(33) the language of the universe

Magic tumbled from her pretty lips and when she spoke the language
of the universe
the starts sighted in unison.
- Michael Faudet
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- Lanohiah, jetzt -

"Hab was!", rief Hira triumphierend und hielt ein dünnes, glänzendes Heftchen in die Höhe.

Ich setzte mich neben sie aufs Bett und sie hielt das Heft näher zu mir, damit ich hineinsehen konnte. Irgendwie faszinierte es mich, wie ihre Finger vorsichtig Seite für Seite umblätterten und sie leise die Namen einiger Gerichte murmelte.

"...Lano?"

"Wie bitte?", blinzelte ich verwirrt.

"Was du essen möchtest", wiederholte sie, die Stirn ein wenig runzelnd.

Schnell blickte ich auf die Wörter. Es waren alles nur feinste Speisen, wie so oft bei den Engeln. Fastfood gab es bei uns nur selten.

Ich wählte einfach irgendwas aus, woraufhin Hira einen Moment lang weiter die Speisekarte betrachtete und sich dann auch für etwas entschied.

Daraufhin nahm ich das Telefon auf dem Nachttisch, wählte die Nummer aus dem Heft und gab unsere Bestellung auf.

Als ich auflegte bemerkte ich, wie Hira mich etwas seltsam ansah. "Was ist?", fragte ich nach. "Hast du überhaupt Geld dabei?", wunderte sie sich.

Lächelnd setzte ich mich wieder zu ihr aufs Bett. Sie kreuzte die Beine zu einem Schneidersitz und richtete sich zu mir, als würde ich jetzt eine lange, spannende Geschichte erzählen. 

"Wir Engel haben nicht so etwas wie Geld. Es ist so, dass wir sozusagen mit Gegenleistungen handeln. Ich zum Beispiel war auf der Akademie und habe meine Schutzengelausbildung gemacht. Dann habe ich für die Akademie gearbeitet, indem ich meinem Job mit dir als Schützling nachgegangen bin, aber auch durch verschiedene Missionen zum System beigetragen habe. Dafür bekommt man alle Lebensgrundlagen, die man beraucht."

"Und die älteren Engel?", fragte Hira nach.

"Die übernehmen andere Berufe. Diese haben auch meist mit ihren Fähigkeiten zutun. Engel, die gut mit Pflanzen und der Natur umgehen können, die sind zum Beispiel dafür zuständig, sich um unsere Lebensmittel zu kümmern. Andere arbeiten als Lehrer, im Gericht, der Gesellschaftsordnung, der Produktion von Gütern...", zählte ich nachdenklich auf.

"Ältere Engel sind also keine Schutzengel mehr?"

"Unsere Bestimmung ist es, die Ordnung dieser Welt zu wahren. Außerdem ist es unsere Bestimmung, uns um bestimmte, besondere Menschen zu kümmern. Somit ist es die Ausbildung von vielen Jugendlichen, einen Schützling und damit auch die erste Verantwortung für unser System zu nehmen."

"Hmm", machte Hira nachdenklich. Sie grübelte über irgendwas, sprach es aber nicht aus. Ich spürte in mir, wie sehr sie das Ganze interessierte und irgendwie schmeichelte mir das.

"Was machen deine Eltern?", fragte sie schließlich, irgendwie unerwartet persönlich.

"Mein Vater ist beim Gericht tätig, meine Mutter kümmert sich darum, dass alle produzierten Güter gerecht verteilt werden", erklärte ich, ein bisschen zögerlich.

"Wie oft siehst du sie?"

"Etwa.. Ein Mal im Jahr, ungefähr. Das letzte Mal, als sie mir zur Schutzengelausbildung gratuliert haben."

"Ein Mal im Jahr", wiederholte Hira murmelnd in etwas ungläubigem Ton. "Und das funktioniert alles? Alle machen da mit? Sind zufrieden mit dem, was sie haben? Ich meine, wir Menschen haben sogar eine Währung und selbst damit klappt es oft nicht so, wie es eigentlich sollte."

"Naja, eigentlich funktioniert es schon. Aber es gibt ja natürlich immer Ausnahmen. Vor ein paar Jahren zum Beispiel. Eine Gruppe von Engeln, die sich plötzlich gegen das System gestellt haben", zuckte ich mit den Schultern.

"Aha?", machte Hira. Ich konnte in ihren etwas weiter als gewöhnlich geöffneten Augen ihre Neugier erkennen. 

"Viel weiß ich nicht darüber. Sie waren nicht mit dem System und unseren Ansichten einverstanden. Es war eine Gruppe von etwa fünfzig Engeln oder so, die sich noch immer im Gefängnis befinden."

"Hmm.. Ehrlich gesagt kann ich es ein kleines bisschen nachvollziehen."

"Ach ja?", machte ich, die Augenbrauen zusammenziehend.

"Naja, weißt du woran mich das alles erinnert? An den Nationalsozialismus, irgendwie. So wie ich das verstehe, müsst ihr alle zum Wohl der Gemeinschaft arbeiten. Andere Berufe gibt es nicht. Die meisten müssen die Ausbildung zum Schutzengel machen. Ist das nicht ähnlich der antiindividualistischen Erziehung? Integration statt Individuation? Außerdem werdet ihr früh aus der Familie gerissen, nur um eurem System zu dienen. Welches wo nochmal für zuständig ist?"

"Die eingschränkte Ordnung der Welt würde ich mal sagen. Wir trennen die magische Welt von der Menschenwelt, zur Sicherheit jedes einzelnen", antwortete ich, ein bisschen unfreundlich. Hiras Vergleich missfiel mir wirklich sehr.

"Aber sind die magischen Wesen wirklich so gefährlich? Bis auf die, die aus irgendeinem Grund auf der Suche nach mir sind? Ich meine, was ist mit Florence, die morgen früh vor dem ersten Sonnenlicht wieder zu der Hütte kehrt und auf ihren verschwundenen besten Freund wartet? Habt ihr das Recht, diese Verbindung zu verbieten?"

In Hiras Augen sammelte sich das letzte Sonnenlicht, welches durch das Fenster in den Raum hinein fiel. Ich sah sie an, mit der Befürchtung, was sie als nächstes sagen würde.

"Was ist mit uns? Ich dürfte eigentlich nichtmal von dir wissen. Von meinem eigenen Schutzengel. Dem einzigen Wesen, dem seit meiner Erinnerung möglicherweise je wirklich was an mir gelegen hat." 

Mein Herzschlag beschleunigte sich und mein Mund fühlte sich mit einem Mal ganz trocken an. 

"Ich verstehe, dass sich Engel nicht mit Menschen paaren sollten, weil sie verschiedene Spezies sind. Auch wenn sich im anatomischen Körperbau nur die Flügel von den Menschen unterscheiden, wenn man mal von euren Fähigkeiten absieht. Aber ich empfinde euer System trotzdem irgendwie als ein wenig diskriminierend."

"Ich will mir trotzdem lieber nicht vorstellen, wie die Welt ohne es aussähe", erwiderte ich bloß, ein wenig durcheinander von ihren ganzen Argumenten.

Sie sah mir in die Augen, öffnete ihren Mund ein kleines Stück, doch ihre zartroten Lippen blieben wort- und bewegungslos.

Dann klingelte das Telefon.

"Lanohiah, Ihre Mahlzeiten sind nun zur Transportation per Telekinese bereit. In etwa einer Minute sollten sie vor der genannten Zimmertür stehen", berichtete mir der Engel am anderen Ende der Leitung.

Ich bedankte mich und legte schließlich wieder auf.

"Das ging ja schnell", wunderte sich Hira. Dennoch konnte ich die Vorfreude in ihrem Gesicht sehen. Dieses hellte sich noch um einiges mehr auf, als ich wenig später die Tür öffnete und einen kleinen Wagen in das Zimmer zog. 

Ich nahm die Glocken von den Tellern und wir setzten uns mit den Gerichten an den Tisch. Hira schwärmte, weil die Suppe so geschmacksintensiv und cremig war, die Soße und das Gemüse und die anderen aufwendig angerichteten Beilagen so gut harmonierten und die Nachspeise einem wortwörtlich auf der Zunge verging.

Als wir uns später zufrieden mit vollen Bäuchen zurücklehnten, hatte es bereits zu dämmern begonnen. "Oh Gott", murmelte Hira, eine Hand auf ihren Bauch gelegt. Dann grinste sie aber leicht und es freute mich, dass sie es tat.

Noch mehr würde es mich freuen, wenn sie wieder so ehrlich und wunderbar lächeln würde. Aber man kann ja nicht alles verlangen. 

Hira stand auf, legte sich auf das Bett neben dem Fenster und sah hinaus. "Lano, sieh dir das an."

Ich legte mich neben sie und blickte aus dem Fenster, die Berge, die Wolken und den Himmel beobachtend. Bald erschienen die wunderschönen roten und orangenen Töne des Sonnenuntergangs. Der letzte Teil der Sonne wurde fast von den Bergen verschluckt, um der bald eintretenden Dunkelheit Platz zu schaffen. 

Wir lagen schweigend dort, bis das Licht verschwand und der Himmel sich verdunkelte. Der Himmel war inzwischen wolkenlos. Irgendwann blitzten die funkelnden Sterne zwischen den dunklen Weiten hervor. 

Auch in unserem Zimmer gab es kaum Licht. Ich hörte Hira neben mir atmen, regelmäßig, ruhig und tief. Gerade als ich mich zu fragen begann, ob sie eingeschlafen war, regte sich in mir ein Gefühl, welches sie spürte, das ich aber irgendwie nicht einschätzen konnte.

"Weißt du, es ist seltsam. Eigentlich ist nirgendwo mein Zuhause. Eigentlich gehöre ich nirgendwo hin. Und jetzt liege ich hier und es ist, als sagten mir die Sterne, dass ich angekommen wäre. Das ich genau hier sein sollte. Das vielleicht nirgendwo mein Zuhause ist, aber das es eigentlich nicht so schlimm ist." Ihre Stimme war ruhig und klar.

Und dann erkannte ich, was sie fühlte.

Es war Geborgenheit.

Und als sie ihr Gesicht zu mir wandte, da konnte ich ihr Lächeln sehen. 

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