17. Kapitel

"Okay, was um Himmelswillen ist heute bitteschön passiert?", fragte Karina, sobald die beiden Mädchen vom Abendessen gekommen und wieder unter sich waren. Zuerst die traurigen Blicke, danach die seltsame Begegnung zwischen Samira und der Kaiserin, anschließend das wegschleichen von der Klasse und das herumgeistern im Schloss, darauffolgend das seltsame Gespräch zwischen der Kaiserin und Noan, welches Samira und Karina belauscht hatten und schließlich auch noch die seltsame Unterhaltung, die Samira mit Noan geführt hatte. Und was war das bloß am Schluss?

Samira ließ sich mit einem lauten Stöhnen erschöpft auf ihr Bett plumpsen. Danach drehte sie ihren Kopf zu Karina, um sie ansehen zu können. „Heute war wirklich ein ziemlich schräger und verwirrender Tag, nicht wahr?" Sie brachte ein zartes Lächeln zustande. Als Karina nichts erwiderte, setzte Samira sich mit einem lautlosen seufzen wieder auf. „Hör zu", begann sie. Dabei suchte sie nach den richtigen Worten. „Ist dir aufgefallen, dass fast ausschließlich Portraits von Kaylin im Palast hingen? Dabei war keines von dem Kaiser vor ihr dabei."

Karina nickte langsam.

„Du musst wissen, dass der Kaiser sehr begehrt in ganz Aternis war. Er war sehr gütig und gerecht. Dazu gab es sicherlich nichts, was er nicht bewältigen konnte." Samira seufzte, so als sehnte sie sich nach dieser Zeit. „Jedoch gab es vor fünf Jahren einen schrecklichen Unfall, wobei das Kaiserpaar ums Leben kam."

„Und was hat das jetzt mit Kaiserin Kaylin zu tun?"

Samira fummelte an ihren Haaren herum. „Naja, Kaylin ist das genaue Gegenteil von ihm. Und überleg mal: Es war kein einziges Bild von Kaiser Dalton im Schloss." Sie machte eine kurze Pause, bevor sie noch hinzufügte. „Und ich glaube, darüber ging das Gespräch zwischen Kaylin und Noan vorhin auch."

„Weil Noan die Sachen seines alten Kaisers nicht zerstören möchte!", ergänzte Karina, die endlich verstand.

Samira nickte. „Ich kenne Noan. Er würde so etwas niemals in seinem Leben tun."

Karina lehnte sich zurück und ließ den vergangenen Tag noch einmal Revue passieren. „Die Kaiserin schien ziemlich sauer auf dich zu sein.", fiel ihr auf, als sie an das Treffen mit ihr zurückdachte. „Zumindest auf das Mädchen, mit dem sie dich verwechselt hatte. Jedenfalls schien es ganz so."

Samira fiel in auffälliges Schweigen.

„Ist alles in Ordnung?", fragte Karina, der dies nicht entgangen war.

„Wie? Ah, ja, ja."

Karina zog zweifelnd eine Braue hoch.

Geschlagen seufzte Samira. „Na schön... Das vorhin..." Sie versuchte, nach den richtigen Worten zu greifen. „Kaylin ... hat sich nicht geirrt", gab sie leise zu. Es war kaum mehr, als ein flüstern gewesen. Doch Karina hatte es trotz allem verstanden. Für einige Momente schwebten diese Worte im Raum. Niemand wagte es, etwas zu sagen, bis Karina schließlich die Stille durchbrach.

„Aber du hast mehr als deutlich gemacht, dass du es nicht bist, den Kaiserin Kaylin sucht."

Samira lachte kurz auf. „Ist das dein Ernst? Ich sagte, mein Name sei Karina! Ich sagte, ich käme aus Patia, aus Kruerno!" Samira fuhr sich durch die Haare. „Hashk!", rief sie aus. Verdammt! Denn plötzlich wurde ihr das ganze Ausmaß der Sache klar. Dadurch hatten nämlich sowohl Frau Kiriaki und Herr Orell, als auch die anderen Schüler von ihren Lügen erfahren!

Erst, als sie Karinas Hand auf ihrer Schulter spürte, bekam ihr plötzlich klar, wie nah Karina plötzlich bei ihr war.

„Beruhige dich, Samira!"

Es war Samira gar nicht aufgefallen, wie aufgewühlt sie plötzlich war. Ihr Atem ging stoßweise. Jedoch wurde er nach einigen tiefen Atemzügen schon ruhiger.

„Weshalb hast du die Kaiserin angelogen?", fragte Karina.

„Ich musste es tun. Weil Kaylin ist..."

Als Samira nicht weitersprach, riet Karina: „Weil sie die Problemperson ist? Weshalb ihr – du und deine Familie – fliehen musstet?"

Samira nickte stumm.

„Aber weshalb?" Karina verstand es nicht so recht. „Was ist denn passiert? Und warum schützt du die Kaiserin noch immer, trotzdem sie euch sowas angetan hatte?"

Samira sah Karina in ihre grünen Augen. „Das kann ich dir nicht sagen. Bald, sicherlich. Aber jetzt noch nicht!"

„Wann kannst du es mir sagen?", fragte Karina, in der Hoffnung, endlich mal eine vernünftige Antwort zu bekommen. Sie wollte nicht ewig um den heißen Brei herumreden! Aber genau das taten sie jedes Mal!

Samira legte sich in ihr Bett und schaltete das Licht aus. „Wenn die Zeit dafür reif ist!", lautete ihre Antwort. „Njarr Nararr!" Gute Nacht!

_ _ _ 

Karina schwang sich mit einem Ruck aus dem Bett und zog sich in Windeseile die wichtigsten Sachen über. Danach öffnete die Balkontür und trat hinaus.

Vom Himmel aus strahlte ihr der glänzende Mond entgegen.

Vorsichtig lugte sie über das Geländer. Behutsam kletterte sie über die kunstvoll geschwungene Brüstung, balancierte auf der Regenrinne und kletterte schließlich hinauf aufs Dach. Oben angekommen versuchte sie, dabei mit möglichst viel Gleichgewicht, über die Dächer hinweg zu schleichen.

Denn Karina wollte endlich wissen, was Samira trieb. Diese Nacht hatte Samira sich hinausgeschlichen und Karina gab sich große Mühe ihr zu folgen, auch wenn Samira einen guten Vorsprung hatte und Karina nebenbei ziemlich schleppend vorankam. Dabei sah es bei Samira so leicht und elegant aus. Dazu hatte sie auch kein einziges Geräusch von sich gegeben. Es sah so aus, als hätte sie es schon des Öfteren gemacht. 

_ _ _

Samira rutschte auf den Dachziegeln hinunter und kletterte schließlich über einen Baum auf die Erde.

Die Nacht schien ruhig. Es war nur das leichte Raschen der Blätter im Wind und das Zirpen der Grillen zu hören. Niemand war draußen. In den meisten Häusern war das Licht schon erloschen. Selbst hier im Oberen Ring war alles totenstill.

Samira wartete einige Minuten, in denen sie die Ruhe der Nacht noch einmal auf sich einwirken konnte.

Auf einmal hörte sie ein Rascheln aus dem Gebüsch. Verwundert wandte sie sich um und wollte nachschauen, was wohl geraschelt hatte. Sie war gerade an dieser Stelle angekommen und wollte es schon überprüfen. Allerdings kam sie gar nicht dazu. Denn genau in diesem Augenblick kamen zwei Personen in dunklen Kapuzenumhängen auf den Platz.

Samira schaute wieder auf. Ihr Blick richtete sich direkt auf die zwei Kapuzengestalten.

Man konnte die Gesichter nicht erkennen. Jedoch wusste Samira trotzdem mit Sicherheit, wer vor ihr stand.

Die linke Person verschränkte die Arme. „Soso. Haben wir also beschlossen, sich doch mal blicken zu lassen, A-"

Die rechte Person versetzte der Linken einen Stoß gegen die Rippen, womit diese schließlich verstummte. „Wer weiß, wer uns zuhört" Damit sah sich die rechte Gestalt genaustens in der Umgebung um.

Die Linke schüttelte nur den Kopf. „Tze. Ja, genau! Als wenn jemand der Feinen Damen oder Herren sich die Mühe machen würde, um diese Uhrzeit noch außer Haus zu sein.", spottete sie.

Nun kam Samira zu ihnen, woraufhin die rechte Gestalt nun ihre Kapuze absetzte und Nians freudiges Gesicht ihr entgegenstrahlte. Schnell zig sie Samira in eine Umarmung, wo sie ihr zuflüsterte: „Ich wusste, dass du kommst."

„Aber warum hast du Lu mitgebracht?"

Nian seufzte und sah die Kapuzengestalt neben sich an. „Weil Jemand mich dazu gezwungen hat, ihr die Wahrheit zu verraten und daraufhin dieser Jemand mir anschließend keine andere Wahl gelassen hatte, als sie mitzunehmen.

Nun nahm auch die zweite Gestalt augenrollend ihre Kapuze ab. „Damit das klar ist: Ich habe dich nicht gezwungen. Es war schlichtweg und einfach ein Befehl deiner Anführerin. Das ist etwas völlig anderes!"

„Natürlich", murmelte Nian sarkastisch.

Lu räusperte sich. „Also, damit wir aufs Eigentliche zurückkommen" Sie faltete ihre Hände, ehe sie ihren Blick auf Samira richtete und sie teuflisch anfunkelte. Bedrohlich kam sie auf Samira zu, während diese mit jedem Schritt nach hinten zurückwich.

„WIE KONNTEST DU UNS DAS ALLES ANTUN!?", brüllte Lu sie an. „DU SOLLST HIER UND JETZT DIE REUE SPÜHREN!"

Damit stürzte Lu sich auf Samira, wie ein Raubtier auf seine Beute.

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