7. Kapitel

Es war Freitag. Samira suchte ihre Sachen zusammen und wollte schon losgehen, zur Schule. Doch auf einmal klopfte es an der Tür. Nanu? Wer konnte das bloß sein? Samira ging zum Eingang und öffnete die große Tür.

Blondes Haar kam ihr entgegen, als das Mädchen vor ihr ohne weiteres einfach eintrat. „Ja, ja, ich weiß, ich weiß! Ich bin ganz schön spät dran! Ich meine, mittlerweile ist schon eine ganze Woche vergangen! Meine Güte!" Das Mädchen schüttelte den Kopf, als könne sie es kaum glauben. „Aber - was soll ich sagen? - bei uns in Kruerno ist seit einer Woche Netzausfall. Somit konnte ich meinen Bruder nicht mehr erreichen und die Nachricht wurde allein mit deinem Brief zu mir gesandt. Was für ein äußerst merkwürdiger Zufall, dass der Netzausfall gerade in dieser Woche ist..." Nun sah sie sich rundum in dem Anwesen um. „Meine Güte, Sami! Hier hat sich ja wirklich gar nichts verändert! Es ist alles noch genau an seinem Platz!" Ich Blick machte noch einmal die Runde, bis er schließlich bei Samira zum Stehen blieb, die etwas überfordert mit der Situation schien. Das blonde Mädchen räusperte sich kurz, bevor sie sagte: „Aber jetzt nochmal zum Anfang. Ich glaube, den habe ich in meiner ganzen euphorischen Aufregung glatt vergessen! Aber okay: Es ist wundervoll, dich endlich Mal wiederzusehen, Sami!" Dabei fiel sie Samira um den Arm und zog sie in eine überschwängliche Umarmung.

Zuerst stand Samira stocksteif da. Doch schließlich erwiderte sie die Umarmung. Nach einigen Minuten lösten sich die Mädchen schließlich wieder.
„Was um Himmels Willen machst du denn hier, Emine?", fragte Samira endlich.
Emine lachte. „Na, wonach sieht's denn für dich aus? Dir helfen natürlich, Cousinchen! Du hast mir immerhin ein Brief in deiner tiefen Verzweiflung geschickt. Kaum, als er gestern Abend angekommen ist, habe ich sofort meine nötigsten Sachen zusammengesucht und bin auf direktem Wege zu dir gefahren!"

Samira rieb sich die Arme. „Ich war nicht Verzweifelt. Ich ... brauche nur Hilfe", stellte sie klar.

Ihre Cousine grinste. „Soso..."

„Fühl dich hier wie zu Hause", sagte Samira. „Ich muss jetzt los. Ich komme heute Nachmittag wieder. Essen ist da. Nimm dir, was du braucht." Damit nahm sie ihre Tasche und wollte schon losgehen. Doch bevor sie verschwinden konnte hielt Emine sie auf.

„Moment, Moment! Wo willst du denn hin?" Sie machte eine bedeutungsvolle Geste. „Es ist Freitag und du... Oh mein Gott!" Emine schnappte nach Luft. „Gehst du etwa zur Schule?!"

Samira zuckte mit den Schultern. „In Patia gibt es eine allgemeine Schulpflicht, was dir doch eigentlich bekannt sein sollte! Und möchte ich wissen, warum du nicht in der Schule bist? Du bist nur ein Jahr älter, als ich!"

„Ach Sami...!" Emine schüttelte lachend den Kopf.

Danach nahm sie ihre Jacke und zog sie sich wieder an. „Na worauf wartest du denn? Wir wollen doch nicht zu spät kommen!"

Du willst mitkommen?"

Emine zuckte die Achseln. „Klar, warum nicht? Glaub ja nicht, dass du mir so leicht entwischst!", sagte sie zwinkernd.

Anstatt zu diskutieren, seufzte Samira einfach nur kopfschüttelnd. Eine Diskussion würde bei Emine sowieso nichts bringen. Sie bekam immer ihren Willen.

„Du hast dich sehr verändert, seit dem letzten Mal.", fiel Samira auf.

Emine lachte. „Du meinst vor zehn Jahren?"

„Nein." Gedankenverloren schüttelte Samira den Kopf. „Vor vier Jahren, damals, habe ich dich in der Menge auch gesehen."

Ihre Cousine legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Hey, alles in Ordnung?", fragte sie gefühlvoll. „Also, ich weiß, dass es das nicht ist, aber du allen um dich herum immerzu etwas vorspielst. Aber komm zu mir, wenn du reden willst, ja?"

Samira nickte. „Du schminkst dich", fiel ihr nun vom nahen auf.

„Oh, äh, ja..." Eine leichte Röte kam in Emines Wangen. „Mutter zwingt mich dazu immer, wenn ich aus dem Haus gehe." Sie stöhnte. „Aber naja, nach drei Söhnen sind meine Eltern natürlich froh, jemanden zu haben, denen sie all die Frauendinge beibringen können." Bedeutungsvoll sah sie ihre Cousine an. „Da fällt mir ein, ich geh mir das jetzt gleich am besten alles abwaschen, bevor wir losgehen."

Doch noch bevor sie verschwinden konnte, hielt Samira sie auf. „Warte!", bat sie sie.

Emine blieb stehen und drehte sich fragend zu ihr um. „Was ist denn los?"

„Wenn du wirklich mitkommen willst" Samira atmete kurz einmal durch. „dann bleib so, wie du bist. Das ist die allerbest Tarnung! Für jetzt und später, im Mai!"

Emine verstand. Sie nickte und zusammen gingen sie hinaus. Samira schloss ab und die Mädchen begannen sich auf den Schulweg zu machen. Es war für Samira etwas ungewohnt, nicht alleine, wie sonst immer zu gehen, vor allem, weil Emine ohne Pausen, wie ein Wasserfall redete. Auch das hatte sich über die Jahre hinweg nicht verändert.

„Weißt du noch, wie wir früher immerzu die Rollen getauscht haben?", fragte Emine lachend. Und hinterher wurden wir dann meistens immer erwischt.

Auch Samira erinnerte sich. „Tja, weißt du denn auch noch, warum wir immerzu erwischt wurden?", fragte sie ihre Cousine.

Diese tippe sich nachdenklich an die Lippen. Selbst diese kleinen Gesten wirkten bei ihr immer so zart und zierlich aus, so wie ihr ganzes Wesen. „Vielleicht, weil..." Schelmisch blickte sie zu Samira. „...weil du nicht so hübsch wie ich aussah?"

Samira schüttelte lachend den Kopf. „Nein." Nun wurde sie wieder ruhiger, als sie antwortete: „Es war unser Verhalten, das uns schon immer verraten hatte, Emine!" Dabei sah sie ihr tief in ihre Himmelblauen Augen. „Ich weiß, dass du wieder eine deiner brillanten zündenden Ideen hast. Aber bevor du sie mir vorstellst, sei dir eines gesagt sein: Wenn du wieder einen Rollentausch planst, dann müssen wir unsere Rollen auch gut spielen, nicht so wie damals, mit sechs Jahren! Zudem hoffe ich, dass deine brillanten zündenden Ideen nicht mehr so planlos sind, wie damals, welche – wenn ich bemerken dürfte – alle nicht funktionieren haben!"

Empört schüttelte Emine den Kopf. „Das waren sie nie!"

Daraufhin bekam sie einen vielsagenden Blick von Samira zugeworfen, der du so zu schreien schien: ‚Doch das waren sie!'

Emine räusperte sich. „Was ist eigentlich ... deine Familiengeschichte?", fragte sie. „Es wäre ja schlecht, wenn wir beide etwas anderes sagen würden."

„Nun ja..." Samira nahm sich ein paar Strähnen aus ihrem Zopf und spielte daran herum. „Sie lautet so: Ich bin aufgrund meiner ‚Familie' nach Patia gezogen. Vor etwa acht Monaten. Meinen Vater gibt es nicht in meinem Leben. Und meine Mutter ist immer sehr beschäftigt."

Emine nickte. „Okay."

„Wie willst du eigentlich die Lehrer davon überzeugen, beim Unterricht mitzumachen?", fragte Samira ihre Cousine gerade, als sie das Schulgelände betraten.

Diese zwinkerte ihr nur zu. „Lass mich mal machen!"

Damit trennten sich ihre Wege. Samira ging zu Karina und begrüßte sie, während Emine in die Richtung des Lehrerzimmers ging.

Doch sie brauchten gar nicht lange zu warten, da kam Emine auch schon wieder zurück.

„Und?", erkundige sich Samira.

Emine stemmte ihre Hände in die Hüfte und grinste sie an. „Na was glaubst du denn? Sie können der Fürstin doch nichts abschlagen!"

Karina fielen fast die Augen aus dem Kopf. „Du bist eine Fürstin?"

„Fürstin Emine. Sehr erfreut." Emine machte einen formellen Knicks. „Du bist Sami's Freundin, nicht wahr? Wie war dein Name noch gleich?"

„Karina.", stellte sie sich vor. „Und... Nehmt es mir nicht übel, aber warum seid Ihr hier?"

Emine lachte auf. „Du kannst mich ruhig duzen, Schätzchen!", stellte sie zu allererst klar. „Zudem ist der ganze Fürstentitel eigentlich nur in Aternis von Gültigkeit." Nun sah sie Samira an. „Nun, Sami und ich sind... Cousinen.", legte sie schließlich offen da.

„Entfernte Cousinen!", fügte Samira hinzu.

„Oh ja, weit entfernte Cousinen.", pflichtete Emine Samira bei. Dabei strich sie sich eine ihrer Strähnen an ihren rechtmäßigen Platz zurück.

Karina sah auf ihre Uhr. „Ich denke, wir sollten so langsam rein gehen. Samira nickte und folgte ihrer Freundin zusammen mit Emine.

Doch bis zur Tür kamen sie gar nicht. Denn die Filshias-Zwillinge stellten sich ihnen mal wieder in den Weg. Heute machten sie sich an Emine ran. Zielgerichtet kamen sie auf sie zu.

Doch Emine ließ sich nicht einschüchtern. Unbeeindruckt verschränkte sie die Arme und hielt den Blickkontakt stand.

„Und wer bist du?", fragte Zynthia irgendwann.

Emine legte den Kopf schief und antwortete mit ihrer zarten Stimme: „Emine. Freut mich, euch beide kennenzulernen." Sie lächelte sie beiden an. Danach brachte sie ihren Kopf wieder in seine Grundposition. „Kann ich euch weiterhelfen?"

Karina wollte schon Emine da raus holen, verwundert, dass Samira nicht schon längst dazwischen gegangen ist. Doch Samira hielt sie zurück.

„Emine braucht das", flüsterte sie ihr zu. „Vertrau mir!"

Karina nickte.

Nun ließ Zynthia ihren üblichen Spruch an ihr aus: „Da du ziemlich atrisch aussiehst, rede ich für dich Ausländerin extra langsam-"

„Das brauchst du nicht.", unterbrach Emine sie. „Ich verstehe jedes einzelne Wort, das du sagst." Noch immer lächelte sie Zynthia an.

„Komm uns nicht in die Quere", fauchte sie. „Ich warne dich! Oklrim" Sie zeigte auf ihren Bruder neben sich. „kann kämpfen und scheut sich nicht davor, dir – oder deinen Freunden etwas auszuwischen!"

Emine tat spielerisch ganz schockier. „Oh nein! Da habe ich jetzt aber Angst!"

Damit brachte sie Zynthia nun endgültig zur Weißglut. „Das solltest du auch!"

„Na dann zeig doch mal, was ihr so draufhabt!", erwiderte Emine mit einem Lächeln. Allerdings hatte sich nun ihre Stimme von ruhig zu schneidend verändert.

Zynthia schnipste nur mit ihren Fingern und schon stellte sich Olkrim in kampfposition hin und fixierte seinen Gegner. Sie selbst wich einige Schritte zurück.

Nun wollte Karina aber wirklich eingreifen. Doch Samira hielt sie auch diesmal zurück.

Olkrim stürmte auf Emine zu. Doch diese ging einfach nur einen Schritt beiseite. Somit stürzte der Junge ins Leere und landete im Schnee. Schnell stand er wieder auf und startete einige Angriffe auf Emine. Emine jedoch blockte diese geschickt ab.

Karina beobachtete die Szene mit offenem Mund. Noch niemand hatte sich gegen Olkrim irgendwie gewehrt. Und Emine war für ihn eine richtige Herausforderung! Nein, sie war besser, als er – um Welten! Emine war so zart und zierlich, dass man niemals vermuten würde, dass sie eine solche Kampfbestie war!

„Emine!", rief nun Samira ihrer Cousine vom Rand aus zu. „Es wird langsam Zeit!" Dabei deutete sie auf die Uhr.

Emine nickte. Damit wandte sie einige Techniken so an, dass Olkrim innerhalb weniger Sekunden im Schnee landete.

„Tut mir leid, aber wir müssen los.", sagte Emine und setzte ihr Lächeln wieder auf. „Aber wir können unser Spielchen von mir aus jederzeit weiterführen." Damit zwinkerte sie ihm noch zu, bevor sie sich von ihm abwandte und zusammen mit Samira und Karina reinging.

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