(3) what we don't say
You know, I don't think it's what we say that keeps us at nights.
I think it's what we don't say.
- late night thoughts
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- Lanohiah, jetzt -
Ich wurde durch alle Welten geschleudert.
So jedenfalls fühlte es sich an, als der blaue Zauber durch meine Brust in meinen Körper fuhr. Es war viel stärker, als ich vermutet hatte. Viel stärker als alle Zauber, die ich je kennengelernt hatte.
Alles um mich herum verschwand, es schleuderte alles wild umher, wie bei der schnellsten Achterbahnfahrt. Mein Körper wurde ohne mein Einwirken entmaterialisiert. Er löste sich auf, ohne zu verschwinden. Ich verlor die Kontrolle.
Irgendwann wusste ich nicht mehr, wie lange dieser betäubende Schwindel andauerte. Bis ich plötzlich hart auf einem Holzboden aufknallte. Benommen lag ich dort und versuchte, mich nicht zu übergeben.
Alles um mich herum wirbelte im Kreis, obwohl ich schon wieder sicher auf dem Boden lag. Eine Weile schloss ich die Augen, atmete ein und aus. Öffnete sie wieder. Wo war ich?
Langsam stand ich auf. Alles an meinem Körper schmerzte, fühlte sich steif und unwirklich an.
Ich stand in einem großen Raum. Kein Licht brannte. Aber es war auch nicht wirklich dunkel. Im schwachen Licht erkannte ich ein Sofa, einen Sofatisch und anderes Mobiliar.
Ich wandte mich zur einzigen Lichtquelle und entdeckte ein vor dem Fenster stehendes Mädchen.
Obwohl ich wusste, dass ich von ihr auf keinster Weise wahrgenommen werden konnte, wagte ich es mich zunächst kaum zu atmen.
Hinter der Glasscheibe sah ich unzählige funkelnde Stadtlichter unter dem dunklen Nachthimmel.
Zögernd ging ich einen Schritt nach vorne. Ich wollte ihn genauer betrachten, meinen Schützling. Warum hatte sich das Schicksal für sie entscheiden? Warum benötigte sie einen Schutzengel? Warum wurde ich für sie ausgewählt?
Einen Schritt später konnte ich den ruhigen, tiefen Atem des Menschens vor mir vernehmen. Ihr eigenes Atmen war das einzige Geräusch, das sie hören konnte. Meinen Atem, meine Anwesenheit, all das war ihr nicht bewusst.
Ich stand dort, sah sie an und wusste nicht, was ich tun sollte. Gerade als sie ihren Kopf zur Seite wandte, ganz langsam, so langsam, dass ihr Haar bei der Bewegung über ihren Rücken steifte, wurde ich zurückgezogen.
Schon wieder schleuderte ich durch den Raum, alles drehte sich um mich herum, bis ich wieder angekommen war.
Ich versuchte das Gleichgewicht zu halten, als ich wieder im kleinen, dunklen Raum mit Rochel war. Mein Blick begegnete ihren hellblauen Augen. Sie sah mich an, als dringe ihr Geist in meinen Kopf und meine Gedanken ein. Aus irgendeinem Grund wagte ich mich nicht, ein einziges Wort zu sagen.
Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, in der sie mich einfach nur ansah. Ich betrachtete sie und versuchte, ihren Blick zu lesen. Sie sah ernst aus, aber für einen kurzen Augenblick meinte ich, auch Verwirrung und Erstaunen zu sehen.
"In Ordnung, Lanohiah. Du kannst jetzt gehen", sagte sie plötzlich und ihr Blick war wieder genauso normal wie zuvor. "Sei dir deiner Verantwortung bewusst, Lanohiah. Dies ist der einzige Hinweis, den ich dir geben kann."
*
Alles, was wir im theoretischen Unterricht gelernt hatten, machte auch praktisch nun Sinn.
Schutzengel konnten sich zu ihrem Schützling hin und wieder zurück teleportieren. Schutzengel waren in der Lage, die Gefühle des Schützlinges wahrzunehmen, selbst wenn er gerade nicht in seiner unmittelbaren Nähe war. Ich wusste, dass es verwirrend werden würde. Aber nicht, dass es so werden würde.
Den nächsten Tag über konnte ich meine Gefühle kaum einordnen. Ständig spürte ich etwas in mir, das sich vollkommen fremd anfühlte. Etwas Bedrückendes, das ich am Anfang gar nicht gutheißen konnte.
Meine eigenen Gefühle mischten sich mit denen eines Anderen und anfangs fand ich es schwer, sie auseinander zu halten oder überhaupt richtig wahrzunehmen und zu deuten.
Nachmittags trafen Kev und ich uns mit einigen anderen Absolventen, die so ähnlich fühlten. Niemand war bisher wieder zu seinem Schützling zurückgekehrt. Man hatte uns im Unterricht geraten, sich nach dem Aufbau dieser Verbindung ein wenig Zeit zu nehmen, um sich zu orientieren.
Wir verbrachten ein wenig Zeit mit den Anderen. Kev, mit vollem Namen Kevakiah, war trotz allem zu Späßen und Ironie bereit. Ich glaubte, sie schätzten den Gott, der Freude gibt in diesem Moment sehr.
Kaliel setzte sich neben mich und erzählte mir von ihrem Schützling. Sie hatte ihn zum ersten Mal im Büro über einigen Unterlagen gesehen. Es war ein Mann mittleren Alters und Kaliel schätzte, dass er ein Politiker war.
"Ich vermute, er engagiert sich für die Umwelt oder so. Wahrscheinlich hat er irgendwelche politischen Gegner oder Feinde. Irgendwie spannend, wie ein zu lösendes Rätsel, findest du nicht?" Für eine Göttin, die zuhört, redete sie schon ziemlich viel, aber daran hatte ich mich in den letzten zwei Jahren schon gewöhnt.
Sie fragte mich nach meinem Schützling, woraufhin ich ihr erzählte, was bei mir passiert war. Irgendwelche Vermutungen hatte ich nicht. Sie hatte ausgesehen wie ein Mädchen im Alter von 18 bis 20, allerdings hatte ich sie ja auch nur im Dunkeln von hinten gesehen.
Kaliel blickte mich aus ihren hellbraunen Augen an und schien bei meinen Worten nachzudenken und zu grübeln. Ja, ich hatte auch keine Ahnung, weshalb sie Schutz benötigte. Oder weshalb sie so wichtig war, dass man ihr einen Schutzengel sandte.
Kev gesellte sich zu uns. "Kommt ihr mit, eine rauchen?" Jep, nach einer Zigarette war mir gerade wirklich zumute.
Während wir Engel von außen ziemlich elegant und anständig aussahen, mussten wir diesen Anschein unter uns allerdings nicht wahren.
Wir besuchten eine der angesehnsten Akademien überhaupt und hatten die ehrenhafteste, höchste Ausbildung für unser Alter erreicht. Unsere Schuluniformen waren aufeinander abgestimmt, fein, edel und teuer.
Das hieß aber nicht, dass wir nicht rauchten, nichts tranken und nachts nicht die wildesten Partys veranstalteten.
Zu dritt stellen wir uns auf den Balkon und betrachteten rauchend die Landschaft, welche die Akademie umgab. Ich konzentrierte mich auf mein Inneres und spürte meine Ruhe und Gelassenheit. Doch irgendwo darin steckte auch ein negatives Gefühl, welches eindeutig nicht von mir kam.
Von der Seite aus sah ich Kev an. "Was ist mit dir?", fragte ich, nachdem ich einen Schwall Rauch in die Luft entließ. Er hatte uns bisher noch nicht von seinem Schützling erzählt. Kev seufzte und schwieg.
"Du musst es uns nicht erzählen", bemerkte Kaliel sanft.
"Da gibt es einfach nicht viel zu erzählen", antwortete Kev. "Als ich ankam, entdeckte ich eine schlafende Gestalt. Ich habe keine Ahnung, wer es ist." Er nahm einen letzten Zug und warf dann die Zigarette hinunter. "Allerdings fühle ich nur irgendwas Neutrales. Nichts Besonderes, irgendwie."
Ich schwieg und wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. "Mach dir keine Sorgen, Kev", erwiderte Kaliel. Ich glaubte, dass wir uns gerade alle irgendwelche Sorgen machten, behielt meine Gedanken aber für mich.
*
Ich wurde aus meinem Schlaf gerissen. Ein unglaublich berauschendes Gefühl überkam mich.
Ohne dass ich es verstand, schüttete sich Adrenalin in meinem gesamten Körper aus. Meine Flügel breiteten sich instinktiv zu voller Länge aus, als ich aus dem Bett stieg und im Raum stand.
Schwer atmend sah ich mich im dunklen Raum um. Am anderen Ende erkannte ich Kevs Bett, darin seine schlafende Gestalt.
Ich sah zum Fenster, wo nur der Mond und ein paar Sterne zu sehen waren. Mein Atem beschleunigte sich, wobei ich gleichzeitig nicht verstehen konnte, wieso.
Während ich versuchte, das Gefühl in mir irgendwie zu beruhigen, ging ich zum Fenster, öffnete es und umklammerte den unteren Rand so fest, dass meine Handknöchel weiß hervorstanden.
Es fühlte sich an, als prassle die gesamte Gefühlspalette auf mich herunter. Ich spürte Begeisterung, Lebhaftigkeit, Lebendigkeit. Freiheit.
Mir war bewusst, dass ich mir Zeit nehmen sollte. Mich nicht jetzt schon wieder zu meinem Schützling teleportieren sollte.
Allerdings musste ich einfach die Ursache dieses Gefühls erfahren.
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