(10) messed up muddled truth

Tell me the truth
I want to know it all
all the messed up muddled truth
and I will tell you mine
and we can be keepers
of each others madness.
-Atticus

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- Lanohiah, jetzt -

Weder Caracasa, noch Kev oder ich wurden einer weiteren Mission zugeteilt. Ich fragte mich, warum. Obwohl ich nicht arrogant sein wollte, wusste ich, dass ich einer der besten Schutzengel dieser Akademie war. Mit meinen Fähig- und Fertigkeiten vielleicht sogar der Beste. Mir war bewusst, dass statt mir andere Schutzengel zu Missionen geschickt wurden, doch ich fragte niemanden, wieso, weil ich nicht verzweifelt wirken wollte.

Jedenfalls hatte ich somit eine Menge Zeit, weshalb ich einen großen Teil der nächsten Wochen dazu nutzte, bei Hira zu sein. Und je länger ich sie kannte, umso mehr verwirrte sie mich. Obwohl ich eigentlich gute Engel- und Menschenkenntnisse hatte, konnte ich Hira nicht durchschauen. Und das selbst mit der Tatsache, dass ich ihre Gefühle in mir spüren konnte.

Aber vielleicht war das auch das Verwirrende. Mir kam es vor, als fühle sie entweder nichts oder plötzlich alles auf einmal. Irgendwann kam ich aufgrund einiger Hinweise zu dem Schluss, dass sie sich selber verwirrte. Manchmal wirkte sie, als kenne sie sich selber nicht. Als fehle ihr irgendetwas. Aber was?

Ihre Eltern hatte ich in der langen Zeit nur ein paar kurze Male gesehen. Ihre Beziehung zu Hira schien nicht sehr vertraut zu sein. Die meiste Zeit über waren sie nicht einmal da.

Hira sprach nie über sich selbst oder ihre Familie. Ich wusste praktisch keinerlei Fakten über dieses Mädchen, die mir aber fehlten, um herauszufinden, weshalb sie Schutz benötigte.

Es war wirklich frustrierend, dass alle anderen Schutzengel schon viel, viel weiter gekommen waren. Ich mochte Hira zwar irgendwie, immerhin war sie kein schlechter Mensch. Oft mochte ich es sogar, bei ihr zu sein, weil ihre Ruhe und ihre Gefühlsleere manchmal meine eigenen Gefühle beruhigten.

Aber manchmal erwischte ich mich dabei, wie ich mich gehässig fragte, warum ausgerechnet ich einen solchen psychisch unnormalen Menschen zugewiesen bekommen hatte.

*

Draußen dämmerte es bereits. Die Nächte wurden immer kühler, die Dunkelheit trat früher ein. Kev, Kaliel und ich saßen auf einem Sofa des Gemeinschaftsraums, redeten über dies und das.

Irgendwann betrat auch Habuiah den Raum, setzte sich nah neben mich und drückte mir warme, verführerische Küsse in den Nacken. Kev blickte uns finster an, erinnerte sich wahrscheinlich an ihre Abfuhr, als er betrunken gewesen war. Ich musste grinsen, flüsterte Habuiah aber Kev zuliebe zu, dass wir das auf später verschieben würden.

Einige Minuten später wusste ich allerdings, dass daraus nichts mehr werden würde.

Mein Körper versteifte sich, als ich tief in mir Angst und Furcht spürte. Die Gefühle, die eigentlich nur dann da waren, wenn Hira aus einem Alptraum aufwachte. Nun aber fühlte sich das ganz anders an.

"Ich muss los", erklärte ich knapp und machte mich aus Habuiahs Griff los. Dann ging ich auf den Balkon, umgriff das kalte Eisengeländer für etwas mehr Gleichgewicht und teleportierte mich zu meinem Schützling.

Wie immer überkam mich das bekannte Schwindelgefühl, an welches ich mich allerdings schon einigermaßen gewöhnt hatte.

Nicht viel später fand ich mich auf einer Straße wieder, mit leuchtenden Hochhäusern herum. Neben mir erblickte ich einen Club mit leuchtender Reklame und Lichtern, aus dem Musik drang. Es roch nach Alkohol und irgendwo in der Ferne nach Fast-Food. Jugendliche passierten an den Türstehern rein und raus, andere gingen an dem Club vorbei und wieder andere lungerten in den Nebengassen herum.

Inmitten dieser ganzen Menschen stand ein Typ, nachts in der Kälte, in schwarzem T-Shirt, mit großen, ausgebreiteten Flügeln und blickte sich nach allen Seiten um. Unbemerkt von allen anderen.

Von hinten glitt ein Mensch durch mich hindurch, was mich erschrak. Eilig ging ich beiseite.

Wo war Hira?

Ich sah mich abermals um. Sie musste in unmittelbarer Nähe sein. Da entdeckte ich ein paar Jugendliche einige Meter entfernt in einer Gasse.

Eilig lief ich auf sie zu und erkannte augenblicklich Hira und ihren Freund Liam, die vor drei anderen jungen Erwachsenen standen. Für eine kleine Sekunde wunderte ich mich, warum Hira und Liam alleine waren. Bisher waren sie immer mit dem anderen albernen Jungen und vorlautem Mädchen weg gewesen. Dann war ich in Hörweite und stockte.

"Sieh mal, da ist sie ja. Die kleine Psycho-Bitch", säuselte einer von den dreien.

Was war denn da los? Ich stand nun so nah, dass ich meine Hand ausstrecken und seinen beiden lachenden Freunden eine reinschlagen könnte. Liam hatte das anscheinend wirklich vor, da er einen Schritt vortrat.

Hira hielt ihn am Arm zurück. "Glaub mir, er ist es nicht wert", lachte sie sichtlich amüsiert.

Konzentriert betrachtete ich sie. Ihre Körpersprache sprach Selbstbewusstsein, Lässigkeit, Ruhe und Belustigung aus. Aber was ich in mir fühlte, was sie fühlte, das war ganz anders.

Furcht. Angst. Wut. Nachdenklichkeit. Das Feststecken in tiefen, schlimmen Erinnerungen.

Wie konnte sie ihre Gefühle immer so gut verstecken? Wie tat sie das? Und warum?

"Nicht wert?", spuckte der schleimige Typ wieder hervor. "Du hast meinen Schuppen und mein Rennrad abgefackelt, du gestörtes krankes Flittchen!"

"Kannst froh sein, dass ich keins deiner Körperteile abgefackelt habe", erwiderte Hira eiskalt, eine Augenbraue hochgezogen.

Wäre ich auf sie zugegangen und hätte eine Hand auf ihre Brust gelegt, so hätte ich ihr heftig klopfendes Herz gespürt. Sie spürte Adrenalin, Furcht, Zorn und blinden Hass.

"Ähm, wartet mal", meldete sich Liam da verwirrt zu Wort. Genauso wie er verstand ich überhaupt gar nichts. War zur Hölle war zwischen den beiden passiert?

"Ich hab gehofft, dich eines Tages zu treffen", erklärte der Typ gehässig. "Immerhin wurdest du ja sofort in die Psychatrie gesteckt und ich hatte keine Möglichkeit, es dir heimzuzahlen."

"Ach, Mick. Damals haben sie echt die falsche Person erwischt. Das hättest ja eigentlich du sein müssen", säuselte Hira. "Und jetzt verpiss dich bevor ich dir deinen kleinen Schwanz und deine Grapscherfinger rausreiße."

Liam starrte Hira an, genauso wie ich sie anstarrte. Mir dämmerte, was vielleicht passiert sein könnte. Ich spürte, wie Zorn und Verwirrung mir aufstieg. Dann sah ich wieder zum Typen hin, zu seinen schmierigen, dunklen Haaren und seinem pickligen Gesicht.

Dann ging alles ganz schnell. Er trat einen Schritt auf sie zu, seine beiden Freunde stellten sich rechts und links von ihm auf, Liam packte Hira am Arm und wollte sie hinter sich schieben, doch sie riss sich los und starrte den Typen an, als würde sie jeden Moment auf ihn zustürmen.

Zeit, den Spaß zu beenden.

Das Glas der Straßenlaterne über uns zerbarste in tausend Stücke. Alle hielten inne in ihrer Bewegung, als die Scherben auf uns hinunter regneten. Auf alle prasselten sie herunter, schnitten hier und da in die Haut hinein. Erschrockene Schreie ertönten. Nur Hira und Liam umgingen die Scherben.

Es war augenblicklich dunkel in der Gasse. Das war die letzte Chance, um wegzulaufen.

Niemand sprach mehr ein Wort, aber alle atmeten schwer oder schoben sich die Scherben von den Kleidungsstücken.

Wenn dieser Typ meinem Schützling etwas angetan hatte, dann wollte ich ihn dafür am liebsten leiden sehen.

Ich trat zwei Schritte vorwärts und legte meinen Mund an Micks Ohr, wispernd, flüsternd, sodass nur er es hören konnte.

"Lauf."

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