(4) a little broken

Aren't we all a little broken in our own ways?
Entering the world as a piece,
going back in pieces.
-words.entwined

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- Hiraeth, jetzt -

Der Wind fuhr durch meine Haare, schleuderte sie mir um meinen Kopf herum. Die ganze Luft, die so schnell an uns vorbeiflog, umstreichelte mich unsanf.

Das Auto beschleunigte. Der Wind peitschte mir nun durchs Gesicht und hinterließ prickelnde Kälte auf meiner Haut. Die Sicht um mich herum verschwand, die ganzen Lichter verzogen sich zu langen, leuchtenden Strichen, alle Lichter verzogen sich zu einem. Nichts um mich herum war mehr richtig wahrzunehmen.

Adrenalin durchfuhr mich und ein Freudenschrei entfuhr mir. Ich streckte die Hände in die Höhe und wünschte, schneller zu werden und dieses Auto endgültig zu verlassen. Ich fühlte mich frei und ungebunden und wunderbar.

Und dann war der Moment vorbei. Das Auto wurde langsamer, sodass ich nach links zum Fahrer schaute. Er grinste, den Blick fest auf die Straße gerichtet und sah mich erst an, als wir an der roten Ampel hielten.

Wir schwiegen, bis es Grün wurde und sich das Auto wieder in Bewegung setzte. "Caro und Miles warten sicher schon", bemerkte Liam mit einem Blick auf die digitale Uhr im Auto.

"Bestimmt nicht lange. Caro kommt doch ständig zu spät", erwiderte ich grinsend.

„Da hast du wohl Recht."

Wir bogen ab und fuhren in ein Parkhaus. Als Liam parkte, das Dach wieder hochfuhr und wir ausstiegen, schloss er ab und wir machten uns gemeinsam auf zum Ausgang des Parkhauses. Wir fanden uns auf der belebten und beleuchteten Straße wieder.

Wenige Minuten später waren wir am Park angekommen, bei dem wir uns in so vielen Nächten trafen. Ein paar andere Jugendliche lungerten hier herum, hörten Musik und tranken Alkohol.

Liam und ich gingen zu unserem gewohnten Platz an einer kleinen Mauer, auf der man sitzen und ins Wasser des Flusses sehen konnte.

"Hey ihr zwei", begrüßte uns Miles, der den Kopf zu uns drehte. Wir traten näher, woraufhin wir auch Caro begrüßten und uns neben die beiden auf die Mauer setzten.

Wir redeten wie immer über dies und das, während ich mich entspannte und in das glitzernde Wasser vor uns starrte. Ich kannte den Grund, weshalb wir oft gemeinsam hier saßen und nicht wirklich etwas taten. Irgendwie wusste ich, dass die Anderen diesen Grund auch kannten, obwohl keiner von uns ihn je ausgesprochen hatten.

Wir wollten einfach nicht alleine sein. Nicht alleine sein in den Nächten, die einem einzeln so einsam und bedeutungslos vorkamen.

Ich lehnte mich an Caros Schulter an und lauschte den Gesprächen zwischen den dreien. Caro und Liam kannte ich, seit ich in diese Stadt gezogen war.

Irgendwie hatten wir uns in der Schule kennengelernt und gut verstanden. Caro war meine erste Sitznachbarin gewesen, als ich neu zur Schule kam. Sie war nicht gerade gut in den meisten Unterrichtsfächern. Sie bat mich ständig darum, meine Hausaufgaben abschreiben zu dürfen. Das hatte mich anfangs schon ziemlich genervt.

Eines Tages war ich nach meinem Aushilfsjob unangemeldet bei ihr zu Hause aufgetaucht. Ein Mann mittleren Alters hatte mir geöffnet. Es war Nachmittags gewesen. Er hatte nach Alkohol gestunken. Einer Menge Alkohol.

Seitdem hatte ich Caro jedes Mal abschreiben lassen und ihr mit der Schule geholfen.

Liam war eigentlich relativ beliebt in der Schule. Ich wusste, dass er gut aussah und viele Mädchen aus der Schule für ihn schwärmten.

Einmal hatte er mir erzählt, dass er damals ziemlichen Mist gebaut hatte. Ich ging von Prügeleien mit Körperverletzung aus, aber direkt hatte er mir das nie bestätigt. Seine Eltern versorgten ihn mit Geld, waren aber nie zu Hause.

Mit Miles waren wir erst Monate später in Kontakt getreten. Und das auch nur durch die traurige Tatsache, dass ich ihn verteidigt hatte, als er von einigen homophoben Mitschülern aufs übelste beleidigt wurde.

Na ja, und seitdem waren wir befreundet gewesen.

Wir alle lebten hier ein gutes Leben, doch wie jeder Mensch dieser Welt hatten wir ein Laster zu tragen, mit dem man manchmal einfach nicht alleine sein wollte.

Über mich und mein Leben gab es da allerdings nicht so viel zu sagen.

Ich schloss meine Augen, lauschte dem Wasser, den leisen Gesprächen meiner Freunde und versuchte, an rein gar nichts mehr zu denken.

***

- Hiraeth, vor ein paar Jahren -

Langsam öffnete ich die Augen. Ich lag auf einem Bett und sah an eine weiße Decke. Mein Körper fühlte sich ziemlich schwer an, weshalb ich mich nur mit großer Mühe aufsetzen konnte. Mein Rücken schmerzte und mir war schwindelig.

Ich führte eine Hand zu meinem Kopf, doch ich fühlte keine Haut und kein Haar, sondern etwas raues, das nicht zu meinem Körper gehörte. Erst nach einigen Sekunden begriff ich, dass es ein Verband war.

Ich sah mich um und realisierte, dass ich in einem Krankenzimmer lag.

Warum? Ich versuchte mich zu erinnern, mich an irgendwas zu erinnern, aber da war nichts, absolut nichts.

Langsam überkam mich Panik, mein Atem und Herzschlag beschleunigte sich. Das merkte ich nicht nur an mir selbst, sondern auch an dem schneller werdenen Piepen von dem Gerät, an das ich angeschlossen war.

Was war hier los? In diesem Moment wurde die Tür geöffnet und eine Krankenschwester trat ein. Sie eilte zu mir und sah mich mit ihren tiefbraunen Augen an. "Du bist aufgewacht. Wie fühlst du dich?", erkundigte sie sich mit sanfter Stimme.

"Es geht so", brachte ich mühsam hervor.

"Kopfschmerzen?"

„Mir ist schwindelig und mein Rücken tut weh", erwiderte ich.

Die Schwester prüfte den Verband an meinem Kopf und danach die Geräte, an die ich angeschlossen war.

"Was ist passiert?", fragte ich schließlich.

"Oh.. Einen Moment, Schätzchen." Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer und kam wenig später mit einem Arzt zurück, der mich begrüßte. Mir machte das alles Angst, ich verstand nicht, was hier passierte.

"Erinnerst du dich an irgendwas, was passiert ist?", fragte der Arzt schließlich. Ich schüttelte bloß den Kopf. Der dunkelhaarige Mann zog einen Stuhl ans Bett und setzte sich.

"Ihr hattet einen Unfall. Deine Eltern haben es nicht geschafft", erklärte er mir leise.

Ich konnte nicht anders, als ihn anzustarren. „Meine Eltern?", fragte ich und versuchte verzweifelt, mir ein Bild von ihnen in Erinnerung zu rufen. Aber da war nichts, absolut gar nichts.

Panik überfiel mich, als ich realisierte, dass es auch sonst nichts in meinen Erinnerungen gab.

Der Arzt sah mir in die Augen und sein Blick zeigte mir, dass er vermutete, was gerade mit mir passierte. "Kannst du dich an deinen Namen erinnern?"

*

Ich verstand die Diagnose nicht ganz, die man mir mitteilte. Denn ich wusste nicht, was eine retrograde Amnesie in Reinform war. Was es bedeutete, wenn ein Hippocampus beschädigt war, der Teil des Gehirns, der die Langzeiterinnerungen speichert.

Ich hatte nur verstanden, dass ich 14 gewesen war, Hiraeth hieß und das nur durch die Erzählungen des Arztes wusste. So sehr ich mich bemühte, ich konnte mich an rein gar nichts aus meinem früheren Leben erinnern.

Es gab keine Familienmitglieder, weil sie entweder verstorben oder am anderen Ende der Welt waren und mich nicht aufnehmen konnten oder wollten.

Wahrscheinlich hatte ich mich noch nie in meinem Leben so einsam gefühlt.

Ich hatte niemanden. Nicht einmal mich selbst.

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