(37) choice between right and easy
We all must face the choice
between what is right
and what is easy.
- Albus Dumbledore
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- Hiraeth, jetzt -
Lanos Kehle verließ ein Knurren, wie ich es noch nie gehört hatte. Noch nie hatte ich ihn wütender oder aggressiver gesehen. Seine zu Fäusten geballten Hände brannten, und wahrscheinlich merkte er es nicht einmal.
Der Griff des Engels, der mich als Schutzschild vor Lano benutzte, wurde noch immer nicht lockerer. Es schmerzte nicht. Aber selbst wenn es das getan hätte, dann war ich zu überschüttet von Adrenalin, um es zu bemerken.
"Ich werde nicht direkt dein Genick brechen, sondern beginne genüsslich mit jedem anderem Knochen deines Körpers, darauf kannst du dich verlassen", sprach Lano so zornig und bedrohlich, dass ich mir wohl in die Hose gemacht hatte, wäre seine Bedrohung an mich gerichtet.
"Ich würde ihr niemals wehtun", entgegnete der Engel hinter mir, ebenfalls mit aggressiver Stimmlage. Ich spürte sein Herz an meinem Rücken, es schlug kräftig, aber regelmäßig. Noch immer hatte ich keinen Blick in sein Gesicht werfen können.
Was?
Auch Lanos Gesicht nahm einen vewirrten Ausdruck an. Ich realisierte, dass wir uns über dem Gebäude befanden und als ich nach unten sah erkannte ich, dass es gerade von magischen Wesen überstürmt wurde. Flugwesen, aber auch laufende Kreaturen stürmten durch die Ausgänge herein und heraus.
Was hatte das alles zu bedeuten? War das nur wegen mir?
"Was zur verfickten Hölle ist hier los?", entfuhr es mir wütend. Dieser Typ sollte mich loslassen oder mir wenigstens erklären, was das hier sollte!
Mir wurde keine Antwort geschenkt. Der Engel hinter mir blieb still. Vielleicht wusste er nicht, was er sagen sollte, vielleicht wusste er nicht, was er tun sollte.
Dann gab es eine Explosion im Gebäude unter uns. Ich hörte Schreie von Engeln, aber auch von anderen magischen Wesen.
Mir wurde schwindelig. Ich fürchtete einen Nervenzusammenbruch, mein Gehirn war total überfordert. Gleichzeitig überlegte ich fieberhaft, welchen Ausweg es nur aus dieser Situation geben könnte.
"Fuck", fluchte der Engel dann, obwohl ich keinen Grund dafür sehen konnte. Er drehte mich in einer schnellen Bewegung zu sich um. Unsere Gesichter waren sich so nah. Ich starrte in seine dunkelblauen Augen, er starrte in meine. Aus den Augenwinkeln sah ich seine schwarzen Flügel, schnell und heftig in der Luft schlagend.
Gleichzeitig schlangen Lanos Arme von hinten um mich, gleichzeitig löste sich der fremde Engel vor mir in Luft auf, zu viel passierte momentan gleichzeitig. Lano hielt mich, trotzdem überkam mich heftiger Schwindel und Übelkeit.
"Hey!", rief eine Stimme, irgendwo unterhalb von uns.
Ich wagte einen Blick nach unten.
Es waren drei Engel mit weißen Flügeln. Sie flogen auf uns zu.
Ich drehte mich zu Lano um. Mein Herz rutschte mir in die Hose, Schreck breitete sich in meinem gesamten Körper aus. Mit verzweifeltem Gesichtsausdruck sah ich Lano an, aber sein Gesicht verriet mir keine Emotion.
Es war vorbei.
Es war alles vorbei.
***
- Lanohiah, jetzt -
"Lanohiah, Sie können jetzt Ihre Aussage machen."
Mein Anwalt sah mich ernst, aber auch ein wenig aufmunternd an. Ich atmete einmal, zweimal tief durch, die Augen geschlossen, die schwitzenden Hände am Stoff meiner Hose abwischend.
Dann stand ich auf, ging ein paar ruhige Schritte, hob in die Lüfte ab, flog los und setzte mich auf den Stuhl, der sich auf einer in der Luft befindenden, nur auf einer Säule befestigten Plattform befand. Der Boden aus weißem Marmor würde mein Gesicht spiegeln, wenn ich nur nach unten sehen würde.
"Sind Sie bereit für Ihre Aussage?", fragte Camael, Engel der Mächte.
"Ja, Richter Camael", bestätigte ich, direkt in seine grauen Augen sehend.
"Gut, berichten Sie bitte den ganzen Vorfall wahrheitsgemäß, von Anfang an."
"Ich habe meine Ausbildung als Schutzengel absolviert, Euer Ehren. Schon bald bekam ich wie jeder andere Absolvent von Rochel einen Schutzengel zugeteilt. Zu Anfang war alles normal, ich habe den Fall angetreten wie jeder andere auch. Nach einigen Wochen häuften sich Angriffe von magischen Wesen, die sich stark verändert zu haben schienen."
"Weiter", drängte der Richter. Engel sprachen niemals gerne darüber, wenn sie die Kontrolle zwischen den Welten verloren hatten. Wenn es etwas gab was Engel hatten, dann war es Stolz. Besonders die obersten Gerichtsdiener, die direkten Hüter und Schützer des Systems.
"Irgendwann ließen sich die Parallelen zwischen den Angriffen und meinem Schützling nicht mehr leugnen. Ich habe keine andere Wahl gesehen, mich ihr zu zeigen. Es war die einzige Möglichkeit, sie zu schützen", sprach ich weiter.
"Genauer bitte", forderte Camael knapp.
"Ich machte mich eines Tages auf den Weg zu ihr, weil der blaue Zauber in mir die Bedrohung für meinen Schützling wahrnahm."
"Warum haben Sie keinem der Akademieleiter Bescheid gesagt?", wollte einer der vier anderen Engel an seiner Seite wissen.
"Weil ich nur die Bedrohung an meinem Schützling wahrgenommen hatte. Ich bezweifelte, dass mir jemand Glauben schenken würde oder mir helfen könnte. Es war mein Fall, also wollte ich ihn auch alleine bearbeiten", antwortete ich. Es tat ein wenig weh, so von Hira zu sprechen. Aber sie nur als einen Fall für mich darzustellen war meine einzige Möglichkeit, hier vielleicht noch rauszukommen.
"Was passierte dann?"
"Ich musste den Unsichtbarkeitszauber von mir nehmen und mich ihr zeigen, damit wir gemeinsam fliehen konnten. Die magischen Wesen brachen zu dieser Zeit schon in ihr Zimmer ein, um sie zu verletzen, also flohen wir aus der Stadt und versteckten uns in einer Holzhütte im Wald."
"Und dort vollführten Sie einen Zauber an Ihrem Schützling, damit sie magische Wesen sehen konnte, auch wenn sie den Unsichtbarkeitszauber aktiviert hatten."
"Das ist korrekt. Nur so konnte sie sich auch selbst verteidigen", bestätigte ich.
"Dann flogen sie zu Rochel in das nahegelegene Gerichtsgebäude, welches vor fünf Tagen angegriffen wurde."
"Das stimmt. Wir suchten Unterschlupf bei ihr. Ich hatte nicht vor, die Vorkommnisse mit Hira geheim zu halten. Aber ich konnte sie auch nicht öffentlich machen, weil ich befürchtete, dass mir mein Job als Schutzengel für sie entzogen werden könnte und sie keinen Schutz mehr vor den magischen Wesen hatte. Rochel und ich überlegten uns Möglichkeiten, um das Problem zu lösen und herauszufinden, was da alles überhaupt passierte."
"Rochel ist seit dem Vorfall unauffindbar, weshalb sie Ihre Aussage so leider nicht bestätigen kann", fuhr der Richter mir dazwischen.
"Das stimmt, aber-"
"Naja, jedenfalls", unterbrach der Richter mich mit einem Blick auf die Uhr. "Haben diese Angriffe seit fünf Tagen plötzlich aufgehört. Ist das nicht ein wenig seltsam?"
"Allerdings", stimmte ich zu. "Das kann ich mir auch nicht erklären."
"Unser System funktioniert einwandfrei. Niemand weiß, was es mit diesen Angriffen auf sich hatte. Aber primitive magische Wesen sind nicht so einfach zu kontrollieren, sie sind nicht intelligent genug für unsere Gesetze. Manchmal passiert so etwas. Es ist wichtig, nun noch stärker in das System zu vertrauen und diesen Fall hier nicht so sehr an die Öffentlichkeit zu bringen, das würde nur Beunruhigung verursachen", erklärte Camael dann.
Ich erwiderte nichts. War das jetzt sein Ernst?
"Ihre Ergebnisse an der Akademie zum Schutz Ihres Schützlings hat einhundert Punkte ergeben, ich gehe davon aus, dass Ihr Schutzinstinkt sehr ausgeprägt ist", mischte sich einer der anderen Engel vor mir dann ein.
"Das stimmt", bestätigte ich zögerlich.
"Dann gehe ich davon aus, dass Sie die Gefahren wahrscheinlich etwas überinterpretiert haben und wirklich nur Ihren Schützling beschützen wollten. Dafür haben Sie allerdings einige unserer Gesetzte verletzt, Lanohiah", fuhr er fort.
Da ergriff ich meine Chance. "Ich habe meine Pflichten als Schutzengel vielleicht etwas zu hoch gestellt. Es war nie meine Absicht, unsere Gesetzte zu verletzen. Ich lebe für unser System. Ich wollte auch dieses durch meine Aktionen schützen, indem ich herauszufinden versuchte, was genau es denn bedrohte. Aber nun ist die Kontrolle über die magischen Wesen und die Grenzen zwischen der magischen und menschlichen Welt ja wieder hergestellt."
Schweigend sah der Richter mich an. Dann blickte er nochmal auf die Uhr.
"Also gut, ich benötige keine weiteren Informationen."
Verwundert blickte ich zu meinem Anwalt, welcher ebenso ratlos nach vorne sah. Ich hatte meine Aussage doch gar nicht vollständig beendet.
Nach wenigen Minuten Besprechung kamen die Engel zurück, sie schienen ein bisschen unter Zeitdruck zu stehen.
"Okay, ich bitte alle Anwesenden, sich zu erheben."
Abwartend blickte ich den Richter an. Ich konnte nichts mehr tun.
"Das Urteil ist gefällt. Lanohiah hat gegen unsere Gesetzte verstoßen, indem er sich einem Menschen gezeigt, Zauber an ihm angewendet hat und ihn in magische, von Engeln besetzte Gebiete mitgenommen hat. Dies geschah allerdings mit der Intention, seinen Schützling und vorallem unser aller heiliges System zu beschützen. Somit steht die gemilderte Strafe fest."
Atemlos wartete ich ab.
"Lanohiah wird dreihundert Stunden Arbeit zur Unterstützung des Systems und der Ordnung der Gesellschaft antreten müssen. Er wird zwei Jahre vom Dienste des Schutzengels suspendiert. Ihm wird der blaue Zauber entfernt und sein Schützling seiner Dienste abgewiesen. Zuletzt muss er mit einem Gedächtniszauber sicherstellen, dass sein Schützling jede einzelne Erinnerung an unsere magische Welt verliert."
Ein Blitz schlug vor mir ein, das Zeichen, dass die Urteilsverkündung abgeschlossen und rechtskräftig war.
Und ich wünschte mir für einen Moment, der Blitz wäre in mich eingeschlagen.
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