Ich erinnere mich nur gerade wieder an alles."

"Brauchst du einen Arzt?"

"Um Gottes Willen, bitte nicht. Mich schaudern die, seit wir in diesem Kühlhaus waren und Viras Flügel abgeholt haben." Er seufzte. "Hast du eben schlecht geträumt?"

"Nein", antwortete ich zögerlich. "Das war kein Traum."

"Sondern?"

"Mehr wie ein Hinweis. Eine Botschaft. Ich glaube, Rochel hat sie mir geschickt", antwortete ich.

"Scheiße, Mann", fluchte Kev. "So was geht? Also, Frauen machen mir manchmal ne Scheiß Angst." Langsam fuhr seine Hand zu dem Verband um seinen Oberkörper, während er ein paar üble Flüche murmelte. "Weißt du denn, was sie zu bedeuten hatte?", fragte er, nachdem er fertig war.

"Ich denke schon. Sie.. Sie führt wohl zu Vira."

"Warum bist du dann noch hier?"

Überrascht blinzelte ich ihn an.

"Alter. Ihr habt mir mein Leben gerettet. Das ist die höchste Ehre und Guttat, die man in diesem Land erreichen kann. Also geh, werd glücklich und benennt eines eurer Kinder nach mir."

Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, auch wenn Kev das gerade wohl todernst meinte.

"Und das Gericht? Was ist mit meiner Strafe?", wand ich ein.

"Das hat doch weiß Gott gerade besseres zutun. Die wollen doch jetzt nur noch die Verräter finden."

Wortlos sah ich ihn an und begriff, das der Zeitpunkt gekommen war. Ich musste mich entscheiden, zwischen dem was ich tun sollte und dem, was ich wollte. Mir war eine neue Chance für diese Entscheidung gegeben worden.

Und dieses Mal fiel sie mir alles andere als schwer.

*

Nach einer Zeit die mir wie eine halbe Ewigkeit vorkam, entdeckte ich die kleine Holzhütte zwischen den hohen, dichten Tannen des Waldes.

Als ich noch näher herankam entdeckte ich, dass im Inneren der Hütte dämmriges Licht brannte.

Ich raste näher und stolperte fast, als meine Füße auf den Boden trafen. Meine Gefühle überschlugen sich, ich freute mich so darauf, Vira endlich wieder zu sehen, ich hatte Angst, dass sich schon wieder etwas zwischen un drängen könnte, aber noch mehr verspürte ich Euphorie und das Gefühl, nach einer Ewigkeit endlich wieder nach Hause zu kommen.

Aber ich verspürte auch Furcht. Wie lange würden wir bleiben können, bis wir wieder aufbrechen mussten? Wie stark würden sie nach einem Engel suchen, der sich seinem Gerichtsurteil und Strafaufhalt in der Sozialunterkunft verweigerte? Wie sollten wir überleben, abgeschieden vom System der Engel? Ich wusste ja nicht einmal, wie wir an Lebensmittel kommen sollten.

Die Leere der letzten Tage in mir war mit einem Schlag verschwunden. Ich fühlte nicht nichts, ich fühlte alles.

Meine Hand steckte sich zum Türgriff aus, doch für einen Moment noch schloss ich die Augen, atmete ein und aus. Am Anfang dieser ganzen Geschichte hatte ich gedacht, dass Angst für mich ein Fremdwort wäre. Aber man braucht Angst und man braucht Furcht und Sehnsucht um zu erkennen, was wirklich letztendlich von Bedeutung ist.

Plötzlich vernahm ich aus dem Inneren der Hütte eine leise, zögerlich und wunderbar klingende Melodie, woraufhin ich meine Augen aufriss und die Tür anstarrte.

Wie fremdgesteuert drückte meine Hand den Türgriff herunter, ganz still und leise. Ich blinzelte dem Licht entgegen, aber noch mehr dem Bild, welches sich vor mir auftat.

Ein Engel saß vor dem Fenster auf dem Klavierstuhl. Ihre Flügel hingen locker an den Seiten herab. Ihr zarter Rücken war gerade aufgerichtet, während sie Nuvole Binache spielte. Eine kleine Schmetterlingsfee flog im Takt der Musik durch den Raum, und war von der Melodie so verzaubert, dass sie sich beinahe in Viras Haaren verfangen hätte.

Vira lachte. Der Klang ihres Lachens brachte mein Herz zum Hüpfen. 

Plötzlich drehte sie sich um, wobei ich unwillkürlich zusammenzuckte, mich weiterhin aber nicht bewegen konnte und wie der letzte Vollidiot im Türeingang stand.

Wirklich nur sie konnte mich zu einem Idioten machen.

Vira stand auf und ging auf mich zu, dann lächelte sie.

Als sich meine verdammten Füße endlich rührten und auf den einzigen Engel der Welt zugingen, den ich je wirklich auf dieser Erde geliebt hatte, da begriff ich, dass alles andere bedeutungslos war.

Und als unsere Lippen aufeinander trafen wusste ich, dass uns ab jetzt nichts mehr aufhalten konnte.

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