25. Kapitel

Ihr wollt also sagen, dass Kaylin meine Eltern ermordet hat?", fragte Samira mit tonloser Stimme. „Ich weiß, dass ihr Kaylin nicht leiden könnt und ich sehe auch ein, dass sie einiges getan hat, was ich nicht gutheiße. Aber sie ist garantiert keine Mörderin!", stellte Samira klar und erwachte aus ihrer Trance. Sie sah hoch, in die drei Gesichter. Jedes spiegelte andere Ausdrücke wieder.

Nian war besorgt.

Lamaya war verängstigt.

Lu war erfreut.

Lu saß auf ihrem Schreibtisch, ließ die Beine baumeln und verfolgte mit einem breiten Lachen auf dem Gesicht die ganze Szene.

„Was?", schnautzte Samira sie an. „Was hast du für ein Problem? Findest du es gut, was mit meinen Eltern geschehen ist?!"

„Nein!", meinte Lu. „Aber ich finde es gut, dass du endlich siehst, wie die kleine Giftschlange in Wirklichkeit ist!"

Samira schüttelte den Kopf. Nein! Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein! Das konnte nicht sein! Das durfte es nicht! „Habt ihr denn beweise dafür?", fragte sie schließlich.

Traurig nickte Lamaya. „Ja, die haben wir. Ich weiß zwar nicht, wie, aber Arun und ich haben Recherchen in einem geheimen Versteck in der Bibliothek gefunden. Jemand hat wohl damals über den Fall ermittelt – erfolgreich, so möchte ich hinzufügen – es aber versteckt. Ich verstehe nicht, wieso er das getan hat. Es sind alle Informationen beisammen."

„Weil es nicht der richtige Zeitpunkt war.", antwortete Samira ihr. „Ich war damals noch zu klein. Ich sollte den Thron erst zu meinem sechzehnten Geburtstag besteigen. Wären diese Geheimnisse an die Öffentlichkeit gelangt, hätte es einen riesigen Aufstand gegeben und Kaylin hätte irgendeinen Racheakt vorbereitet.", erklärte sie mit dunkler Stimme.

Nian reichte ihr behutsam eine Hand. „Hey, ist alles in Ordnung?"

Nichts war in Ordnung! Samira sah zu ihr auf. „Wir müssen Kaylin aufhalten! Ein für alle Mal!"

_ _ _

Es war schon spät und Samira machte sich auf den Heimweg. Emine hatten gemeint, dass Karina wohl schon gegangen sei und im Gasthaus auf sie wartete.

So konnte Samira wenigstens in Gedanken bleiben. Sie konnte noch immer kaum fassen, was Kaylin getan haben soll. Sie war doch ihre Schwester! Ja, Kaylin war adoptier worden. Und ja, sie würde niemals den Thron erben. Aber sie ist mit der Liebe zweier Eltern und einer Schwester großgeworden, genauso, wie mit all dem Luxus und den Reichtümern.

Samira hatte schon einige Bücher aus Patia gelesen, wo die Prinzen die Könige stürzten, um an die Macht zu kommen. So etwas gab es in Aternis nicht. War Kaylin wirklich so machtbesessen, dass sie wirklich alles tun würde, um an ihren Erfolg zu kommen?

Auf einmal stieß sie mit jemandem zusammen und wurde aus ihren Gedanken gerissen.

„Oh, Samira!", fiel ihm auf.

Samira murmelte irgendeine Entschuldigung, als sie hochblickte. Sie sah in die Giftgrünen Augen eines Strohblonden Jungen. Olkrim.

„Na was ist?", fragte Samira. „Hast du mir keinen Abfälligen Bemerkungen zu sagen?"

Olkrim sekte den Kopf. „Das ... war blöd von mir. Ich bitte um Entschuldigung." Nun sah er wieder auf und sah Samira in die Augen. „Hattest du nicht mal eine andere Augenfarbe?", fiel ihm dabei auf.

Samira sah sich um. „... Äh, nein..." Man konnte nie wissen, wer einen gerade belauschte.

„Achso..." Olkrim fuhr sich durch die Haare. „Hör mal, was Zynthia alles tut ist meistens nicht ganz richtig. Und ich möchte mich dafür entschuldigen. Auch ich habe Mist gebaut, das ist mir schon klar. Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich es nicht so gemeint habe."

„Und weshalb hast du es getan?", fragte Samira. „Wenn du es wirklich nicht gutheißt, warum hältst du sie dann nicht auf, sondern bestärkst sie nur noch?"

„Naja, sie ist eben meine Schwester und..."

„...du liebst sie", beendete Samira seinen Satz, als er nicht weitersprach.

Olkrim nickte schüchtern. „Hast du das gleiche Problem?"

Da fiel Samira auf, dass es tatsächlich so war! Dass es die gleiche Baustelle war! „Was ist...", fing Samira an, unsicher, ob sie diese Frage wirklich stellen sollte. „Und was ist, wenn deine Schwester etwas tun würde, was unentschuldbar wäre? Würdest du dann immer noch mit ihr mitziehen? Oder würdest du dich gegen sie stellen?"

Olkrim fuhr sich erneut durch die Haare. „Weißt du, sowas ist schwer zu sagen. Ich werde hoffen, dass ich das nie entscheiden muss. Aber wenn es doch der Fall sein sollte, dann werde ich mir wohl erst einmal anhören, was sie mir zu sagen hat. Manchmal tut man halt auch einfach die falschen Dinge, durch die richtigen Gründe." Er sah Samira wieder unverwandt an. „Egal, was du für Probleme mit deinem Geschwisterkind hast, höre auf dein Herz. Denn es wird dir zeigen, was das wirklich Richtige ist!" Damit ging Olkrim fort.

Samira musste nur noch wenige Schritte geben, bis sie bei ihrem Zimmer ankam.

Karina verstand sofort, dass Samira nicht wirklich in der Stimmung für große Gespräche war. So verlief der Abend recht ruhig.

Jedoch musste Karina auf eine Frage endlich eine Antwort finden. So fragte sie Samira, kurz bevor sie einschliefen, das Licht war schon ausgeschaltet und die Mädchen in ihren Betten: „Wie heißt denn nun eigentlich eure Gruppe?" Sie hatte darauf noch nie eine vernünftige Antwort bekommen.

„Nymesia", antwortete Samira ihr nach einer gefühlten Ewigkeit. „Unsere Gruppe nennt sich Nymesia!" 

_ _ _

Am nächsten Tag war es soweit! Es war nicht nur der letzte Tag der Klassenreisen, sondern gleichzeitig auch der, wo sich alles entscheiden würde!

Allerdings klappte nicht alles so, wie es geplant war. Denn Karina und Samira wollten sich gerade unbemerkt und heimlich verdrücken, da erklang plötzlich eine schmerzlich bekannte Stimme hinter ihnen.

Langsam drehten die Mädchen um.

Hinter ihnen stand Frau Kyriaki. Ihre Arme hatte sie vor der Brust verschränkt und sah sie mahnend an. „Habe ich euch nicht gewarnt, dass ich sicherlich keine Zweite Ausnahme machen werde?", fragte sie zornig. „Zumal ich genau mitbekommen habe, dass ihr gestern schon wieder verschwunden wart! Denkt ihr, ich bemerke sowas nicht? Was treibt ihr zwei bloß immer den ganzen Tag?" Kopfschüttelnd schaute sie von Karina zu Samira. „Ich bin enttäuscht von euch beiden! Und dabei habe ich von euch beiden so viel erwartet!", setzte sie hinzu. „Außerdem: Ihr wollt euch wegschleichen, während wir Heim fahren? Wie wolltet ihr denn zurück nach Hause kommen?" Frau Kyriaki holte aus ihrer Tasche ein Handy hervor. An dem roten Band, das an der Außenseite entlanglief, konnte man sehen, dass es eines der teuren Exemplare war, die auch hier in Patia funktionierten. „Ich rufe jetzt umgehend eure Eltern an und bringe sie auf den neusten Stand über euer Verhalten!", ließ sie die Mädchen wissen.

Karina wusste gar nicht, was Schlimmer war. Die Schimpftriade ihrer Lieblingslehrerin und dass Frau Kyriaki sie ab nun wohl bestimmt hassen würde, dass ihre Eltern nach dem Anruf bestimmt austicken würden, oder die Tatsache, dass sich die Szene vor der gesamten Klasse abspielte und alle sie anstarrten. Samira im Gegenteil verhielt sich total ruhig und locker.

Nun trat Samira vor. „Sie können meinetwegen gerne versuchen, meine Eltern anzurufen. Aber ich kann Ihnen gleich versichern, dass wohl niemand Ihren Anruf entgegennehmen kann." Samira ließ ihre Worte kurz wirken, bevor sie hinzusetzte: Und nun entschuldigen Sie uns bitte. Denn wir haben ein Land zu retten!" Damit nahm Samira Karina an der Hand und ging mit ihr fort.

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