(36) dangerous to love up close

And you will meet people
who are safer loved from a distance
and dangerous to love up close.
Like the flames you loved as a child.
Like the fire that taught you pain.
- Nikita Gill
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- Lanohiah, jetzt -

Ich saß auf dem Bett in meinem Zimmer und zog jeden einzelnen Holzsplitter aus meiner Haut.

Aber es schmerzte kaum. Was mich schmerzte war meine Dummheit. Ich hatte Hira schonmal geküsst und es wieder ausbaden können. Es war die perfekte Ausrede gewesen. Aber wenn man einen Fehler zum zweiten Mal machte, dann war es kein Fehler mehr. Ich hatte es gewollt. Hira wusste das jetzt. Und ich konnte es nicht mehr vor mir selbst leugnen.

Wütend schloss ich die Augen und atmete tief durch. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. Mich von Hira fernhalten? Eine heimliche Beziehung führen?

Wenn das rauskäme, dann wäre mein Leben wirklich vorbei. Ich wäre der psychopatische Perverse, der auf Menschen stand. Dabei stand ich doch nichtmal auf Menschen. Ich stand aus irgendeinem Grund einfach nur auf Hira.

Flashbacks holten mich ein, vor dem Augenblick, der vor wenigen Minuten geschehen war.

Es hatte sich so gut angefühlt, Hira zu küssen. Es war wie das Gefühl, nach einer langen Reise endlich nach Hause zu kommen. Fuck, wie konnte sich etwas verbotenes so gut anfühlen?

Ich hatte Hiras Lust gespürt als wir uns geküsst hatten, Lust auf mich, und das hatte das Fass leider zum überlaufen gebracht.

Meine Selbstkontrolle ließ ja eh schon zu wünschen übrig. Meine eigene Lust, meine eigenen Gefühlen waren schon zu viel für mich und dann noch ihre Zuneigung zu spüren...

Verzweifelt ballte ich meine Hände zu Fäusten, beendete den Vorgang aber wegen den Schmerzen in meiner Hand, mit der ich die Tür kaputt gemacht hatte.

Ich stand auf und lief im Raum umher, blieb stehen und starrte zu meiner Zimmertür.

An meinen Gefühlen für sie ließ sich nichts ändern. Leugnen konnte ich es auch nicht mehr. Aber die Art und Weise, wie ich mich verhielt, musste sich ändern.

Bei manchen Menschen war es besser, sie aus einer bestimmten Entfernung zu lieben.

Bevor man sich fürchterlich an ihnen verbrannte.

*

Ich wurde von einem Klopfen wach.

Obwohl es ziemlich leise und zögerlich war, schreckte ich sofort aus dem Schlaf auf. Ich spürte, dass es Hira war. Im nächsten Moment war ich schon da und öffnete die Tür, damit mein Schützling schnell eintreten konnte, ohne entdeckt zu werden. 

Ich schloss die Tür, vermied Blickkontakt zu Hira und blickte aus dem Fenster. Die Sonne war wohl schon seit längerem aufgegangen.

"Guten Morgen", meinte sie. Verwirrt blickte ich sie an. Ihr Gesicht war ausdruckslos, ihre Stimme tonlos, vielleicht sogar ein bisschen kühl. Sie sah aus, als hätte sie die meiste Zeit der Nacht nicht geschlafen. Mir war es genauso ergangen.

"Wir müssen reden", fuhr sie fort. Ihr Verhalten bescherte mir einen kleinen Schauder über den Rücken. War sie sauer auf mich?

Ich trat etwas zurück, nahm mir ein T-Shirt und zog es über, während Hira ihren Blick nicht von mir nahm. Sie machte mich zu nervös, um jetzt einen Witz zu machen oder irgendwas Selbstbewusstes, Stimmungsauflockerndes zu sagen. 

"Wieso hast du mich angelogen?"

Ich seufzte. Mit der Frage hatte ich schon gerechnet.

Ich drehte mich zu meinem Schützling um, blickte ihr zum ersten Mal an diesem Tage direkt in die Augen. "Was hätte ich denn sonst machen sollen? Zugeben, dass ich einen Menschen küssen wollte? Du verstehst das nicht, Hira", sagte ich und hatte Mühe, meine Stimme unter Kontrolle zu behalten.

"Wenn das jemals jemand erfährt, dann will ich nicht mehr in meiner Haut stecken. Ich kann meinen Job als Schutzengel komplett vergessen. Das ist Vergreifung an Schutzbefohlenen. Ich kann es vergessen, jemals wieder ein Teil meiner Gesellschaft zu sein. Das ist gegen meine Gesetzte, mein ganzes System. Diese Nähe zwischen verschiedenen Spezies alleine schon, das geht einfach nicht." Ich merkte, wie meine Stimme gegen Ende doch brach, verzweifelter und leiser wurde.

"Und du dachtest, dass es unsere Beziehung weniger kompliziert machen würde, wenn unser erster Kuss nur ein Ausrutscher ohne Bedeutung war", schloss Hira aus meinen Erläuterungen.

Ich nickte, dann wand ich den Blick ab. "Und dann ist es wieder passiert."

Ach, fuck. Das alles sollte eigentlich gerade garnicht stattfinden. Erstens sollte ich keine Gefühle für meinen Schützling haben, zweitens sollte ich mich alleine darum kümmern, sie in Sicherheit zu bringen. Ich hatte noch immer nichts über ihre Bedrohung herausgefunden und das fraß mich von innen auf.

Hira sah mich mit großen Augen an. Ich konnte sehen, dass sie nach passenden Worten suchte. Aber auch ich konnte keine dafür finden.

"Wir müssen uns darum kümmern, dich langfristig in Sicherheit zu bringen. Du kannst nicht ewig hier bleiben. Irgendwann musst du in dein normales Leben zurück. Und ich in meins", sagte ich, ein bisschen schroffer und härter als beabsichtigt.

"Verstehe", sagte Hira, mit derselben kalten Stimme, mit der sie mich begrüßt hatte. Mir war bewusst, dass sie alles andere wollte, als in ihr normales Leben zurück. 

"Es tut mir leid." Ich ging auf Hira zu und nahm sie in den Arm. Sie drückte sich an mich, ich vergrub meinen Kopf in ihren Haaren und versuchte mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass dies unsere letzte Berührung dieser Art war. Ich spürte, dass auch Hira diese Geste als eine Art Abschied empfand. 

Ich genoss ihre Nähe und kostete jede weitere Sekunde aus, bis sich Hira schließlich von mir löste. Dann sah sie mich an. Nicht traurig, nicht vorwurfsvoll, aber trotzdem brach der Ausdruck in ihren Augen mein Herz.

Sie drehte sich um, sah mich noch einmal an, öffnete die Tür und stockte.

Sofort war ich bei ihr und entdeckte, weshalb sie so augenblicklich Halt machte. Ihr Zimmer war verwüstet. Das Fenster eingeschlagen.

Blitzschnell schob ich sie hinter mich. Gerade noch rechtzeitig, denn einen winzigen Moment später sprang ein hüfthoher, mit dicker Hülle gepanzerter Skorpion auf mich zu. Ich wich dem giftigen Stachel aus und trat nach dem Vieh.

"Hira, meine Waffen, am Bett!", schrie ich. 

Während ich gegen den Skorpion trat, Knochen brechen hörte, kamen noch weitere magische Wesen auf uns zu. Fuck, was war hier los?

In diesem Moment ging ein Alarm an, so laut, dass die anderen Wesen für einen Moment schmerzerfüllt in ihrer Bewegung stoppten. 

"Ich hab sie, Lano", rief Hira und drückte mir zwei Schwerter in die Hand. 

Ich beschützte den Eingang, auf den jetzt immer mehr Wesen zukamen. Die Schwerter in meinen Händen schnitten durch Haut und Fleisch und schon bald waren meine Klamotten nass von Blut. 

Und dann passierte es. So schnell, dass selbst ich einen Moment brauchte, um das Geschehene zu realisieren. Noch während die Klinge meine Feinde zerschnitt, krachte etwas durchs Fenster.

Ich hörte Hiras Aufschrei, sah einen dunklen Schatten, der auf meinen Schützling zuflog. Mit tiefem Schock, der durch meinen ganzen Körper fuhr sah ich nach hinten, rannte nach hinten, doch der Schatten hatte sich Hira schon geschnappt und verschwand in wahnsinniger Geschwindigkeit mit ihr durch das Fenster.

Nein.

Ich teleportierte mich zu Hira und spürte sogleich, wie eine Klinge mir über die Brust fuhr.

Wir befanden uns in freier Luft und ein Engel sah mich an, rammte die Klinge in meine Richtung, der ich gerade so noch ausweichen konnte.

Für genauere Beobachtungen oder Gedanken war keine Zeit. Ich konnte den Engel mit den pechschwarzen Flügeln nicht angreifen. Hira befand sich wild zappelnd und kreischend in seinen Armen, die Gefahr sie zu verletzen war zu groß.

Ich sah dem Engel in die dunkelblauen Augen und wir wussten beide, dass diese Situation mit Gewalt keinen Ausweg hatte.

Ich konnte ihn nicht angreifen, aber er konnte sie auch nicht entführen, weil ich mich immer zu ihr zurück teleportieren konnte.

"Okay, Ruhe", sagte der Engel dann mit kalter Stimme. Sein Griff um Hiras Arme wurde fester. 

Das zu sehen brachte mich zur reinsten Weißglut. "Tust du ihr weh, dann erfährst du genau, was schlimmer ist als der Tod."

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