(28) someone you're afraid to love
Maybe there's something you're afraid to say or someone you're afraid to love, or somewhere you're afraid to go.
It's gonna hurt. It's gonna hurt because it matters.
- John Green
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-Lanohiah, jetzt-
Irgendwann klammerte sich Hira fester um meinen Nacken, scheinbar um meine Arme zu entlasten. Ich war durchaus noch in der Lage sie sicher zu tragen, trotzdem hatte ich nichts dagegen einzuwenden. Sogleich spürte ich ihren warmen Atem hinter meinen Ohren, der mir Gänsehaut und einen Schauder über den Rücken bescherte.
Immer wieder musste ich mir in Erinnerung rufen, dass sie ein Mensch war. Das ich ihre Nähe nicht so genießen durfte. Ich hatte Angst davor was passieren könnte, wenn ich diese Gefühle nicht langsam mal unter Kontrolle bekam.
Ich konzentrierte mich darauf, in der Dunkelheit nach irgendetwas zu suchen, was sich selbst mit meinen guten Augen als schwer erwies. Etwa vierzig Minuten, nachdem Hira in meinen Armen eingeschlafen war, schien Kev etwas entdeckt zu haben. Er verlor an Höhe und ich folgte ihm vorsichtig bis ich sah, was er entdeckt hatte. Wir flogen auf ein winziges Haus zu, direkt an einem See.
Als ich auf dem Boden landete schien Hira langsam aufzuwachen. Als sie realisierte dass sie eingeschlafen war, atmete sie erschrocken ein. "Oh mein Gott. Habe ich gesabbert?", fragte sie ein wenig panisch und wischte vorsichtshalber mit ihrem Ärmel über die Haut an meinem Nacken. Leise lachend ließ ich sie auf dem Boden ab, woraufhin sie sich die vom Wind zerzausten Haare aus dem Gesicht strich.
"Sieht sicher aus", meldete sich Kev da, welcher seinen Kopf aus der Eingangstür herausstreckte. Wir folgten ihm in das kleine Haus hinein, in dem nur eine schwache Glühbirne etwas Licht schenkte. Alles sah sauber aus, ein bisschen straubig vielleicht. Für eine Nacht würde es auf jeden Fall reichen. Kev stellte die Taschen ab und schaute mich komisch an, während Hira im einzigen Nebenzimmer, dem Badezimmer verschwand.
"Warum guckst du so?", zischte ich leise.
"Wahrscheinlich wird es dich freuen, obwohl es mich eher aneekelt. Mit einem Menschen in einem Bett schlafen zu müssen, aiaiai. Behalt schön deine Flossen bei dir, Lano", sagte er, am Ende doch mit einem Grinsen auf den Lippen. Erschrocken sah ich mich um. Es gab wirklich nicht mal ein Sofa. Nein, das würde ich nicht überleben.
"Ich hab ihr sowieso gesagt, dass zwischen Engeln und Menschen nie was laufen wird, keine Sorge", erklärte mir Kev. Ich wusste nicht, ob er mich damit quälen oder schützen wollte. Schützen, wahrscheinlich. Hira und ich würden sowieso niemals eine gemeinsame Zukunft haben. Eigentlich sollte sich niemand Hoffnung machen. Auch ich verdammt nochmal nicht.
"Wahrscheinlich denkt sie, du betrachtest sie als dein Hündchen, auf das du aufpassen musst oder so", lachte er. Was genau hatte er ihr denn alles erzählt? Wahrscheinlich wollte ich es lieber nicht wissen. Außerdem war ich unglaublich erschöpft und müde.
Hira kam wieder in den Raum hinein und sah uns an. "Ist das Bett benutzbar?", fragte sie mit neutralem, beiläufigen Ton.
"Ich geh dann mal. Lano, ruf mich sobald irgendwas ist. Tschüß Hira. Für einen Menschen bist du stark in Ordnung", grinste er und löste sich in Luft auf, bevor irgendjemand von uns etwas sagen konnte.
"Dein Freund ist seltsam", merkte Hira an, trat auf einen Schrank in der Ecke zu und öffnete ihn. Ich folgte ihr und sah ebenfalls hinein. "Frische Bettwäsche, super", freute sich Hira und zog die weißen Bezüge heraus. Ich erkannte außerdem große, männlich aussehende Kleidung im obersten Regal, war aber zu müde um mir irgendwelche Gedanken zu machen.
Nachdem wir uns beide eingerichtet und bettfertig gemacht hatten sicherte ich die Eingangstür des Hauses. "Glaubst du, es wird nochmal passieren?", fragte Hira, die bereits mit der Decke zum Hals im Bett lag.
"Wenn ja, dann werde ich blitzschnell aufwachen, keine Sorge." Eigentlich beruhigte es mich sogar, so nah bei meinem Schützling zu schlafen. Ich lagerte meine Waffen neben und unter dem Bett, wobei mir schon fast die Augen zufielen. Meine Flügel waren ganz schwer, die Schwerkraft schien meinen ganzen Körper Richtung Boden zu ziehen. Erschöpft zog ich mir die Hose aus und schlüpfte neben Hira ins Bett, fühlte die kalte, frische Bettwäsche auf mir. Innerhalb von Sekunden war ich eingeschlafen.
*
Irgendwann schlug ich die Augen auf. Frühes, noch immer schwaches Sonnenlicht schien in sanften Strahlen durch das Fenster und auf mein Gesicht.
Grummelnd und noch immer müde drehte ich mich zur Seite und blickte in ein Gesicht, mit sanft geschlossenen Augenlidern, vollen, geschwungenen Lippen und winzigen Sommersprossen um die Nase.
Nur halb bemerkte ich, dass einer meiner Flügel auf Hira lag. Mit friedlichem Gefühl schloss ich meine Augen wieder und schlief so gut, wie ich schon lange nicht geschlafen hatte.
***
-Hiraeth, jetzt-
Ich wachte auf und merkte, wie irgendetwas auf mir lag. Verwirrt sah ich auf weiße, weich aussehende Federn und dann herüber zu Lanos Gesicht.
Mit plötzlich viel mehr Blut in den Wangen schob ich seinen schweren Flügel vorsichtig beiseite, krabbelte leise aus dem Bett und schlich über den Boden, auf das Bad zusteuernd. Dann blieb ich stocksteif stehen.
War das ein Klavier? Mit stockendem Atem ging ich auf den Gegenstand zu, den ich in der Nacht bei dem schwachen, künstlichen Licht garnicht entdeckt hatte.
Ich ging darauf zu und strich mit den Fingerspitzen darüber, hinterließ Spuren im Staub, klappte das obere Holz auf und erblickte die Tasten. Noch nie hatte ich eines in echt gesehen. Ich wusste nicht was was war und welcher Ton sich wo befand, aber ich verspürte den unglaublichen Drang es erfahren zu wollen.
"Spielst du?"
Ich schreckte auf und blickte mich um. Lano saß aufgerichtet im Bett, fuhr sich durch die Haare und gähnte herzhaft. "Nein", antwortete ich. Aber er musste bestimmt wissen, dass ich Klaviermusik von Herzen liebte.
Der Engel, der selbst direkt nach dem Aufwachen perfekt aussah, stand aus dem Bett auf und ging auf mich zu, wobei ich gewissenhaft die Tatsache zu ignorieren versuchte, dass er keine Hose trug. Okay, ich ja auch nicht, nur eine kurze Schlafhose.
Lano setzte sich auf den Klavierhocker neben mich. "Das ganze Tastenfeld hier heißt Klaviatur. Die weißen Tasten hier erzeugen die Tonleiter in C-Dur, was eigentlich am leichtesten zu spielen ist. Die schwarzen Tasten dazwischen erzeugen Halbtonschritte, das ist für den Anfang nicht ganz so wichtig. Schauen wir mal, ob es noch funktioniert, sieht ja relativ heruntergekommen aus."
Er legte die Finger auf die Tasten und begann zu spielen.
Er spiele Nuvole Bianche.
Er würde niemals an Ludovico Einaudi heranreichen. Lano spielte langsam und zögerlich, manchmal pausierend, wie um sich der folgenden Töne entsinnend. Manchmal rutschten falsche Töne dazwischen.
Aber es war vollkommen und es war schön. Es war vollkommen und schön wegen seiner Unperfektheit.
Doch nicht nur die Melodie faszinierte mich.
Es waren seine Finger, wie sie leicht gekrümmt über den jeweiligen Tasten lagen, ganz kurz drückten und darüber streiften, dann abhoben und zugleich zur nächsten Taste rutschten.
Es war sein Gesicht, wie es sich manchmal ganz leicht lächelnd oder schmerzerfüllt verzerrte. Es waren seine Augen, zwischendurch für ein bisschen länger als ein Blinzeln geschlossen.
Es war, wie sich das Leben abspielte. Schwer und verwirrend, ständig Fehler machend. Aber dabei, in all dem, war es schön und zum lächeln wert. Was man leider viel, viel zu oft vergaß. Lanos Spiel erzählte, wie man trotz allem einfach immer weiter machte.
Und obwohl er kein Mensch war, war dies das menschlichste, was ich je in meinem Leben gesehen hatte.
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