8. Kapitel

In der Pause musste Samira noch etwas mit Frau Kyriaki und Herr Orell absprechen, weshalb Karina nun alleine mit Emine auf dem Pausenhof stand.

„Was du da heute Morgen gemacht hast, war echt ... unglaublich!", durchbrach Karina die unangenehme Stille. „Wie kommt es, dass du so gut kämpfen kannst?"

Emine sah das Mädchen verwundert an. „Na, ich bin – rein biologisch betrachtet – Attin! Zuhause behalten wir auch all diese Traditionen gemäß bei. Es wundert mich, dass die Zwillinge, so dumm sind, und ernsthaft eine Attin zum Kampf herausfordern! Ich meine: wissen sie denn nicht, dass wir wahre Meister der Kampfkunst sind?" Empört schüttelte sie den Kopf.

„Wieso lebst du nicht mehr in Aternis?", fragte Karina.

Emine seufzte sehnsüchtig. „Wir sind vor zehn Jahren nach Patia gezogen, um meinen Großeltern zu helfen. Onkel Dalton und Tante Madina hatten wichtige Pflichten in Aternis, weshalb sie dortbleiben mussten. Deshalb half dann unsere Familie unseren Großeltern einfach." Ihr Blick glitt unruhig hin und her, bis sie schließlich an Karinas Smaragdaugen hängen blieben. „Hast du eigentlich inzwischen Sami schon umgestimmt, nach Aternis zurückzukehren?"

„Ja ich-" Karina kniff die Augen zusammen. „Moment, wovon weißt du das? Hat Samira dir davon erzählt?" Doch eigentlich war die letzte Frage unnötig gewesen.

Das bestätigte auch Emine selbst, als sie einige Strähnen um ihren Finger wickelte.

Und mit einem Mal fiel es Karina wie Schuppen von den Augen. „Du warst das!", rief sie aus. „Du hast mir das Körbchen geschickt! Aber wohnst du nicht angeblich so weit entfernt in Kruerno?"

Emine sah sich um. „Schrei doch nicht so! Soll das die ganze Schule erfahren?" Danach fuhr sie mit ruhigem Ton fort: „Ja, ich habe dir meine Nachrichten zukommen lassen. Und ich wohne in Kruerno! Ich habe nur ... gute Boten!", stellte sie klar. „Jedoch hast du meine Frage noch nicht beantwortet!"

„Ich konnte Samira überzeugen.", erzählte Karina. „Aber könntest du mir bitte noch etwas mehr erklären?", fragte sie, in deren Kopf tausende Fragen waren. „Was hast du für Boten? Wie kamt ihr in meinen Garten? Weshalb sollte ich Samira umstimmen? Warum hast du es nicht gemacht?"

Emine hob schützend die Hände. „Hey, ganz ruhig!" Sie räusperte sich. „Okay. Fangen wir am Besten mal am Anfang an: Meine sogenannten Boten sind einfach meine Brüder.", meinte sie Schulterzuckend. „Und wie sie in deinen Garten kamen, musst du wennschon sie fragen. Ich weiß nicht, wie gut er gesichert war, aber soweit ich von ihnen gehört habe, war es für sie ein Leichtes unbemerkt das Körbchen zu verstecken und anschließend wieder zu verschwinden. Zu deiner nächsten Frage: Du hast ein besonderes Verhältnis zu Samira! Sie hält sehr viel von dir! Zudem habe ich so das Gefühl, als wenn du gut andere Menschen umstimmen könntest.", setzte sie mit einem Schmunzeln hinzu. „Und damit wären wir auch schon bei der letzten Frage:" Samira seufzte. „Samira ist... Wie soll ich das sagen? Sie hat ein sehr hohes Niveau. Sie hat ein verantwortungsvolles Schicksal vor sich, das ihr seit Geburt an aufgeladen wurde. Es wird viel von ihr erwartet. Doch außen hin tut sie immer total locker, falls es dir mal aufgefallen sein sollte." Emine zwinkerte ihr zu.

Karina nickte.

„Somit hat Sami aber auch einen gewissen Stolz.", erzählte Emine weiter. „Und oftmals weiß sie einfach nicht, was für sie gut ist. Deshalb muss man dort einfach mal etwas nachhelfen." Nun sah sie Karina wieder direkt an und ihr Ton wurde schlagartig ernst. „Sami braucht die Reise nach Aternis! Was dort auf sie wartet, kann niemand hervorsehen. Trotzdem ist es von höchster Wichtigkeit, dass sie mitkommt! Zu viel steht auf dem Spiel!" Nun wandelte sich ihre Stimme wieder. „Seitdem Onkel Dalton ... fort ist, benimmt Sami sich irgendwie manchmal echt seltsam." Emine schüttelte den Kopf. „Sie tut so, als wenn alles in Ordnung wäre, obwohl es das nicht ist! Aber nun ja, was soll man sagen, wenn man einfach ein Elternteil verliert?"

„Moment was?", fragte Karina. „Ich dachte, ihr wärt entfernte Cousinen?"

„Naja, das sind wir ja auch." Verschmitzt lächelnd tippte sich Emine ans Kinn. „Immerhin leben wir normalerweise weit entfernt von einander! Dazu auch noch in verschiedenen Ländern!"

Karina zog eine Augenbraue hoch. „Äh, ihr wisst aber schon, dass mit entfernter Verwandtschaft eigentlich etwas anderes gemeint ist, oder?"

Emine zuckte nur unschuldig mit den Schultern. „Sieh mich nicht so an! Das war Samis Idee!" Gespielt eingeschnappt verschränkte sie die Arme. „Ich habe dir doch erzählt, dass sie manchmal, nun ja... komisch ist. Aus irgendeinem Grund will sie, dass niemand weiß, wer sie in Wirklichkeit ist."

„Wer ist sie denn?", fragte Karina interessiert.

„Sie ist..."

Genau zu diesem Zeitpunkt kam Samira zurück und Emine hörte schnell auf zu reden. Stattdessen fing sie ein ganz anderes Thema an und tat so, als wenn sie sich die ganze Zeit über die Herstellung Musikinstrumente und die heutige Technologie in Patia gesprochen hatten. Samira stieg nichtsahnend in das Gespräch mit ein.

_ _ _ 

Nach der Schule verabschiedeten sich die Cousinen von Karina und gingen nach Hause. Endlich war das Wochenende da!

Emine plante über den Samstag und den Sonntag noch zu bleiben, jedoch dann am Montagmorgen wieder abzureisen.

Die nächsten beiden Tage machten es sich die Mädchen noch schön zusammen. Dazwischen hielten sie noch einige Absprachen ab und Besprachen die wichtigen Punkte. Allerdings genossen sie die Gegenwart des jeweils anderen und verwöhnten sich nochmal so richtig, bevor Emine wieder abreisen musste.

Und schließlich kam der Moment. Der Montagmorgen war angerückt und nach einem gemeinsamen Frühstück und zigmal Verabschiedungen, war Emine irgendwann schließlich doch fort und Samira ging in die Schule.

_ _ _ 

Emine hatte einen langen Weg hinter sich, als sie zuhause wieder ankam. Ihre Brüder begrüßten sie fröhlich und ihre Mutter sagte, dass Essen gleich fertig war. Doch bevor Emine irgendetwas machen konnte, musste sie zu allererst einen wichtigen Brief an eine alte Bekannte schreiben.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top