𝐈𝐕 𝐓𝐫𝐚̈𝐮𝐦𝐞

...𝐚𝐮𝐬 𝐝𝐞𝐫 𝐑𝐞𝐚𝐥𝐢𝐭𝐚̈𝐭

Kurz nachdem ich mein Augen schloss, erwachte ich wieder am Strand. So begann einer meiner schrecklichsten Alpträume.

Ich blickte zum Wasser. Es war schwarz und unruhig. So als würde es alles verschlucken, was sich nur in seine Nähe wagte. Unterbewusst, befürchtete ich einen Alptraum, in dem ich gleich von einem Tsunami erfasst werden würde.

Doch so weit kam es nicht. Leider nicht. Ich wandte mich ruckartig Richtung Stadt. Der Blick lag frei auf das weiße Gestein der Mauer und der Gebäude, die auf dem Berg in die Höhe ragten. Heute Nachmittag hatten die Fassaden geleuchtet. Und jetzt lag die Sonne im Verborgenen und die Silhouette der Stadt umgab ein undefinierbarer schwarzer Schleier.

Ich schluckte im Unmut, welcher Sturm da auf mich zukommen würde.

Da ich noch keinen anderen Weg kannte, nahm ich den gewohnten zum Haus. Daraufhin bereute ich schon, einen Schritt durch die Stadtmauer gesetzt zu haben.

Auf dem Weg durch die verwinkelten Gassen, die sonst so einen Charme mit ihren Cafés versprühten, drängelten sich unzählige Schatten von Mensch. Männer und Frauen, die flüchteten und das ohne ein Gesicht. Egal wie genau ich hinsah, ich sah nur ihre Farbe der Haut. Mich überkam eine Gänsehaut und ich legte meine Arme unwillkürlich um meinen Körper.

Ich wollte einfach stehen bleiben und sie an mir vorbei rauschen lassen, doch sie rämpelten, schubsten und schoben mich so mit sich. "Hört bitte auf", flüsterte ich, ohne etwas zu beeinflussen. Manchmal versuchte ich mich direkt an einen Körper zu wenden, doch sie zogen viel zu schnell an mir vorbei. "Hallo, was ist hier los?", probierte ich es lauter und auch panischer, aber irgendwas sagte mir, dass dieses Geschehen hier nicht verändert werden konnte.

Selbst wenn ich schreien, oder mit Steinen um mich werfen würde. Diese Menschen liefen weiter, von ihrer Angst getrieben. Ich konnte es von ihren Körpern ablesen. Ihre Bewegungen schienen unkontrolliert. Sie überschlugen sich regelrecht. Mir war nur der Ursprung ihrer Furcht unergründlich. Hinter uns verdichtete sich nur der dunkle Schleier.

Die Ungewissheit bedrückte mich persönlich am meisten, vielleicht auch die anderen? Aus einem Reflex heraus, presste ich meine Lider aufeinander, ganz in der Hoffnung, gleich wieder in meinem gemütlichen Bett zu erwachen.

Die Bilder blieben die gleichen, auch nach dem zweiten und dritten Versuch. Wo sollte dieser Traum mich hinführen?!

Ohne es aktiv zu bemerken, näherten wir uns meiner aktuellen Wohngegend. Ich schaute einige Male durch die Straßen, um es zu erkennen. Da standen Häuser, die vorher nicht da waren und andererseits gab es leere Stellen, von denen ich wusste, dass dort sonst ein Gebäude stand. Es handelte sich nicht ganz um das Dubrovnik, welches ich kennen und lieben lernte.

Für einen Moment, atmete ich erleichtert aus. In der Ferne erkannte ich mein bereits getrautes Heim. Nun nahm auch ich meine Beine in die Hand und bewegte mich schneller. Endlich hatte ich ein Ziel vor Augen, dass mich retten sollte.

Ich stockte und diesmal verwurzelte ich mich im Boden, so dass keiner mich von der Stelle zwingen konnte. Während alles und jeder einem schwarz-weiß Film entsprang, stach das rote Blut heraus. Es floss in Strömen von der kleinen Mauer, die unseren Garten stützte. In mir keimten Sorgen auf, von denen ich nicht fähig war, sie zu beschreiben.

Ich rannte erneut los, direkt auf die Mauer zu. Als ich über sie hinweg sah, traute ich meinen eigenen Augen nicht.

Jemand hatte einen jungen Mann an der Außenwand fest genagelt. Er hing dort wie Jesus am Kreuz. Das Blut, es war überall an ihm. Ich schaffte es nichtmal zu identifizieren, wo genau er verletzt war. Es wunderte mich, dass er im Gegensatz zum Rest ein menschliches Gesicht besaß.

"Bitte helft mir", krechzte er der Masse hinterher. Keiner würde dem jungen Kerlchen noch helfen können. Mein Herz erfuhr einen Stich.

Die flüchtenden Menschen verwandelten sich in durchsichtige Lichter, die ich nur noch als Windzüge wahrnahm. Dafür wurde seine Person immer deutlicher.

Ich kletterte die kleine Mauer hoch, weil ich mich verpflichtet fühlte ihm zu helfen. Auch wenn diese Hilfe nur darin bestand, ihn nicht alleine von dieser Welt gehen zu lassen.

Er verstummte. Seine glasklaren braunen Iriden verfingen sich mit meinen.

Die Welt um uns schien in einer Rauchwolke unterzugehen, doch da gab es plötzlich nur noch uns. Und der Untergang hatte keine Bedeutung mehr. Ich näherte mich dem Fremden. Er blutete, aber er starb nicht mehr. Ein glatter Schnitt zog sich von seinem Ohr über seinen Hals, bis zu seiner Brust. Unzählige Stiche löcherten seinen Bauchraum. Mehrere Nägel steckten in seiner Hand und an den Armen entlang.

Wie konnte ein menschliches Wesen einem anderen sowas antun?!

Mir schossen Tränen in die Augen, die ich schnell wegblinzelte. Viel zu sehr, wollte ich jede noch verbleibende Sekunde nutzen, um ihn zu sehen.

Er war der junge Mann von dem Foto. Seine tief-braunen Augen hätte ich überall erkannt. Und ich wäre wieder und wieder in ihnen abgetaucht.

Ruhe umhüllte uns, als sich mein Arm wie von selbst hob, um seine Wange zu berühren. Es schien mir zu real, um ein Traum zu sein. Eine Berührung wäre mehr gewesen als alle Antworten.

Ich spürte die rauen Stoppel seines Bartes und die Wärme, die von ihm ausging, darauf durchzog mich die Eiszeit. Mein Körper erstarrte zum Stein. Mir war, als hätte ich was Verbotenes getan. Alles wich einem satten schwarz und ich öffnete meine Augen erneut.

Der Alptraum fand ein Ende. Unter mir befand sich eine weiche Matratze. Die Heuschrecken zirpten durch das offene Fenster und der Mondschein warf gleichermaßen Licht und Schatten in mein Zimmer.

Ich saß kerzengerade auf meinem Bett, aber er stand noch immer vor mir. Und er starrte mich genauso an wie noch vor Sekunden in meinen Träumen.

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