(18) a shiver down her spine
As he took her hand, he gave her
all she had been waiting for;
a shiver down her spine.
- Atticus
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- Hiraeth, jetzt -
Ein junger Mann stand im Eingang meiner Zimmertür und sah mich an, während ich zurückstarrte. Wirklich starrte.
Von seinen hellen Haaren tropfte Wasser auf sein anscheinend ebenso nasses, schwarzes T-Shirt. Er trug normale Jeans und schwarze Schuhe, um die sich nun eine Pfütze mit Wasser bildete.
Seine hellblauen, leuchtenden Augen blickten in die meinen, als ich seine markanten Gesichtszüge betrachtete.
Warum zur Hölle stand ein wirklich gutaussehender, nasser und tropfender Typ an meiner Türschwelle?
"Ähm", entfuhr es mir verwirrt. Plötzlich fielen mir die Überwachungskameras ein, die ich schnell und möglichst unauffällig unter ein paar Kissen schob.
"Hey", sagte der Typ nun mit tiefer und rauer Stimme, während er irgendwie halb grinste. Auch wenn das süß aussah, machte es mir momentan verdammt große Angst und Panik.
Wie war der hier reingekommen? Suzanna und Thomas waren doch nicht da, oder? Aber ein Einbrecher würde doch niemals an meine Zimmertür klopfen? Schon wieder möglichst unauffällig sah ich mich nach irgendeinem Gegenstand um, den ich als Waffe benutzen konnte.
"Keine Angst, ich tu dir nichts. Ich bin auch nicht eingebrochen, falls du das denkst. Naja.. n.. richti.." Den letzten Teil des Satzes murmelte er nur, sodass ich fast garnichts verstehen konnte.
"Aha.. Äh, und was machst du hier?", fragte ich mit unhöflichem Ton, während sich meine Augenbrauen misstrauisch zusammenzogen.
"Ich muss mit dir reden. Bitte hör mir einfach zu, okay? Es ist wirklich, wirklich wichtig." Der Typ trat einen Schritt vor und schloss die Tür hinter sich.
Waffe? Irgendwo? Oder mein Handy? Wo war das scheiß Ding, wenn man es mal wirklich brauchte?
"Also", begann der junge Mann, der nicht viel älter als ich sein konnte. "Ich bin hier, um dich zu beschützen. Du bist in Gefahr und wir haben wirklich nicht viel Zeit. Ich will dir keinen Schreck einjagen, deshalb machen wir das hier ganz sanft und langsam."
Warte, was? Was zur Hölle..?
"Du musst deine Sachen packen und mit mir kommen. Ich weiß ich bin ein Fremder, aber du musst mir vertrauen."
Ich konnte nicht glauben, was der Kerl da zu mir sagte. Und dann drehte er sich um, woraufhin ich verwundert seinen Rücken betrachtete. Sehr seltsam. Dann schnappte der Typ sich auch noch meine Trainingstasche aus meiner Zimmerecke.
"Du hast Risse hinten in deinem Shirt", bemerkte ich trocken, während er wieder auf mich zukam und mir die große Tasche in die Hände drückte.
"Hier", meinte er eindringlich.
Ich lachte ihn aus.
Das Lachen kam tief aus meinem Brustkorb, aus Belustigung, aber auch Verzweiflung. Der hatte sie doch nicht alle. War ich hier bei Versteckte Kamera?
"Okay ist gut Leute, ihr könnt jetzt rauskommen", quetschte ich zwischen dem Gelächter hervor.
Konsterniert starrte mich der Typ an. Hatten die extra einen mit so schönen, strahlenden Augen gewählt? Glaubten die, irgendjemand würde ersthaft mit dem mitgehen? Einfach so?
"Lass das", zischte der Kerl zornig und griff unsanft nach meinem Arm, woraufhin ich mit dem Lachen aufhörte.
"Fass mich nicht an", spuckte ich hervor und riss meinen Arm weg.
Ziemlich genervt und wütend stöhnend trat er von mir weg, sah mir aber noch immer eindringlich in die Augen.
"Okay, dann machen wir es eben nicht auf die langsame und sanfte Tour."
Bevor ich mich überhaupt fragen konnte, was er damit meinte, schloss er die Augen und aus seinem Rücken schossen Flügel hervor.
Feine, weiße Federn zuerst, dann immer mehr, bis sich seine locker jeweils eineinhalb Meter langen Flügel ausgebreitet neben ihm entfalteten.
Ich trat näher. Wie funktionierte das? Wie stellte man so gute Imitate her? Und wie waren diese aus seinem Rücken gekommen? Ich hatte schon viele Sendungen mit Zauberern gesehen. Sowas war möglich. Aber wie? Ich war nie auf einer Zaubershow gewesen. Aber wenn ich mal auf einer gewesen wäre, dann hätte ich sehr wahrscheinlich mit allen Mitteln versucht, diesen Tricks auf die Spur zu kommen.
Nun stand ich so nahe vor ihm, besser gesagt, vor seinen Flügeln, dass ich ihn atmen hören konnte. Er sagte kein Wort, sondern stand dort einfach nur. Ich spürte seinen Blick auf mir, als ich die Hand ausstreckte.
Sein Atem stockte abrupt. Ich sah, wie er die Luft in seinem Brustkorb hielt und wie sich seine Augen kaum merklich weiter öffneten. Was war los? Hatte er Angst, dass ich herausfinden könnte, wie dieser Trick funktionierte?
Meine Fingerspitzen berührten die Federn. Sie waren unglaublich weich und glatt und geschmeidig. Erstaunt befühlte ich die Flügel noch weiter, fuhr von ganz oben bis hin zu den hintersten Federspitzen. Sie waren weich, aber gleichzeitig fühlten sie sich stark an. Irgendein Material war hinter den Federn. Wow, wie sich das anfühlte!
Ich umfasste ein paar Federn mit der Hand, befühlte mit der anderen Hand, was wohl darunter liegen könnte.
Dann riss ich sie raus.
"Ah, fuck!", fluchte der Typ und sprang zur Seite. Wutentbrannt starrte er mich an. "Sag mal, gehts noch? Soll ich dir mal einfach so nen Büschel Haare ausreißen?"
Doch seine Drohungen interessierten mich nicht. Ich ließ die Federn aus meiner Hand fallen. Langsam sanken sie durch die Luft und trafen dann sanft und federleicht auf dem Boden auf.
An der Stelle, dort wo ich die Federn aus dem Flügel herausgerissen hatte, entdeckte ich Blut. Ein paar Tropfen kamen aus der Stelle und tropfen auf die anderen Federn. Dunkelrotes Blut auf wunderschönem, hellen Weiß.
Wie konnte das sein?
Ich starrte ihn an. Den nassen Kerl mit den Flügeln, der plötzlich an meine Tür geklopft hatte. Meine Gedanken waren wie weggefegt, mein Gehirn überfordert, total leer. Okay, was war hier nochmal passiert?
"Hör zu", begann der junge Mann nun etwas sanfter. "Ich weiß, es ist schwer zu glauben, aber die Flügel sind echt. Ich bin dein Schutzengel. Ziemlich viele von uns Engeln sind Schutzengel und haben somit nun mal auch einen Schützling. Du bist halt meiner."
Noch immer starrte ich ihn wortlos an. Keine Ahnung, ob ich ihn mit offenem Mund anstarrte. Aber ehrlich gesagt wäre es mir sogar egal. Schutzengel?
"Deswegen weiß ich auch, dass du wirklich in Gefahr bist. Glaub mir. Wir müssen weg von hier!"
In diesem Moment erklang erneut ein Geräusch aus der Richtung des Fensters. Schon wieder so, als würde irgendetwas dagegen fliegen. Aber ich sah absolut nichts. Mein Blick schoss zu dem jungen Mann neben mir, der mit unerfreuter Mine ebenfalls zum Fenster schaute. "Scheiß Viecher", entfuhr es ihm genervt.
Entsetzt blickte ich ihn an. Passierte das hier gerade überhaupt wirklich? Ich kniff mir in den Arm und drückte mir richtig meine Fingernägel ins Fleisch. Es schmerzte. Aber ich wachte nicht auf.
Es kratzte am Fenster. Ich traute meinen Augen kaum, als sich lange, triefe Kratzer auf dem Glas bildeten.
"Bleib zurück", befahl mir der Kerl und schob mich hinter sich. Dann ging er auf das Fenster zu, während ich angsterfüllt mit ansah, wie er es einfach öffnete und blitzschnell nach etwas packte. Er hielt nichts als Luft in der einen Hand, während er mit der anderen das Fenster wieder schloss. Dann sah ich, wie seine leere Hand rot zu glühen begann und wie sich ernsthaft Flammen in ihnen bildeten. Ich hatte keine Ahnung, was hier passierte. Also, eine Ahnung schon. Aber das konnte doch einfach alles nicht wahr sein.
Der Mann wischte sich die Hände an seiner Hose ab und kam wieder auf mich zu. "Pack deine Sachen, schnell. Sie wissen, wo wir sind."
"Aber ich kann doch nicht einfach so mit dir mitgehen! Ich kenne dich überhaupt nicht! Ich-"
Der Typ unterbrach mich, indem er sich einfach meine Hand schnappte und sie an seine Brust legte. Mein Atem stockte, meine Gesichtszüge verzogen sich zu einem erschrockenen Ausdruck, während meine Handfläche auf dem Stoff über seiner Haut lag. Seine große, starke Hand hielt die meine fest an sich gedrückt. Ich spürte sein heftiges, schnelles Herzrasen. Mich überkam ein Schauder, der von meinem Nacken bis hinunter in meinen Rücken fuhr.
"Fühlst du das? Ganz zu Anfang, als ich dich zugeteilt bekam, da pflanzte sich so ein Zauber in mich. Seitdem ist er in mir drin. Ich fühlte, was du fühlst, verstehst du? Ich fühle wenn du dich verloren fühlst oder traurig oder die Wärme in dir drin, wenn du so selten wie fast nie wirklich ehrlich lächelst und ich spüre auch jetzt, dass du Angst hast und all das nicht verstehst. Aber ich bitte dich, wenn du vielleicht irgendwie in meine Augen siehst oder den Zauber hier fühlst, ich bitte dich zu versuchen, irgendwie zu verstehen, wie ich mich gerade fühle. Ich will dich nur beschützen. Und dafür musst du mir vertrauen."
Und in diesem Moment, obwohl ich es selber nicht ganz verstehen konnte, da tat ich es.
Ich vertraute ihm.
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