(24) damaged parts of your soul

Show me the most damaged parts of your soul,
and I will show you how it still shines like gold.
- Nikita Gill

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-Lanohiah, jetzt-

Die nächsten Stunden verbrachte ich damit, mich mit anderen Mitgliedern meiner Gruppe auf Patrouille zu begeben. Etwa sechs Kilometer von Hiras eigentlichem Wohnort in der Stadt kontrollierten wir, ob sich magische Wesen verbotenerweise hier aufhielten. 

Ich machte mir Sorgen darum, dass ich einige Wesen in relativer Entfernung zu der Waldhütte entdeckt hatte. Bisher hatte ich ebenso keinen Hinweis darauf gefunden, dass auch andere Schützlinge von ihnen gesucht wurden. Irgendwann begann ich mit dem Gedanken zu spielen, Rochel aufzusuchen. Sie war die einzige, die mir vielleicht helfen konnte.

"Lano, übertreibst du es nicht ein wenig? Ich weiß, dein Beschützerinstinkt ist riesig, und noch riesiger gerade weil du dich so in sie verknallt hast-"

"Laber nicht so einen Mist!", unterbrach ich Kev hektisch. Wir flogen ein Stück hinter den anderen, sodass uns eigentlich niemand hören konnte. Trotzdem sollte er dieses Thema niemals ansprechen, erst Recht nicht in der Öffentlichkeit. Außerdem, war dass das einzige, was er zu sagen hatte? Immerhin hatte ich ihm gerade von meinem Plan erzählt, Rochel um Hilfe zu bitten.

"Ich würde noch ein paar Tage abwarten. Das oberste Gericht ist doch schon dabei, Antworten und Lösungen zu finden", schlug Kev mir anschließend vor.

"Diese Viecher suchen doch bereits nach ihr. Am aktuellen Versteck auch. Ich muss jetzt wissen, was da los ist", erwiderte ich mit verzweifeltem Ton. Dann seufzte ich. "Okay, ich warte bis übermorgen. Dann fliege ich zu ihr. Du musst in der Zeit auf Hira aufpassen."

"Whoa, whoa, whoa. Einen Moment mal. Ich werde mich ihr sicher nicht zeigen. Wegen euch lande ich doch nicht freiwillig in der Zelle!" Sein Tonfall war halb knurrend, hab hilflos und verzweifelt.

"Wirst du nicht. Es erfährt doch keiner davon. Bitte, Kev. Du bist mir ne Menge schuldig. Jetzt ist der Moment, wo du diese Schulden begleichen kannst", forderte und bettelte ich. Ich konnte mich zwar zurück teleportieren zu Hira, trotzdem war Rochel sehr weit weg und ich wollte kein Risiko eingehen. 

Es benötigte noch ein paar Minuten Überredungs- und Überzeugungskunst, bis Kev schließlich zustimmte. Mit ein wenig Erleichterung in der Brust setzen wir die Patrouille fort.

*

Ich landete außerhalb des Hauses neben Hira, die auf dem Gras saß und hinunter in den Fluss starrte. "Hira, was machst du da?", brüllte ich fast, konnte mich in der Lautstärke aber noch zurückhalten. Das Mädchen reagierte nicht. Verwundert bemerkte ich, dass ich den Zauber noch um mir hatte und für sie nicht zu hören war. 

"Hira, was machst du hier?", fragte ich schließlich erneut, ein kleines bisschen sanfter, aber noch immer zornig, während ich mich nach allen Seiten umsah. Mein Schützling schreckte auf und drehte sich um. "Erschreck mich doch nicht so", beschwerte sie sich nur. 

Wütend trat ich näher zu ihr. "Es ist gefährlich hier draußen. Die Wesen können dich viel leichter riechen und aufspüren. Ich reiße mir den Arsch auf für dich und was machst du? Du spielst mit deinem Leben, ist dir das klar?"

"Ja, das ist mir klar!", rief Hira zurück, rappelte sich auf und funkelte mich an. "Ich habe dich nie gebeten, mich zu beschützen. Und ich will nicht jede Sekunde in diesem Haus sein. Ich musste nur mal kurz raus, okay?"

"Nein, das ist nicht okay, Hira. Wir gehen rein jetzt. Sofort. Außerdem habe auch ich es mir nicht ausgesucht. Aber die Situation ist so, wie sie ist, also-"

"Und hast du vielleicht mal darüber nachgedacht, dass ich nicht beschützt werden sollte?", entgegnete sie mit verletztem Blick. "Warum ich? Es gibt viel bessere Menschen als mich in noch viel größerer Gefahr. Ich hab in meinem ganzen Leben noch nie was Gutes gemacht." Sie sah aus, als würde sie noch etwas sagen wollen, stoppte dann aber. 

"Vielleicht geht es nicht darum, was du bisher gemacht hast, sondern was du noch machen wirst", entgegnete ich und hielt standfest ihren Blickkontakt. "Deswegen sorge ich dafür, dass es dazu kommen kann."

Daraufhin starrte sie mich an. Drei, vier, fünf Sekunden lang. Dann ging sie an mir vorbei und betrat die Hütte wieder. Halb lächelnd ging ich hinterher und schloss die Tür hinter uns. "Ich würde den Zauber gerne noch einmal ausprobieren", teilte ich ihr mit.

"Okay", murmelte sie und stellte sich dicht vor mich. Mein Atem stockte ein wenig, mein Herz schlug schneller, ich musste mich wirklich zur Vernunft rufen und mich konzentrieren. Tief atmete ich durch und fokussierte mich auf den Zauber, den ich immer um mich legen musste, um nicht gesehen zu werden. Tief in meinen Gedanken versuchte ich ihn umzudrehen, immer und immer wieder.

Als ich die Augen wieder öffnete, starrte Hira meine Hand an. Ich sah hinunter und entdeckte erfreut das helle Leuchten. Hiras Gesichtsausdruck spiegelte Unsicherheit. Wahrscheinlich dachte sie an das Feuer oder den Strom aus meinen Händen.

Ich hielt ihr meine Hände entgegen. Zögernd trat sie vor und ergriff sie. Mein Zauber berührte erst ihre Fingerspitzen, dann ihre Handflächen. Sie blickte mich an, während sich das leuchtende Blau in ihren warmen Augen spiegelte. Dann erkannte ich, was ich tun musste. "Schließe deine Augen", flüsterte ich, woraufhin sich ihre zarten Augenlider senkten.

Vorsichtig hob ich meine Hände, strich zart an ihren Wangenknochen entlang, wobei ich beinahe meine Aufgabe aus den Augen verlor. Stockend realisierte ich, dass sich meine Flügel schützend ein wenig um ihre Seiten gelegt hatten. Ich riss mich zusammen und legte meine Hände sanft über ihre geschlossenen Augenlider. 

Als ich die Hände wegnahm öffnete sie ihre Augen langsam wieder. Dann legte ich den Unsichtbarkeitszauber wieder um mich. 

Hira streckte sie Hand aus und bekam meine Flügel zu fassen, welche sich mit ein wenig Abstand zu ihr noch immer an ihren Seiten befanden. Zärtlich und vorsichtig strichen ihre Finger über die Federn meiner Flügel. Ein angenehmes Kribbeln fuhr durch meinen Körper, bei dem mein Atem für einen Augenblick stockte. Mir wurde heiß und kalt zugleich.

Ich räusperte mich. "Ähm, vielleicht sollte ich dir jetzt mal sagen, dass das eigentlich eine ziemlich, ziemlich.. intime Geste ist", erklärte ich und hoffte, dass meine Wangen nicht erröteten. Eigentlich fasste niemand meine Flügel an. Nichtmal die Engel, mit denen ich meine Nächte verbrachte. 

Ich grinste, als Hira blitzschnell die Hand wegzog, als würde sie nun glauben ein Geschlechtsteil angefasst zu haben.

"Entschuldigung", stotterte sie. Die Situation war ihr sichtlich unangenehm. Ich zog meine Flügel zurück und platzierte sie an meinem Rücken, da wo sie eigentlich hingehören, diese instinktiven, schwer kontrollierbaren Dinger. 

Ich war stolz auf mich, weil ich den Zauber geschafft hatte, ohne jemals davor von ihm gehört zu haben. Nun würde sich auch Kev beruhigen können. Er würde seinen Unsichtbarkeitszauber nicht einmal ablegen müssen. 

Mit einem erleichterten Gefühl in der Brust zündete in den Kamin an und genoss die Wärme des Feuers, welche mein Gesicht erwärmte.

Hira setzte sich im Schneidersitz neben mich und wie immer hielt sie ihre Fingerspitzen nach vorne. "Wie geht es denn jetzt weiter?", fragte sie leise.

"Übermorgen besuche ich eine Frau, die uns vielleicht weiterhelfen kann. In der Zeit wird ein guter Freund von mir auf dich aufpassen."

"Ist der auch so komisch wie du?", fragte mich Hira ernst, woraufhin ich irgendwie lachte, mich aber eigentlich ein wenig verdutzt fühlte. "Warum bin ich komisch?"

"Einerseits bist du total arrogant, was du irgendwie nicht versteckst, was andererseits aber nicht so offensichtlich ist. Manchmal bist du freundlich, manchmal aber auch irgendwie nicht. Außerdem redest du nie von dir aus über dich. Ich muss alles erfragen."

"Ach, und du erzählst mir über dich?", fragte ich sarkastisch nach. Sie war doch diejenige, die nie über sich redete.

"Über mich gibt es nicht viel zu sagen", redete sie sich raus, während das Feuer ihre Augen noch wärmer erscheinen ließ.

"Und warum nicht?"

"Weißt du denn garnichts über mich? Du bist doch mein Schutzengel?", wunderte sie sich und sah mich an, woraufhin ich eilig meinen Blick von ihrem Gesicht abwandte.

"Ihr Schützlinge kommt nicht gerade mit Lebenslauf und Bedienungsanleitung. Wir sollen nur herausfinden warum wir euch beschützen müssen. Außerdem hast du auch vor deinen Freunden nie über dich gesprochen."

Hira schwieg einige Zeit, bis sie dann flüsternd zu erzählen begann. "Mit dreizehn bin ich im Krankenhaus aufgewacht. Meine Eltern waren tot und es gab niemanden, der mich aufnehmen konnte. Außerdem hatte ich mein komplettes Gedächtnis verloren."

Sie schluckte schwer.

"Ich weiß, wo wir gewohnt haben und wie das Haus aussah, in dem wir lebten. Zusammen mit meinen Ärzten waren wir dort, haben uns alles angesehen, alte Familienerinnerungen, aber es kam nichts zurück." Hira blickte ins Feuer, machte eine kurze, nachdenkliche Pause.

"Ich habe das Gefühl, als kenne ich mich selber nicht. Manchmal fühle ich Dinge ohne zu wissen warum. Ach, ich weiß auch nicht. Irgendwie ist es, als lebe ich erst seit fünf Jahren in dieser Welt. Jeden Tag sehe und erlebe ich sie neu. Es macht mir irgendwie ein wenig Angst."

Daraufhin starrte ich sie wieder an, egal ob sie es sehen konnte oder nicht. Ich schwieg, obwohl ich ihr am liebsten gesagt hätte, dass genau diese Gedanken sie eigentlich so besonders machten.

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