𝐗𝐗 𝐃𝐚𝐬 𝐉𝐞𝐧𝐬𝐞𝐢𝐭𝐬

...𝐞𝐢𝐧 𝐒𝐩𝐢𝐞𝐥 𝐦𝐢𝐭 𝐝𝐞𝐦 𝐅𝐞𝐮𝐞𝐫

Ich ging alleine schwimmen und begab mich auch nicht mehr an unseren Platz. Wenn ich müde wurde, setzte ich mich ans Ufer zurück. Irgendwann brachte mir Theo meinen Rucksack und verabschiedete sich. Er und Frieda würden nochmal zum Haus gehen, um sich frisch für das Abendessen zu machen. Darauf verzichtete ich, weil ich das Generve meiner zickigen Freundin nicht mehr ertrug.

Meine Füße versanken in den kühlen Steinchen des Strandes. Die Sonne wärmte sie nicht mehr und auch mir war zugegeben etwas kalt. In Kroatien wehte zu Zeiten ein eisiger Wind. Er brachte Wolken mit sich, schwer und grau. Ein Gewitter schien sich anzukündigen und die hatten es hier in sich. Dieses Land bestand aus zwei Gesichtern, eines zweifellos schön und das andere barbarisch.

Ich hätte Schutz unter den Schirmen der Mokka Beach Bar suchen können, doch dann wäre Nelio mein Kellner gewesen. Er schuftete nun schon den ganzen Tag und das nur wegen mir. Weil ich ihn am vorigen Tag gebraucht hatte und ihn nun im Stich ließ. Ich wusste es war feige, doch ich wollte die Strandbar nicht alleine betreten. Deswegen wartete ich geduldig auf Luka, der sich um fast zwanzig Minuten verspätete.

"Guten Abend, Emiliana. Es ist schwer irgendwo pünktlich anzukommen, wenn jeder Zweite einen anspricht." Er war außer Atem als er kurz die Kappe absetzte und sich mit der Hand durch die wilden Locken fuhr.
"Also bist du eine richtige Berühmtheit hier in Dubrovnik", stellte ich fest und zwinkerte ihm zu.
"Ja,ja...so ähnlich vielleicht." Er schien beruhigt, dass ich ihm seine Verspätung keinesfalls übel nahm.

Ohne meine Ängste, die er auch gar nicht kannte, zu berücksichtigen, setzte er sich gleich an den nächsten Tisch. Für das Abendessen war es noch zu früh, weswegen wir fast als einzige im offenen Lokal saßen. Ich versteckte mich sofort hinter der großen Menükarte. Viel Erfolg versprach ich mir davon nicht, doch ich fühlte mich sicherer, allein schon wegen der Tatsache meine Hände in etwas krallen zu können.

"Hallo, darf ich Ihnen schon etwas bringen?" Nelios Stimme zeigte keinerlei Emotionen und ein kurzer Blick auf ihn verriet mir, dass er den Aschenbecher zwischen Luka und mir fokussierte. Der Stein in meinem Magen wurde schwerer, weil ich es vermisste sein Mittelpunkt zu sein. Seine eisblauen Augen, die zustachen wie scharfe Schwerter, fehlten mir.

"Einen schwarzen Kaffee ohne Zucker, bitte", bestellte Luka. "Und ein Eiskaffee, bitte", fügte ich hinzu. Er ging, ohne mich einmal angesehen zu haben.

Luka zündete sich eine Zigarette an und ich brauchte auch dringend eine.
Der erste Zug beruhigte meine Nerven und brachte gleichzeitig meine Neuronen in Schwung.

"Wieso wolltest du dich treffen? Tyrannisiert dich dieser Geist?" Luka kam gleich zum Punkt. Ich wusste nicht genau was mich antrieb, doch ich wollte ausnahmslos ehrlich zu ihm sein. Wir kannten uns nicht. Er hielt mich nicht für verrückt und glaubte mir sogar. Außerdem, je mehr Details ich ihm nannte, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass er mir helfen konnte.

"Er kann mit mir reden. Milan Pavlovic. Und nein, er tyrannisiert mich nicht, aber er kann diese Welt nicht alleine verlassen. Wir müssen ihm helfen", klärte ich ihn über meine Lage auf. Luka hing dabei von Anfang an gebannt an meinen Lippen.

"Wow... Weil so viele Menschen mich auf dieses Spukhaus angesprochen haben, habe ich auch angefangen zu recherchieren. Ist es nicht interessant?" Das traf es nicht annähernd. Es war auch überwältigend und angsteinflößend, aber Luka musste ja nicht dort leben.
Seine grün-braunen Augen leuchteten regelrecht bei dem Thema, während mein Braun mit jedem weiteren Tag verblasste.

"Was hat er dir erzählt?", wollte Luka wissen und ich zählte ihm mein ganzes Wissen auf; das Milan ein liebenswerter Mann war, er von drei Männern abgestochen wurde, bevor man ihn zum ausbluten wie Jesus an die Fassade hängte und auch, dass er seiner Mutter und dem Bruder zur Flucht verhelfen konnte.

Luka rieb sich in Gedanken über sein glattes Kinn. "Frau Pavlovic und ihr kleiner Sohn sind tatsächlich im Fluchtzentrum registriert worden. Von dort aus sind sie ins Ausland geflohen. Höchstwahrscheinlich nach Italien, Österreich, oder sogar Deutschland. Sie haben vermutlich ihre Namen geändert. Ich kann seitdem keine Spur mehr verfolgen", gab er zu, das Mitgefühl in seine tiefe Stirnfalten geschrieben.

Dann lebten sie wahrscheinlich noch. Zumindest eine gute Nachricht. Nur würden wir sie niemals finden und somit auch Milan für immer seiner Verdammnis überlassen. Ich rieb mir über das Gesicht. Alle Muskeln spannten schmerzhaft unter meiner Haut. Ich fühlte mich ausgelaugt und fertig.

"Du hast ein gutes Herz, Emiliana. Dass du diesem jungen Mann helfen willst, seinen Frieden zu finden ist toll." Luka dachte nach, ehe er fortsetzte "aber verliere dich nicht im Jenseits. Der Kontakt zur anderen Seite endete noch nie gut." Genau das machte es ja so schwer. Ich konnte mich nicht mehr von Milan fernhalten, auch wenn es sich nicht richtig, oder sogar unnatürlich anfühlte.

"Ich versuche es. Danke, dass du gekommen bist, Luka." Ein müdes Lächeln zierte meine Wangen. "Kein Problem", winkte er ab. Wir tranken noch unsere Getränke fertig, dann verabschiedete sich der Reiseführer.
"Halt mich auf dem Laufenden", rief er mir im Gehen noch zu.

Zu einem Gewitter war es nicht gekommen. Keine Ahnung, ob noch viele Wolken am Himmel standen. Er hatte selbst ein dunkles Grau angenommen. Ich saß noch eine Weile alleine da, so ziemlich am Ende.
Das einzige was mir Gelassenheit verschaffte, war die Musik. Ich genoss die einheimische Melodie, die an jenem Abend, den Raum schmückte.

Nelio wischte den Tresen. Er sah zum ersten Mal aus wie eine Person, die zu viel arbeitete. Oder wie ein Kellner, den ich ungerne angesprochen hätte und mich stattdessen gefragt hätte, wieso er diesen Job machte, wenn es ihm doch keinen Spaß bereitete.

Allerdings kannte ich die Umstände. Ich wusste, was ihm so zu schaffen machte. Also ging ich, die Ursache höchstpersönlich an die Bar, zumindest bis ein blondes Mädchen sich vor mich drängelte. Geduldig lehnte ich meine Arme auf das helle Holz und wartete, bis sie ihre Bestellung aufgab, doch das tat sie nicht.

"Ist es okay für dich, wenn ich den Abend hier bei dir verbringe?... Du siehst wirklich gut aus, sorry", säuselte sie zuckersüß, gekrönt von einem schrillen Lachen. Ich zwang mich dazu, meinen Blick starr nach vorne zu richten und ja nicht zu den beiden. "Ich fühle mich wirklich geschmeichelt, aber meine Freundin hier würde das wahrscheinlich nicht so toll finden." Ich hörte Schritte und dann legte sich ein warmer Arm um meine Schultern. Egal wie schwer Nelios Muskeln wogen, ich verspürte Erleichterung.

"Ups, das tut mir leid. Viel Glück euch beiden." Das Mädel verschwand noch während sie vor sich hin plapperte. Ich schaute an seiner Brust entlang über seinen Hals, zu seinem Gesicht.
Sein gespieltes Grinsen wich wieder der ernsten Miene. Er löste schlagartig seinen Griff und wischte dann weiter den Tresen. Mich durchfuhr eisige Kälte und ich wünschte mir instinktiv seine Nähe zurück. Seine Freundin zu sein, hatte sich für keine Sekunde befremdlich angefühlt, auch wenn es nur eine Notlüge war.

"Passiert dir das öfter?", versuchte ich die Stimmung aufzulockern. "Ja, ganz im Gegensatz dazu, morgens alleine aufzuwachen, obwohl abends noch eine Frau neben mir eingeschlafen ist. Das ist ja okay, aber dann ignoriert sie mich auch noch. Ich habe mir Sorgen gemacht, Emiliana! Du bist mitten in der Nacht weg." Nelios Atmung ging schnell. Seine Brust hob und senkte sich schwungvoll. Er schaute mir in die Augen, doch wenn Blicke töten könnten...

"Es tut mir wirklich leid, Nelio! In meinem Leben geht nur gerade so viel ab und ich wollte dich da nicht mit reinziehen." Diese Entschuldigung befriedigte ja nicht mal mich. Und als Nelio seinem Job erneut nachging, wusste ich, dass es auch ihn nicht überzeugte.

"Ich wollte alles aus diesen zwei Wochen rausholen. Mich entspannen, feiern, Leute kennenlernen, mein Zuhause vergessen und jetzt bist da nur noch du. Die ganze Zeit denke ich Vollidiot nur an dich. Merda!", fluchte er abschließend, indessen der Lappen in seinen Händen meterweit über den Boden flog.

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