(32) a dire need of peace

There are two types of tired, I suppose
one is a dire need to sleep,
the other is a dire need of peace
- Hplyrikz.com

____________

- Lanohiah, jetzt -

Ich setzte Hira ab und ging vor, während sie mir dicht folgte. Über uns gab es kaum Fenster und noch weniger, die bereits beleuchtet waren. Schnell, aber leise gingen wir zum Hintereingang, einer schmalen, hölzernen Tür, die augenblicklich von innen geöffnet wurde.

Rochel stand dort und blickte mich an. Ich trat vor, ihr Blick fiel auf die junge Frau hinter mir. Dann weiteten sich die Augen des Engels für einen Moment. Eine Sekunde später kniff sie die Augen zusammen, die Stirn legte sich in Falten, die Augenbrauen zogen sich zusammen.

Natürlich war sie überrascht, weil ich uns nicht angekündigt hatte. Aber nach unserem Gespräch hätte sie sich das doch zumindest denken können.

Rochel bewegte sich kein Stück, auch wenn sie uns doch eigentlich hineinlassen sollte. Verwirrt drehte ich mich zu Hira um, welche ebenfalls verwirrt aussah und Rochel misstrauisch betrachtete. Ich spürte, dass sie sich unwohl fühlte.

Nach einer halben Ewigkeit trat Rochel zur Seite und ließ uns hinein. Wir sagten kein Wort, während sie uns durch die schmalen, unbeleuchteten Gänge führte. An einer Kreuzung sah sie sich um, gab uns dann ein Zeichen. Wir liefen weiter, bis wir am Flugareal ankamen.

Es war kein anderer Engel unterwegs, perfekt.

Rochel blieb stehen, in ihren Augen erkannte ich einen abwesenden Ausdruck. Ob sie irgendwie die nähere Umgebung scannen konnte? Auf warme Körper vielleicht? Jedenfalls schien alles in Ordnung zu sein. Sie ging vor und stieß sich elegant in die Lüfte ab.

Schon wieder nahm ich Hira in meine Arme und flog Rochel nach, die immer und immer weiter nach oben flog. Bald kamen wir wohl im höchsten Stockwerk an, jedenfalls hatten wir die marmorierte Decke mit passendem Kronleuchter erreicht.

Auch wenn wir ab hier wieder Boden unter den Füßen hatten, flogen wir der Zügigkeit halber lieber weiter die nun breiten, mit Teppich ausgelegten und teuer aussehenden Dekorationen verzierten Gängen entlang.

Irgendwann, nach einigen Abbiegungen, gelangten wir zum Ende des Ganges, in dem ich fünf Türen aus dunklem, weich aussehenden Holz zählte.

"Hier kommt normalerweise meine Familie unter. Ihr habt wirklich Glück, dass sie zurzeit nicht hier ist", sprach der silberhaarige Engel, landete auf dem Boden und faltete die Flügel hinter dem Rücken.

Ich ließ Hira wieder auf die Füße und spürte sogleich, wie müde und erschöpft ich war.

"Hier wird niemand hinkommen, vertraut mir. Die Zimmer sind mit einem Badezimmer, sowie etwas zum Essen und Trinken ausgestattet. Schlaft erst einmal etwas und ruht euch gut aus. Heute Mittag können wir alles weitere besprechen", erklärte sie uns.

"Danke", erwiderte ich erleichtert, woraufhin Rochel lächelte, sich wieder in die Luft erhob und davonflog.

Hira ging zur letzten Tür des Ganges, ich stellte mich an die Tür gegenüber von ihr. "Dann.. Bis später", meinte sie. Ich konnte nicht wirklich bestimmen, wie sie sich fühlte. Es war nichts positives, aber auch nichts negatives. Aber um mich jetzt anzustrengen war ich viel zu erschöpft.

Ich betrachtete Hira genauer. Sie sah auch ein wenig müde aus. Oder eher so, als würde sie endlich alleine sein wollen. Friedlich irgendwo liegen wollen, wie sie es so oft in ihrem Zimmer ihres Wohnortes getan hatte.

"Ja, bis später", entgegnete ich schlicht, öffnete die Zimmertür, schaltete das Licht ein und drehte mich nochmal um, aber nur um zu sehen wie die gegenüber liegende Tür langsam zuging und Hira im Zimmer verschwand.

Der Raum den ich betrat war relativ groß, versehen mit Fenstern mit Blick über das von Bergen umgebene Tal, mit einigen aus edlem Holz gemachten Möbelstücken und einem riesigen, unglaublich erholsam aussehenden Bett.

Das Duschen und Umziehen und Zähneputzen verschob ich auf später. Ich schaltete das Licht wieder aus, warf meine Sachen in die Ecke, ließ mich ins Bett fallen und spürte, wie mein Körper nun die vielen Stunden voller Wachsamkeit und anstrengendem Fliegen ohne vorherigen Schlaf wieder auszugleichen versuchte...

*

Schließlich wachte ich von alleine auf, irgendwann um die Mittagszeit. Das waren nur wenige Stunden Schlaf gewesen, aber die reichten mir.

Ich ging ins Bad und zog meine Flügel in meinen Körper zurück, damit sie nicht nass werden würden. Dann stieg ich in die Dusche und genoss das warme Wasser auf meiner Haut.

Nachdem ich mich fertig gemacht hatte, öffnete ich die Zimmertür und stand auf dem nun mit Licht durchfluteten Gang. Einen Moment lang starrte ich auf die gegenüberliegende Tür. Die Ruhe in mir fühlte sich an, als würde sie noch schlafen.

Somit machte ich mich auf den Weg zu Rochels Büro. Mir kamen ein paar andere Engel entgegen, aber ohne Hira war ich hier nichts ungewöhnliches. Als ich auf dem Boden absetzte klopfte ich an und betrat den Raum abermals.

"Da bist du ja schon, Lanohiah", begrüßte sie mich, nachdem für etwa zwei Minuten ihre Augen abwesend geleuchtet und ich geduldig gewartet hatte.

"Ja. Vielen Dank nochmal, dass wir hier unterkommen dürfen", sagte ich und setzte mich auf den Stuhl gegenüber von ihr.

"Ich muss erst einmal überlegen, wie es jetzt weitergeht. Es war richtig von dir, mit ihr hierher zu kommen. Auch ich spüre, dass dieses Mädchen in Gefahr ist. Sie muss wirklich von großer Bedeutung sein. Das Schicksal...", sie stoppte für einen Augenblick, nachdenkend, bis sie dann fortfuhr. "Das Schicksal ist gerade dabei, alle Fäden zu verknüpfen."

Verwirrt blickte ich Rochel an. Meinte sie, dass ich mit meiner Aufgabe immer weiter kam? Dass ich sie momentan erfolgreich vor Gefahren beschützt hatte? Eigentlich interessierte mich das nicht mehr. Mir ging es nurnoch darum, dass Hira langfristig in Sicherheit leben konnte. Auch wenn mich dafür vielleicht eine Strafe erwarten würde, wenn das alles an die Öffentlichkeit kommen würde. Meine Pflichten als Schutzengel hatte ich schon längst übertreten.

"Lanohiah. Du musst wissen, dass ich nicht mit dem Gericht zusammen arbeite. Eher ist es so, dass ich für mich arbeite. Für meine Normen, Vorstellungen und Werte. Vielleicht auch für die Gemeinschaft der Engel. Ich arbeite zur Unterstützung des Systems, aber es ist viel mehr als das." Rochel sah mich eindringlich an, aber ich wusste nicht, was sie mir damit genau sagen wollte. Offensichtlich wollte sie, dass ich zwischen den Zeilen las, aber ich konnte es gerade einfach nicht.

"Du hast deine Pflichten als Schutzengel soweit erledigt, Lanohiah. Eigentlich müssten wir ab jetzt das oberste Gericht benachrichtigen, aber zu deinem Schutze werde ich erst einmal sehen, was ich tun kann", bot sie an, was mich ungemein erleichterte. Rochel würde sicherlich eine Lösung einfallen.

"Vielen Dank nochmal", bedankte ich mich.

"Gern geschehen. Und jetzt bestellt euch was zu essen. Es wird mit Telekinese an die Tür gebracht", lächelte sie.

Ich wunderte mich, wieso eine der mächtigsten Engel des Landes überhaupt so viel Zeit und Verständnis für mich hatte.

Schließlich verließ ich den Raum und flog zurück zum höchsten Stockwerk. Dann hielt ich vor Hiras Zimmertür.

Ich hob die Faust um zu klopfen, stoppte kurz vorher aber. Dann zerrte ich mein Oberteil zurecht und fuhr mir durch die Haare. Moment, was machte ich da? So ein Schwachsinn.

Bevor ich noch weiteres peinliches Zeug anstellen konnte klopfte ich schnell an und ignorierte, dass mein Herz etwas schneller zu schlagen begann.

Möglichst still stand ich dort und hörte, wie das Geräusch von Schritten immer näher kam. Dann ging die Türe auf und Hira stand vor mir. Ihre Haare waren ganz verwuschelt. Sie sah so liebenswert aus.

"Gut, dass du kommst. Ich wäre beinahe aus dem Fenster gesprungen und hätte mich von irgendwelchen Waldfrüchten ernährt", witzelte sie schwach lächelnd.

"Du könntest vielleicht einen Engel gebrauchen, der dich auf deinem Weg da runter begleitet", erwiderte ich grinsend.

"Ach, die paar Stockwerke hätte ich schon alleine geschafft", winkte sie ab. Dann trat sie zur Seite, damit ich eintreten konnte.

Das Zimmer sah genauso aus wie meines. Bis auf die Tatsache, dass Hira das riesige Bett einige Meter zur Seite geschoben hatte, damit es genau am Fenster stand.

Ein bisschen schuldbewusst sah sie mich an. "Ist das in Ordnung? Oder ist das zu gefährlich? Ich meine, bei mir haben sie ja auch das Fenster eingeschlagen", druckste sie herum. "Aber ich kann mich nunmal besser entspannen, wenn ich im Bett liegend aus dem Fenster sehen kann."

"Keine Sorge. Hier bist du sicher", beruhigte ich sie. "Ich frage mich viel mehr, wie du dieses Monstrum von Bett ganz alleine dahin geschoben bekommen hast."

"Eine Frau kann nicht all ihre Geheimnisse verraten."

Ich betrachtete das Grinsen auf ihren sanft geschwungenen Lippen und wünschte mir in diesem Moment nichts sehnlicher, als sie zu küssen. Stattdessen lächelte ich zurück und fragte mich, wie lange ich das alles eigentlich noch aushalten würde können.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top