(38) the hardest part of losing someone

I think the hardest part of losing someone isn't having to say goodbye, but rather learning
to live without them.
Always trying to fill the void, the emptiness that's left inside your heart when they go.
- sd.
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- Lanohiah, jetzt -

Zwei Wächter begleiteten mich, als ich den dunklen Gang des Gefängnisses entlangging.

Es war so schmal, so dunkel, so bedrückend. Schon nach wenigen Minuten sehnte ich mich nach frischer Luft. Mir wurde übel.

Unsere Schritte hallten durch den ganzen Gefängniskomplex. Ansonsten war kein Laut zu hören.

Wir gingen an Gefängniszellen vorbei und ich hielt mich davon ab, nach rechts und links zu sehen. Mit einem Schlag wurde mir noch übler.

Ich sollte hier sitzen, nicht Hira.

Als ich sie endlich wieder sah musste ich mich bemühen, meine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Einerseits machte es mich fertig, sie hier in dieser Zelle sitzend zu sehen. Andererseits durchfuhr mich Erleichterung.

Sie sah müde aus, blass, aber ansonsten schien sie körperlich in Ordnung zu sein. Aber die ganzen sechs Tage hatte ich ihre Bedrückung gefühlt. Sie hasste die hohen Wände, die Gitterstäbe, das Gefühl von entrissener Freiheit.

Hira hatte sich nicht einmal in den Schutz von Büchern begeben können. Es machte wohl keinen Sinn jemanden unsere Bücher lesen zu lassen, wenn er jedes einzelne Wort sowieso wieder vergessen würde.

Als sie mich sah, lächelte sie. Nicht schwach oder mitleiderweckend, sondern welterhellend. Ihr Lächeln erhellte meine Welt.

Die beiden Wächter schlossen das mit Magie unzubrechende Schloss auf und positionierten sich am Eingang, als ich in die Zelle trat.

Mein Verstand wollte nicht daran glauben, was passieren würde. Aber mein Körper bewies es mir. Ich fühlte mich schwer, mein Magel rebellierte, in meiner Kehle bildete sich ein riesiger Kloß, sodass mir das Schlucken wehtat.

Ich konnte nicht sprechen. Ich konnte einfach nicht.

Hira sah mich an, stand auf und gab mir mit einem einzigen Blick zu verstehen, dass es in Ordnung war.

Es war nicht in Ordnung. Es war alles andere als in Ordnung.

Ich trat näher an sie heran, sog alles ein, was ich an ihr aufnehmen konnte. Ihr Aussehen, ihren Blick, ihren Geruch.

Und dann sah ich ihr ein letztes Mal in die Augen.

Legte meine Hände an ihre Schläfen, sanft, behutsam. Sprach den Zauber.

Und dann schlief sie in meinen Armen ein.

   *

Wie es nicht anders sein konnte, regnete es. Es regnete wie bei unserer Begegnung und ich konnte nicht anders, als den Regen nun als eine sarkastische Nachricht des Schicksals bezüglich unserer letzten Begegnung zu betrachten.

Ich legte Hira auf ihrem Bett ab und kniete mich auf den Boden vor ihren schlafenden Körper nieder.

Das fühlte sich alles so falsch an. Obwohl das ja eigentlich das war, was ich von Anfang an gewollt hatte. Hira in Sicherheit bringen, damit sie normal weiterleben konnte. Aber in den letzten Wochen hatte ich erfahren, dass es vielleicht das letzte war, war Hira wollte. Ich schickte sie in die Hölle zurück, aus der sie gerade entkommen war. 

Ich sah mich im Zimmer um. Das Fenster war repariert worden, die Unordnung war beseitigt. Ich starrte zu der Schublade ihres Nachttisches und wusste, dass sich dort Ratgeber zur Selbstfindung befanden, welche sie sich letztendlich doch ausgeliehen hatte. 

Der Grund, weshalb sie sich so fühlte war, dass sie all ihre Erinnerungen verloren hatte. An eine vielleicht glückliche Kindheit mit liebevollen Eltern. Sie wusste nicht mehr, wer sie war. 

Bei mir hatte sie sich gut gefühlt. Das hatte ich zu oft gespürt, um es leugnen zu können. Und jetzt nahm ich ihr auch diese Erinnerungen. 

Ich senkte den Kopf. Tränen brannten in meinen Augen. Ich wusste, dass ich keine Wahl hatte. Die Engel würden es wissen, wenn ich den Zauber jetzt nicht anwenden würde. Sie würden mich suchen und finden, wenn ich flüchten sollte. Und dann wollte ich nicht wissen, was sie Hira oder mir antun würden.

Die Tränen liefen mir nun meine Wangen hinab, tropften auf meine Oberschenkel. Ich verdeckte meine Augen mit meinen Händen. 

Fuck.

Sie hatte mich gefragt, was das schwerste war, was ich jemals getan hatte. Hira, das hier ist es. So schwer, dass mein Körper zu versteinern droht, meine Hände zittern. 

Ich hob den Kopf, legte meine tränennassen Hände an ihre Schläfen. In diesem Moment bereute ich es zutiefst, ihr nie von meinen Gefühlen erzählt zu haben. Davon, dass es mir bei ihr auch besser ging. Davon, dass ich ihr alles Glück dieser Welt wünschte. Nicht nur, weil sie mein Schützling war.

Mein Atem stockte, die Worte formten sich in meinem Kopf, aber es war so schwer, sie tatsächlich auszusprechen. 

Hira, es tut mir leid.

"Obliviscaris omnia."

*

Acht lange Stunden waren vergangen, in denen ich nur wenige Minuten meine Augen zumachen konnte. Die Sonne ging gerade auf. Hira würde wohl bald aufwachen. 

Es klopfte an meiner Tür. An der ruppigen Art konnte ich bereits erahnen, wer das sein musste. "Herein."

Mein bester Freund trat ein, kam auf mich zu und zog mich in eine Umarmung. "Du hast dich erwischen lassen, du Idiot." Wie er wohl nicht anders konnte, begrüßte er mich mit einer offensichtlichen und witzig gemeinten Bemerkung.

"Ja, Kev, danke für die Erinnerung", meinte ich, das Gesicht verziehend, ein falsches Grinsen aufsetzend. 

"Oh man", meinte dieser und setzte sich auf mein Bett. Es kam vor vor, als hätte ich ihn ewig nicht mehr gesehen. Überhaupt alles kam mir momentan so unwirklich vor. "Wie geht's denn jetzt weiter?", riss Kev mich aus meinen Gedanken. 

Wir befanden uns im Gebäude für Jugendliche und Erwachsene, die Sozialstunden leisten mussten. Einer 'Wiedereingliederungsstätte' sozusagen. Erst Morgen würde ich anfangen, diese Stunden abzuarbeiten, weil ich heute nochmal einen Gerichtstermin hatte.

"In ein paar Stunden ist mein Termin beim örtlichen Gericht. Da wird entschieden, welche Aufgabe ich die nächsten zwei Jahre übernehmen muss", erklärte ich seufzend, mich neben ihn aufs Bett setzend.

"Dann schlaf bis dahin noch was. Du siehst furchtbar aus. Kaliel wollte dich auch noch sehen, aber so kann ich sie ja unmöglich zu dir lassen", erklärte er ernst. 

Leichter gesagt als getan. Ist ja nicht so, als hätte ich die letzten paar Stunden zu schlafen versucht. "Wollen wir raus?", schlug ich stattdessen vor.

"Klar", sagte Kev sofort und stand auf. Wir verließen das Gebäude und stießen uns in die Luft hinaus.

"Sehr seltsam, dass die Angriffe plötzlich aufgehört haben", bemerkte Kev plötzlich. "Während deiner Flucht gab es bei uns auch immer mal wieder Probleme. Was wollten diese Wesen nur?"

"Wahrscheinlich das, was sie jetzt auch bekommen haben", vermutete ich. In den letzten Tagen war ich zu der Erkenntnis gekommen, dass diese Vorfälle wohl doch nichts mit Hira zutun haben könnten. Wahrscheinlicher war es, dass sie hinter Rochel her gewesen waren. Immerhin war diese seit dem letzten Angriff verschwunden. Auch wenn sich diese Erklärung für mich irgendwie doch nicht so logisch anfühlte.

Schweigend flogen Kev und ich ein wenig umher. Ich fühlte mich furchtbar leer, seit mir der blaue Zauber entfernt wurde. Als fehle ein Teil von mir. Die letzte Verbindung, die ich noch zu Hira gehabt hatte. Nun fühlte ich nur das, was ich fühlte, mit erschreckender Klarheit. Meine Trauer und das gleichzeitige Gefühl von endloser Leere kam mir so noch viel überwältigender vor.

"Es wird anders sein, ohne dich", murmelte Kev plötzlich bedauernd.

Ja. Es wird alles anders sein. 

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