𝐈𝐈 𝐮𝐧𝐝 𝐝𝐚𝐬 𝐞𝐫𝐬𝐭𝐞 𝐌𝐚𝐥
...𝐝𝐚𝐬𝐬 𝐝𝐞𝐢𝐧𝐞 𝐀𝐮𝐠𝐞𝐧 𝐦𝐞𝐢𝐧𝐞 𝐒𝐞𝐞𝐥𝐞 𝐛𝐞𝐫𝐮̈𝐡𝐫𝐭𝐞𝐧
-𝟑𝟎.𝟎𝟓.𝟐𝟎𝟏𝟓-
Das Schicksal höchstpersönlich reichte mir die Hand, um mich über die Straßen in den Süden zu führen.
Erstaunlicherweise waren auch Theo und Frieda begeistert von der Idee eine Auszeit zu nehmen und zu verreisen. Theo kutschierte uns mit seinem alten Opel nach Kroatien.
Ich tippte die Woche zuvor einfach auf einen beliebigen Punkt südlich der Europakarte. Einen längeren Weg konnten wir der älteren Karre namens Ferdinand der Zweite auch nicht zumuten.
Die Berge waren schon lange an uns vorbei gezogen, sowie das türkis-blaue Wasser der Küste.
Nun stand ich hier auf einer Terrasse, mitten in Dubrovnik. Die Fliesen in Terrakotta kühlten meine geschwollenen Füße, während ich das Salz aus der warmen Luft schmecken konnte.
Ich blinzelte der untergehenden Sonne entgegen. Im natürlichen Licht tauchten die rötlichen Nuancen meiner schokobraunen Augen auf. Das wusste ich. In Deutschland saß ich im Sommer gerne vor dem Spiegel, nur um dieses Spektakel zu beobachten. 'Eingebildet' konnte ich, zumindest manchmal.
Meine Iriden waren jedoch nichts gegen das Bild welches sich vor ihnen bot. Die Dächer der Stadt ergossen sich vor mir wie ein orangenes Mosaik. In der Ferne trennte ein kontrastreiches Meer die Häuser von dem goldenen Horizont. Sowas hatte ich noch nie zuvor gesehen. Zumindest weckte nie zuvor etwas solche Gefühle in mir.
Ich bin ängstlich, weil ich diesen Ort nie wieder verlassen möchte.
Genau das würde ich in mein Stimmungstagebuch eintragen. Und als müsste mein Körper es unterstreichen, krallte ich mich in das eiserne Geländer. Eine Gänsehaut wanderte über meinen Körper. Wie lange sollte es dauern, jeden einzelnen Stein in dieser Stadt umzudrehen? Denn dazu war ich plötzlich bereit.
Mittlerweile musste ich an Ort und Stelle zur Statue mutiert sein. Denn als die Sonne schon längst verschwunden war, zuckte ich zusammen.
"Dein ganzes Gepäck ist noch im Auto", stellte Theo lautstark fest als er aus dem Haus trat. "Manche brauchen eine Verschnaufpause nach einer vierundzwanzig-stündigen Fahrt", verteidigte Frieda mich, die kurz nach Theo hinter den Vorhängen erschien. In ihren Händen hielt sie einen Hugo und drei Sektgläser.
"Oder Alkohol", scherzte mein bester Freund. Er streckte seine Zunge spitzbübisch in Friedas Richtung. Diese lugte nur mürrisch hinter ihren tiefschwarzen Haaren hervor, ehe sie den unhöflichsten aller Finger hob.
Deren Verhalten brachte mich zum schmunzeln, wie so oft. Sie waren das komplette Gegenteil voneinander und dennoch unzertrennlich. Er nannte sie liebevoll Emo und sie ihn wütend Whopper, oder Big Mac und manchmal auch Big Tasty. Bald würden wir die ganze Karte durch haben... Wie ich die beiden doch liebte.
Wir ließen uns auf den gemütlichen Flechtstühlen nieder.
Der erste Schluck des leichten Alkohols stieg mir bereits in den Kopf. Das mochte vermutlich daran liegen, dass der letzte Chicken Nugget einen halben Tag her war. Allgemein lag mir Alkohol noch nie, weswegen ich meine Zigaretten zückte.
"Ladies, ich habe das Gefühl uns stehen unglaubliche Zeiten bevor. Wenn die Frauen so schön sind wie der Strand, dann..." Theo und seine Phantasien. Frieda und ich verdrehten fast synchron die Augen.
"Und wenn jemand fragt, ihr seid meine Schwestern. Beste Freundinnen sind ein absoluter Abturn."
"Keine Sorge, ich werde mich nicht einmal in deiner Nähe aufhalten." Dabei schüttelte Frieda den Kopf.
Theo würde wahrscheinlich keine Gelegenheit bekommen, eine Bekanntschaft zu machen. Er entsprach leider Gottes nicht dem Schönheitsideal, welches nebenbei immer ausgeprägter wurde. Fast alle Männer und Frauen ähnelten sich doch mittlerweile... Undercuts, dicke Lippen und Sanduhren-Silhouetten.
Jeder wie er will, aber eine Schande für die Frauen, die niemals ein Platz in Theos goldenem Herzen erhalten würden.
"Geht auch Stiefschwester?", fragte ich mit wippenden Augenbrauen.
"Wag's dich nicht, Emi!" Aus Empörung schob er seine Brille zurecht.
Es tat so gut hier draußen zu sitzen, dass ich vom Gespräch abschweifte. Dann zog ich an der Zigarette, schloss die Augen und mein Kopf schwebte nur noch irgendwo im nirgendwo. Ich war sogar soweit zu sagen, dass es sich wie Zuhause anfühlte und ich Frieda und Theo als meine Gäste begrüßen durfte.
"Frau Doktor unterziehst du dich gerade selbst einer Gehirnwäsche, oder hast du Gras in deine Zigarette gemischt? Wenn ja, muss ich das wissen. Ich bin noch viel zu jung und schön, um in den Knast zu kommen."
Theo riss mich aus dem Zustand der vollkommenen Harmonie. Frieda nippte an ihrem Glas und versuchte sich wie bereits vor einer halben Stunde schon wach zu halten.
"Das Erbe meiner Oma würde nicht nur für diese Reise reichen. Eigentlich könnte ich das Haus auch kaufen. Die Häuser hier kosten doch nicht so viel." Meine Gedanken verließen mehr versehentlich meinen Mund. Das bemerkte ich erst als Frieda mir ihren letzten Schluck entgegen spuckte.
Theo richtete sich sofort prustend an meine beste Freundin. "Ich habe dir doch gesagt, schlaf nicht, sondern lenk sie ab. Immer wenn sie so leise wird und dann zu sprechen beginnt, will ich gar nicht wissen, was genau sie da sagt!"
"Emi scherzt doch nur!", rief sie aufgebracht und ich winkte mit meinen Armen vor ihren Gesichtern herum. "Hallo, ich bin anwesend!"
"Das war doch nur ein Scherz, oder?", widmete sich Frieda verunsichert und wieder super wach direkt an mich.
Ich zuckte nur mit den Schultern. Konnte gut möglich sein, dass mich der Moment einfach überwältigte. Vielleicht lag es auch am Schlafmangel. Etwas in mir sagte mir nur, dass ich bereits ein Entschluss gefasst hatte. Einen, der sich auch am nächsten Morgen nicht ändern würde.
"Meine Oma sagte einst, dass ich etwas in Kauf nehmen muss, um glücklich zu werden. Leute, ich nehme ihre Worte wortwörtlich! Wie könnte ich auch anders."
Die blauen Augen meiner Freundin blickten mir kugelrund entgegen wie die eines Uhus.
Theo blinzelte noch einige Male, ehe er sein loses Mundwerk wieder fand.
"Man, man Emi... Also meine Oma sagte mir einst: Lehrer haben selbst die schlimmsten Kinder, Architekten die krummsten Häuser und ich füge noch hinzu, Psychologen die schlimmsten Hirngespinste."
"Haha... Hat deine Oma auch etwas dazu zu sagen, Frieda? Wenn nicht, verabschiede ich mich jetzt in mein Bett." Die Angesprochene schüttelte nur ihren schwarzen Bob und der lachende Theo kassierte im Vorbeigehen noch einen Klapps auf den Hinterkopf.
Ich holte noch schnell meine Koffer rein und schmiss die Kleidung ohne jegliches Gespür für Ordnung in den Kleiderschrank.
Als mein Handy auf dem Nachtisch landete, wackelte dieser und es gab nichts was ich mehr hasste als Möbel die nicht still halten konnten.
Schnaubend musste ich mich noch einmal hinknien. In der Hoffnung, es würde das Problem beheben, hob ich das Holzschränkchen an und schob den beigen Läufer darunter.
Natürlich blieb mir an jenem Abend nichts erspart und eine Schublade fuhr auf und krachte direkt gegen meine Stirn. "Auaaa", stöhnte ich, während ich mir die schmerzende Stelle rieb.
Entweder ich sah Sterne, oder irgendwas in dem Fach reflektierte die Lichter der LED-Lampen. Ich vermutete eher Zweiteres, obwohl ich Ersteres nicht ausschloss.
Vorsichtig tastete ich das Fach ab und zog ein Papier heraus. Kein Papier, eher ein Foto. Es glänzte, wie neu. Als hätte es vor mir noch nie jemand berührt.
Da stand eine Frau mittleren Alters und lachte aus tiefstem Herzen. Ihre Hände ruhten auf den Schultern eines jungen Mannes, der kaum volljährig sein durfte. Und in seinen Armen hielt er ein kleines properes Kind, dass noch nichtmal alle Zähne besaß.
Mein Finger streichelte über deren Züge als hätten die unbekannten Gesichter eine Bedeutung für mich.
Sie wirkten so harmonisch, glücklich und stark zusammen. Für einen kurzen Moment wollte ich sogar ein Teil von ihnen sein. Ob sie einst hier lebten? Oder vielleicht auch eine der ersten Touristen waren? Aber wieso ließen sie so ein Bild voller Liebe hier liegen?
Mein Blick verweilte auf dem älteren Jungen. Er besaß solch eine ruhige Ausstrahlung. Das verdankte er wahrscheinlich seinen unendlich dunklen Augen. Sie mussten braun sein. Natürlich konnte ich das Dank fehlender Farbe und Qualität nur erahnen.
Das Bild gehörte hier her. Auch wenn ich die Chance bekommen würde, das Haus zu erwerben. Das Foto sollte in dieser Schublade bleiben. Dort legte ich es auch wieder rein. Zwar hatte ich es so nicht mehr vor Augen, doch im Bett, unter verschlossenen Lidern, hatte es sich in kürzester Zeit in meine Gedanken eingebrannt.
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