𝐗𝐕𝐈𝐈 𝐓𝐚𝐬𝐭𝐛𝐚𝐫
...𝐡𝐨̈𝐫𝐛𝐚𝐫, 𝐬𝐢𝐜𝐡𝐭𝐛𝐚𝐫
Die Wut flog davon mit dem Glas. Übrig blieb nur der Schock. Ich hatte die kalte Oberflächliche für eine kaum vorhandene Zeit an meinen Fingern gespürt, dann platzte es auch schon auf dem Boden auseinander.
In Emilianas hellbraunen Augen ging auch etwas kaputt. Sie endete wie das Geschirr in Scherben, meinetwegen. Der Mann, der ihre Hand hielt, drückte sie noch fester. Ich beneidete ihn, weil er ihren Körper berühren konnte, weil er ihr so nah war, wie ich es niemals sein könnte. Und er half ihr, indem er seinen Körper als Schutzschild für sie einsetzte. Sie verdiente all das, was ich nicht schaffte ihr zu bieten. Woher nahm ich mir also das recht, Dinge durch die Gegend zu schleudern?
Ja, sie hatte mich geküsst, doch vorher musste sie mir beim Sterben zusehen. Sie erschlug einen Mann und erschoss einen anderen. Es wäre untertrieben zu sagen, dass der Kuss aus ihrer Verwirrung heraus entstanden war.
Mein ganzer Körper stand unter Strom. Ein Gefühl, dass ich nur aus Lebzeiten kannte. Emiliana hatte mich verändert, doch vielleicht lag es auch an mir. Ich fühlte Dinge, die ein Toter gewiss nicht fühlen sollte. Doch wie sollte ich anders fühlen? Emiliana hatte das getan, was sie mir als strenges Verbot vorhielt. Ich durfte die Geschichte nicht verändern, mein Schicksal kein anderes werden lassen. Es war sie, die mich rettete; Sie, die alles änderte.
Emiliana bemerkte mich, als einzige und sie fürchtete sich dabei nicht. Nein, sie behandelte mich wie einen echten Mann.
Noch nie hatte ich mich so besitzergreifend an jemanden geklammert, doch der Tod verändert. Und die Person, die meine Einsamkeit nahm und sie mit Sinn füllte, wollte ich nie wieder hergeben. So war der tote Milan, der lebende hatte immer gesagt 'was ziehen will, soll ziehen'.
Jetzt war das Geheimnis um diesen mysteriösen Mann in ihrem Leben gelüftet. Ein Nelio schnappte sich das Mädchen meiner Träume und ich war nicht real genug, um es zu ändern. Nachdem ich die beiden nicht mehr sah, beobachtete ich noch eine Weile ihre Freunde. Sie kehrten die Scherben zusammen und ließen sie auf einem Haufen ruhen. Nicht mal meinen Drang nach Ordnung konnte ich befriedigen.
Die Stunden zogen ins Land und ich stand alleine in der Dunkelheit in ihrem Zimmer. Der Spiegel zeigte kein Bild. Ich kam mir lebendiger vor, doch er bewies mir immer das Gegenteil.
Emilianas dünnes Strickjäckchen hing noch immer an der Tür. Wo auch immer sie war, ich hoffte, sie musste nicht frieren. Meine Finger glitten über den Stoff, blieben an den Nähten hängen und ihr Parfum verschleierte mir die Sinne. Bevor ich sie kannte, schaffte ich das alles nicht, doch die gläserne Scheibe, die meine Welt von ihrer trennte wurde immer dünner.
Ich nahm meinen Mut zusammen und zog an dem weichen Stoff. Er fiel zu Boden. Wieder erschrocken über meine eigenen Kräfte, wich ich einen Schritt zurück und stolperte gegen die Bettkante, auf der ich letztendlich zum Sitzen kam. Alles in diesem Raum nahm Gestalt an. Alles was Emiliana berührte, drang zu mir durch.
Meine Paralyse endete abrupt als Schlüssel gegen die Haustür klimperten. Ich stand auf und begab mich in die Richtung des Geräusches. Emilianas Präsenz füllte den Raum, noch bevor sie ins Haus trat.
Ein kurzer Schrei entfuhr ihr, nachdem sie sich die Schuhe abgestreift hatte und sich dem Flur widmete. Sie stand mir direkt gegenüber und starrte mir mit weit aufgerissenen Augen entgegen. Vom Haaransatz, bis zu den Fußspitzen wanderten ihre Iriden meinen Körper ab. "Du siehst so echt aus", flüsterte sie gedankenverloren. "Steht es mir?" Ich versuchte es mit einem unschuldigen Schmunzeln, doch sowas wie Humor besaß ich nicht. Vielleicht eine sarkastische Ader, aber ganz gewiss keine witzige.
Dass sie in der nächsten Sekunde einfach an mir vorbei marschierte, stellte nur sicher, dass sie wirklich nicht vorhatte mit mir zu reden. Ich folgte ihr, durch die zugeschlagene Tür. Es war der denkbar schlechteste Moment, doch ich fand sie so süß, wenn sie ihre Krallen so ausfuhr. Ein kleiner Terrorzwerg. Mich überkam das größte Glück, weil sie wieder zurückkam, zu mir, auch wenn es ihr scheinbar schlecht ging.
Sie saß auf ihrem Bett, die Beine angewinkelt, während sie ihren Kopf gegen die Wand lehnte. Tonnen schienen ihre Schultern zu belasten.
"Es tut mir leid, dass ich mich so benommen habe", entschuldigte ich mich für mein unangemessenes Verhalten, doch bekam ihrerseits keine Reaktion zurück. "Du bist die erste und einzige, die bei mir ist. Es ist schwer nach all der Zeit mit menschlicher Nähe umzugehen und dann hast du mich den ganzen Morgen zappeln lassen. Dann habe ich dich mit diesem Nelio gesehen und wie er deine Hand gehalten hat und dachte mir, dass unser Kuss nichts gegen diesen einfach Händedruck ist. Es tut mir leid, Emiliana."
Sie öffnete ihre Augen und sah mich an, so sanft wie ein Engel, oder mein Wunder. "Dieses Nichts hat meine Welt ins Wanken gebracht, während Nelio nicht mehr als ein Freund ist und bleibt." Doch damit schien sie nicht zufrieden zu sein. Ich aber. Meine Mundwinkel zuckten, worauf sie nur den Kopf schüttelte, sich allerdings schlagartig versteifte.
"Du lächelst", stellte sie verdutzt fest. "Und jetzt?" Aus meinem wohl erschreckenden Lächeln wurde ein herzhaftes Lachen. "Du hast noch nie so gelächelt, oder gelacht", sprach sie, immernoch irritiert auf meine Lippen fixiert und ich liebte es, wenn sie genau auf diese Gesichtspartie von mir starrte. "Du machst mich glücklich, Emiliana", wurde ich wieder ernst. Jedes Wort meinte ich auch so und sie sollte es wissen.
"Milan... Das ist nicht richtig. Für uns kann es keine Zukunft geben. Du bist tot und ich lebe. Wo soll das hinführen? Es gibt keinen Tag, an dem ich mich nicht frage, ob ich verrückt werde und mir das alles nur einbilde. Es wird nie gänzlich echt sein und das wird mich mindestens meinen Verstand kosten." Ihr Kopf glitt wieder in ihren Nacken. Emiliana kneifte verzweifelt ihre Lider zusammen. Was sie sagte verletzte mich, doch viel mehr schmerzte ihr zermürbter Anblick.
"Ob jemand tot ist, oder lebt, Gefühle sind nichts was man sehen, oder greifen kann. Sie sind da, oder nicht. Und wenn sie da sind, dann sind sie echt", versuchte ich sie zu überzeugen, mir eine Chance zu geben. Die Konsequenzen blendete ich wie ein verknallter Jugendlicher komplett aus.
Ich setzte mich zu ihren Fußspitzen und lehnte mich zu ihr. Meine Finger wanderten von ihren feinen Wangenknochen, über die weichen Wangen und zeichneten die markante Form ihres zarten Kiefers nach. Ihre Hand legte sich plötzlich um meine und sie war kälter als ich.
Ich fühlte alles, ihr Gesicht unter meiner Handfläche und ihre Finger über meinem Handrücken. Sogar die Gänsehaut, welche sich über ihre Haut schlich, blieb mir nicht verborgen.
Unsere Blicke suchten und fanden einander. "Du bist mein Wunder. Versuch zu schlafen und wir werden uns sehen, egal wo und an jedem Ort, den wir uns vorstellen können."
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