𝐗𝐈𝐗 𝐃𝐚𝐬 𝐌𝐞𝐞𝐫
...𝐡𝐚𝐭 𝐝𝐢𝐞 𝐌𝐚𝐜𝐡𝐭 𝐮𝐧𝐬𝐞𝐫𝐞 𝐒𝐨𝐫𝐠𝐞𝐧 𝐝𝐚𝐯𝐨𝐧 𝐳𝐮 𝐬𝐜𝐡𝐰𝐞𝐦𝐦𝐞𝐧
Ich war glücklich und zufrieden und vollkommen. Wenn ich an Milan dachte, dann prickelten meine Lippen. Es brannte ein Feuer in mir, ohne mich zu verbrennen. Die Flammen loderten friedlich und erwärmten meinen Körper. Und immer wenn ich an seine schokobraunen Augen dachte, goss ich weiteres Öl ins Feuer.
Nichts desto trotz trennten uns mehr als Welten. Milan glaubte mittlerweile, dass ich der Grund sei, weshalb er am Leben festhielt, doch er durfte sich nicht auf diesen Gedanken versteifen. Ich würde ihn mehr als gerne bei mir behalten, doch ich glaubte daran, dass ihn auf der anderen Seite viel bessere Zeiten erwarteten. Es wäre nur egoistisch ihn hier zu halten, obwohl das Paradies auf ihn wartete.
Unbeabsichtigt hat mir sein Gesichtsausdruck mehr verraten als er jemals preisgab. Als ich über Dino gesprochen hatte und das Wort Bruder erwähnte, ballte sich seine Hand zur Faust und sein Gesicht erstarrte. Genauso schaute er das letzte Mal als ein Messer in seine Brust fuhr. Bei dem Gedanken zuckte ich zusammen. Ihn bluten zu sehen, ertrug ich nicht. Mein ganzer Körper schüttelte sich in der Hoffnung, der Alptraum würde von mir abfallen.
Ich flüchtete in das Hier und Jetzt. Der weiße Kieß kitzelte zwischen meinen weiß lackierten Zehen. Theo planschte im Wasser, während ich vor Friedas Strandmuschel lag. Sie beobachtete ebenfalls unseren Freund. Er zog ein niveauloses Spiel ab. Angeblich wollte er das Windsurfen üben, doch alles was er tat, war sich auf dem Board liegend zu den Frauen treiben zu lassen, um diese aus dem Gleichgewicht zu bringen. Wenn sie dann ins Wasser fielen, half er ihnen wieder hinauf. Das genoss er sichtlich. Ich schüttelte den Kopf.
An jenem Tag ließ die Sonne uns besonders heiß grüßen. Beim nächsten Griff zu meiner Wasserflasche stellte ich mit Bedauern fest, dass diese nur noch maximal drei Schlucke beinhaltete. Das brachte mich zum Schnauben. Die nächste Bar befand sich gleich hinter uns, doch wegen einem bestimmten Kellner würde ich mich nicht wagen hinzugehen.
Ich war noch vor fünf Uhr morgens aus seiner Wohnung geeilt und ignorierte seitdem alle Nachrichten und Anrufe.
Vorsichtig schielte ich nach hinten. Er lehnte an der Theke mit dem Rücken zu mir und unterhielt sich mit seiner Chefin. Mein Verhalten ihm gegenüber war alles andere als fair. Nelio hatte sich bemüht. Als hätte er die Blicke auf seinem Rücken gespürt, drehte er sich um. Seine Augen fanden sofort zu meinen. Ich hatte ihnen das Leuchten genommen. Er wirkte nur halb so energisch, wie der Mann, den ich kennenlernen durfte.
Weil ich mein letztes Stück Würde nicht auch noch verlieren wollte, winkte ich ihm zu. Meine Mundwinkel sackten hinunter als er sich einfach wieder umdrehte. Meine Hand sank ebenfalls und versteckte sich beschämt in der anderen.
"Mehr als fünf Minuten hälst du es mit einem Menschen nicht aus, der dich wirklich näher kennenlernen will, oder?" Die Schärfe in Friedas Stimme wirkte wie ein Fausthieb in den Magen, doch davon sollte sie nichts merken. Ich zog die Sonnenbrille von meinem Kopf auf meine Nase und lehnte mich wieder lässig auf die Ellenbogen. "Was meinst du?" Sie schnaufte genervt. "Du siehst aus als hättest du die ganze Nacht nicht geschlafen, mehrere um ehrlich zu sein. Was ist zwischen Nelio und dir passiert?", wollte sie wissen, dabei gefiel mir ihr fordernder Ton überhaupt nicht. "Wir haben einen schönen Abend miteinander verbracht. Was soll denn passiert sein?", tat ich auf ahnungslos.
"Emi, ich bin nicht dumm. Er ignoriert dich und du bist nach Hause gekommen, da war es noch dunkel." Mir fiel dazu nichts mehr ein, also schwieg ich. Es ging sie doch auch gar nichts an, wenn ich jemanden abservierte.
"Wow und das war's schon wieder. Du blockst ab. Nie lässt du jemanden an dich heran, oder heulst dich mal aus. Wir sind doch Freunde. Wieso können wir keine tiefsinnigen Gespräche führen?! Du weißt doch auch alles über mich", schimpfte sie drauf los. Da sie sonst als unser Ruhepol galt, überraschte mich ihre Reaktion. "Ich will nichts von Nelio und bin gegangen. Er ist nur eine kleine Urlaubsgeschichte. Warum sollte ich jedes kleine Wehwehchen mit dir teilen? Das bin nicht ich. Manchmal muss man einfach drüber stehen und nicht rumheulen", verteidigte ich mein Benehmen. Allein schon als die Wörter 'kleine Urlaubsgeschichte' fielen, wusste ich wie falsch meine Aussagen daherkamen.
"Manchmal", wiederholte sie und lachte dabei verächtlich. "Du redest nie über deine Probleme und irgendwann werden diese sogenannten Wehwehchen dich verschlucken!" Und so wie sie es mir gerade entgegen spuckte, wünschte sie es mir sogar.
Ich hatte mich Milan anvertraut. Und das reichte mir. Meine Welt sollte meine Welt bleiben und das sollte eine Freundin doch akzeptieren können.
"Dann ist das so." Ihr Kopf verfärbte sich in ein knalliges Rot. "Kannst du mir bitte die Nummer von diesem Stadtführer geben? Ich habe noch Fragen", riss ich mich komplett aus dem Kontext. "Willst du schon dem nächsten Typ einen Korb geben?", brachte sie einen Spruch, der vermutlich auch meine Wangen rötete. Sie stimmte mich rasend. Wenn sie doch nichts verstand, dann konnte sie doch ihre Klappe halten! "Leck mich Frieda!"
Zu meiner Verwunderung hörte ich einen Reißverschluss. Ich sah sie nicht mehr an, weil auch ich sauer war. Das durfte sie ruhig wissen. Im nächsten Moment knallte ein Papierknöllchen gegen meinen Kopf.
Die Fremden hier hielten uns bestimmt für zwei Pubertierende. Für eine Sekunde schenkte ich ihr meinen Todesblick, dann ging ich mit dem Knöllchen den Strand entlang.
Aus der Reichweite meiner sogenannten Freundin, wählte ich die Nummer. Ich hoffte, sie hatte mir in ihrer blinden Wut wenigstens die richtige gegeben.
Als ich die Stimme von Luka, dem Reiseführer erkannte, atmete ich erleichtert aus. Er grüßte schlicht mit seinem Vornamen und wie er helfen könne.
"Hallo Luka, ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnern kannst, aber hier ist Emiliana", stellte ich mich nochmal vor. Ich setzte mich ans Ufer und streckte meine Füße den Wellen entgegen. "Ahhh die Besitzerin des Geisterhauses", rief er in den Hörer. Ja, genau die, stellte ich zu meiner eigenen nicht vorhandenen Begeisterung fest.
"Ich glaube, mein Problem könnte gelöst werden, wenn wir den Rest der Familie finden. Nach unserer letzten Begegnung hatte ich das Gefühl, du weißt mehr, als du zugegeben hast."
Eine Weile folgte nur Stille. Kurz befürchtete ich, dass Luka aufgelegt hatte, doch ich lauschte noch immer seinen ruhigen Atemzügen.
"Da muss ich dich enttäuschen. Viel mehr weiß ich wirklich nicht, aber wir können gerne nochmal reden."
Besser als nichts, tröstete ich mich.
"Wann hast du Zeit?", wollte ich wissen. "Gleich heute Abend", gab er zurück. "Kennst du die Mokka Beach Bar?" Zu meinem Pech war es die einzige Location, die ich beim Namen kannte. "Natürlich. Um sieben werde ich da sein." Und ich würde auch dort sein, für Milan. "Bis dann", verabschiedete ich mich.
Wie gerne würde ich in einem Traum leben, in dem Milan nun von hinten an mir vorbei läuft und mich mit sich ins Wasser zieht. Ich würde in der Tiefe meine Beine um seine Taille schlingen, seine Küsse genießen und die Wellen würden unsere Sorgen davon spülen.
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