(20) adventure on the wind
A storm was coming but that's not what she felt.
It was adventure on the wind and it shivered down her spine.
- Atticus
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- Hiraeth, jetzt -
Ich eilte aus der Eingangstür. Es nieselte. Die hauchzarten Regentropfen kitzelten meine Haut. Dann stieg ich in Liams Auto, schnallte mich sofort an. "Hey", begrüßte Liam mich verwirrt. "Hey, könntest du vielleicht losfahren?", fragte ich und versuchte erst gar nicht meine Nervosität oder Ungeduld in meiner Stimme zu verbergen. Liam starrte mich an. Ich wusste, dass er mich so nicht oft erlebte. Meist unemotionaler. Aber wenn er wüsste wie aufgewühlt ich gerade war.
"Irgendwo nach Osten bitte", bat ich und verstaute meine Trainingstasche im Fußraum, meinen Rucksack platzierte ich auf meinem Schoß. Liam schaltete das Navigationsgerät an und fuhr los. Erleichtert lehnte ich mich im Sitz zurück und sah nach draußen aus dem Fenster, obwohl ich genau wusste, dass ich weder Lano noch die anderen Wesen sehen konnte.
Im ruhigen Auto hier, ohne ein Indiz für das gerade passiert war, begann ich daran zu zweifeln, ob ich so ganz gesund war. Vielleicht war ich wirklich durchgedreht. Verrückt. Vielleicht war ich in der Psychiatrie doch am richtigen Platz.
"Würdest du mir jetzt verraten was los ist?", meldete sich Liam neben mir, während sich das Fenster zu seiner Seite öffnete und riss mich aus meinen Gedanken. Unruhig umklammerte ich den Rucksack auf meinem Schoß. "Und vielleicht auch warum du so unglaublich stark nach Deo riechst?"
"Ich muss einfach raus hier. Okay? Irgendwo nach Osten, ab da komme ich alleine klar", erklärte ich, eigentlich ohne überhaupt eine Erklärung zu geben.
"Hast du irgendwas verbrochen von dem ich wissen sollte?"
Ich dachte zurück an das zerbrochene Fenster in meinem Zimmer und wollte nicht wissen, was Lano in seinem Kampf mit diesen Wesen noch in der Wohnung zerstört hatte. An die Überwachungskameras in meinem Bett. An meine verschwundenen Sachen. Beinahe hätte ich laut aufgelacht bei der Vorstellung, dass vielleicht irgendwelche Polizisten herausfinden mussten, was mit mir passiert war.
"So in der Art", sagte ich dann. Ich fühlte mich schlecht, weil ich ihn anlügen musste. Aber die Wahrheit konnte ich ihm nicht sagen. "Ich bin durchgedreht, Nervenzusammenbruch. Jetzt bin ich am Arsch, will aber nicht mehr in die Psychiatrie. Liam, die Polizei wird dich vielleicht fragen wo ich bin, aber du darfst kein Wort sagen, okay? Ich komme bald wieder zurück, versprochen. Aber erst muss ich meine Gedanken ordnen", schloss ich ab und sah erneut aus dem Fenster.
Ich spürte, wie mich Liam von der Seite aus ansah, dann wieder geradeaus zur Straße.
"Dir ging es nicht gut, richtig? Erst dieser Typ in der Gasse, der dich früher belästigt hat. Wenig später rufst du mich an und ich Idiot hab nicht sofort zurückgerufen. Hatte erst Stress mit Melina. Oh man. Deswegen hast du dann später nicht mehr auf meine Anrufe reagiert. Es tut mir so leid, Hira."
Bei seinen Vermutungen regte sich ein schmerzhaftes Gefühl in meiner Brust. "Nein, das ist es nicht. Daran liegt es nicht", verzweifelt seufzte ich. "Mir geht es nicht gut, aber das hat nichts mit Mick oder dir zutun, keine Sorge. Ich muss einfach nur mal weg."
Ich hatte keine Ahnung ob er mir glaubte oder nicht. Aber momentan hatte ich wirklich andere Sorgen. Nervös knetete ich meine Hände und nutzte die nächsten Minuten Stille, um die ganze Situation noch einmal in Gedanken von vorne bis hinten durchzugehen und auf das Geschehene klar zu kommen.
Im Rückspiegel betrachtete ich, wie wir uns mit jeder Minute dem Zentrum der Stadt entfernten. Und irgendwie, tief in meinem Inneren, war ich nicht traurig darüber.
Sie war nie mein zu Hause gewesen und würde es auch nie sein.
Irgendwie hatte ich auch das Gefühl, ich entfloh meinen Problemen in ihr. Kein Kampf mit meinen Pflegeeltern. Insgeheim hatte ich schon oft davon geträumt, wegzulaufen. Im Auto sitzen, diese Stadt hinter mir lassen.
Wenn man die Situation mit Lano und den gefährlichen Wesen wegließ, dann war das hier etwas, wovon ich schon lange geträumt hatte.
Aber leider ließ sich diese Situation nicht einfach weglassen.
*
"Da ist eine Bushaltestelle, da kannst du mich rauslassen."
Wir befanden uns außerhalb der Stadt in einem kleinen Dorf, mit wenigen verteilten Häusern. Liam hatte mich zwanzig Minuten Richtung Osten gefahren, bis ich glaubte, dass ich hier aussteigen konnte.
"Und du kommst auch wirklich klar?", fragte er mit zweifelnder Stimme und betrachtete mich genau.
"Ja, komme ich. Ich bin dir unendlich dankbar, Liam. Bis bald. Wir sehen uns", verabschiedete ich mich und zwang mich zu einem halbherzigen, unehrlichen Lächeln.
"Bis bald, Hira." Liam sah mich an, mit einem verzweifelten Lächeln. "Wenn irgendwas ist, ruf an und ich komme sofort."
"Danke", entgegnete ich und warf seine Autotür zu. Liam wendete den Wagen und ich sah ihm zu, wie er davonfuhr.
Dann rückte ich den Rucksack auf meinem Rücken zurecht, fasste die Tasche fester und wanderte dann etwas weiter abseits der Bushaltestelle.
Ich sah mich um. Keine Menschenseele weit und breit. Wo blieb Lano also? Unsicher ging ich weiter, etwas mehr in ein wäldlicheres Gebiet hinein. Da hörte ich jemanden hinter mir auf dem Boden aufkommen.
"Okay, sehr gut. Weiter gehts", entschied Lano einfach schicht. Seine Haare und seine Klamotten waren zwischenzeitlich getrocknet. Die riesigen Flügel schien er hinter seinem Rücken zusammenzufalten, trotzdem war sein Rücken nicht breit genug um sie gänzlich zu verbergen. Mit seinen strahlenden Augen blickte er mich an, als er näher an mich herantrat.
"'Sehr gut, weiter gehts?' Ist das hier eine Wandertour für dich?", fuhr ich ihn an.
Lano grinste mich an. Zum ersten Mal sah ich ihn ohne diesen Druck, wachsam sein zu müssen. Lässig ging er auf mich zu und breitete seine riesigen Flügel aus. "Engel wandern nicht."
Bevor ich mich versah fand ich mich in seinen Armen wieder. Ich spürte, als er kräftig mit den Beinen abstieß. Mein Magen machte einen Ruck, als Lano vom Boden abhob und mich mit in die Lüfte nahm. Mir entfuhr ein kleiner Schrei, als wir uns blitzschnell den Baumkronen näherten. Langsam sah ich über meine Schulter und bekam einen Schreck bei dem Anblick, wie hoch oben wir uns befanden.
Meine Hände klammerten sich fester um Lanos Nacken und mit schreckverzogenem Gesicht sah ich zu ihm hoch. "Hab keine Angst, ich halt dich fest", kommentierte er grinsend meinen Blick. Tatsächlich schien es mit seinen starken Armen überhaupt kein Problem zu sein, mich zu halten. Ich spürte wie sich seine Muskeln am Oberarm anspannten und gegen meinen Nacken drückten, aber seine Arme zitterten kein bisschen.
Erst jetzt prüfte ich ob ich auch wirklich mein gesamtes Gepäck bei mir hatte. Als das der Fall war, trat die unangenehme Situation auf, dass ich nicht wusste, wo ich hinschauen sollte. Also verdrehte ich fast meinen Nacken um nach vorne schauen zu können und nicht hoch zu Lano sehen zu müssen.
Der Anblick war fast genauso schön.
Wir flogen über einen dichten Nadelwald, genau unter uns befand sich ein Fluss mit hellblauem, rauschendem Wasser, welches sich um große Steine bahnte. Es war so atemberaubend, dass es mir die Sprache verschlug.
Ganz plötzlich fühlte ich mich so frei und sorgenlos, dass ich am liebsten nie mehr auf dem Boden aufgekommen wäre. Wenn Lano mein Schutzengel war, konnte ich ihm dann nicht befehlen mich sein ganzes Leben lang so wunderbar herumzufliegen?
Ich blickte nach unten. All das trug einen Hauch von Schönheit. Freiheit. Lebendigkeit. Ein Hauch von Abenteuer.
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