Prom Queen

„Unsere Ballkönigin! Möge sie für immer so strahlen!" er riss meine Hand nach oben, in Richtung der Scheinwerfer. Ich lächelte. Heute war ich nicht einfach nur schön, nicht einfach nur attraktiv. Heute strahlte ich wie das pure Licht. Mir war unglaublich heiß unter all den Scheinwerfern, die direkt auf mich gerichtet waren. Die seidenen Handschuhe kratzten auf meiner Haut und die Schuhe drückten meine Zehen unangenehm zusammen.

Aber es war alles egal, denn an diesem Abend trug ich die Krone der Ballkönigin. Und sie alle jubelten mir zu. „Wir lieben dich, Aurora! Du machst das toll!" Hannah und Kate warfen die Blumen der Tischdekoration auf die Bühne. Rote und weiße Rosen, die sie aus den Vasen geklaut hatten. „Vielleicht möchte unsere Ballkönigin sich ja setzen? Und uns ein wenig von ihrem Erfolg erzählen?" Connor nahm meine Hand, vorsichtig, als wäre ich aus Porzellan und führte mich zu dem roten Sofa. Das Licht der Scheinwerfer folgte uns. Aber mein Lachen war noch heller als alle Glühbirnen.

Moment mal.

Was soll denn an Schönheit ein Erfolg sein? Daran auf einem Highschool-Abschlussball zur Ballkönigin gewählt zu werden? Glaubt mir, das frage ich mich heute auch. Aber damals war ich süße 16 Jahre alt und viel zu überwältigt. Denn es war alles so glitzernd um mich herum. Ich war geblendet. Und ich wusste, ich wollte nie wieder etwas anderes.

Mein Vater hatte mir immer gesagt: „Du bist doch nur ein Mädchen. Wenn ich einen Sohn gehabt hätte, vielleicht hätte er die Firma übernehmen können. Aber ich habe ja nur dich." Aber jetzt saß ich hier. Bejubelt von allen, auf der Bühne, neben dem beliebtesten Jungen der Schule, der mich ansah wie eine wunderschöne Puppe. Ein jüngeres Mädchen hielt ein handgeschriebenes Plakat mit der Aufschrift „Stimmt für Aurora!" hoch und kreischte. Ich kannte sie nicht.

Irgendwo dort hinten stand mein damaliger Freund. Jason. Sein Gesicht lag im Dunkeln, wie alle anderen auch, ich konnte ihn in der Menge nicht erspähen. Wahrscheinlich jubelte er und war so unglaublich stolz auf seine beliebte Freundin. Wahrscheinlich freute er sich für mich.

Ich erinnere mich nicht mehr genau an das Interview, aber ich erinnere mich an die Einladung die Connor mir nachher in die Hand drückte. Eine weiße Karte und eine der Rosen, die er wohl von der Bühne aufgelesen hatte. „Ich würde mich freuen, dich morgen zu sehen" er lächelte mich an. Ich lächelte zurück, berührte seine Hand einen Augenblick zu lang, als ich die Karte annahm. Es war nur ein Tippen der Finger, aber ich fühlte wie er zusammen zuckte. Und ich genoss meine Wirkung auf ihn.

Vorsichtig ging ich die Treppe der Bühne hinunter und ließ mich in die Arme meines Freundes fallen.

Jasons Lächeln an dem Abend war wunderschön. Viel schöner als meins, denn es war nichts Künstliches daran. Er sah mich nie an wie Connor. Nicht wie etwas zerbrechliches, aber auch niemals wie sein Eigentum. Porzellanpuppen sind hübsch anzusehen. Trotzdem stehen sie immer nur stumm im Hintergrund und gehören dem, der das meiste Geld geboten hat. Ich wünschte ich würde mich besser an sein Lächeln an diesem Abend erinnern, aber ich hatte keine Augen dafür. „Was hast du da?" neugierig beäugte er die Karte, riss sie mir beinahe aus der Hand. „Connor schmeißt morgen Abend noch eine Party. Seine Eltern sind nicht da. Das ist die Einladung."

Er nahm meine Hand und führte mich zu unserem Tisch. „Wow, ich glaub's nicht. Wir sind eingeladen beim beliebtesten Typen der Schule. Und wahrscheinlich auch beim reichsten. Sein Haus ist doch sicher eher eine Villa!" Ich setze mich und schob eine Locke aus meinem Gesicht die sich irgendwie in der Krone verhakt hatte. Ich wünschte ich hätte die Handschuhe ausziehen können. Aber das tat ich nicht. Eine Ballkönigin sah schließlich tadellos aus. „Nur ich bin eingeladen." Er sah mich an. Ich erinnere mich an das Grün seiner Augen. Er war meine große Liebe gewesen. Mit 14 hatte ich mich in der Kantine heimlich in seine Nähe gesetzt, bin ihm auf den Hof gefolgt und habe meine Freundinnen angestiftet seine Nummer rauszufinden. Warum ich mich in ihn verliebt hatte? Es war eigentlich ganz einfach gewesen. Er war der Kumpel einer Freundin. Er war clever, ging mit jedem gleichermaßen freundlich um und er schätze seine Freunde. Ich habe mich ein Jahr lang nicht getraut ihn anzusprechen. Dann setzte er sich in Englisch neben mich. Ganz beiläufig. Je mehr ich ihn kannte, desto mehr mochte ich an ihm. Jason war witzig. Er konnte mich immer zum Lachen bringen. Er ließ mich die Hausaufgaben abschreiben, er lieh mir seinen Regenschirm. Aber er war absolut gewöhnlich. „Und ich bin deine Begleitung." Ich schüttelte den Kopf und schlug die Augen nieder. „Auch Begleitung ist nicht erlaubt, wenn sie nicht auf der Gästeliste steht." Er fragte ob er mich abholen solle. Ich sagte Connor würde mich sicher fahren.

Am nächsten Abend küsste ich Connor in seinem Auto und zwei Wochen später waren wir zusammen. Das Traumpärchen der Schule. Meine Eltern liebten ihn. Er war gebildet, gutaussehend und vor allem sehr viel reicher als wir.

Ich sonnte mich im neuen Bikini auf der Yacht seiner Eltern und wir tanzten auf jeder Party der Stadt. Und manchmal, ganz selten, wünschte ich mir es wäre Jason der meine Hand hielt. Irgendwo auf einer der Feiern musste ich angefangen haben viel zu viel zu trinken. Vielleicht als er angefangen hatte, mich zu betrügen. Wir haben nie darüber gesprochen. Ich verließ ihn für den Manager eines Unternehmens. An ihn erinnere ich mich kaum. Meine Eltern haben ihn nicht kennengelernt, da hatten wir schon keinen Kontakt mehr. Aber ich hatte Geld. Immer. Mehr als mein Vater. Ich fuhr teurere Autos, ich schlief in besseren Hotels, ich kaufte nur das teuerste. Manchmal habe ich mich gefragt, wann das alles begonnen hatte. Vielleicht an dem Abend als ich auf der Bühne stand. Mit der Krone der Ballkönigin auf dem Kopf. Aber wahrscheinlich schon viel früher.

Vor mir, auf dem Teppichboden der Limousine stehen meine Schuhe. Ich wackele mit den nackten Zehen. Ein kleiner Moment der Entspannung, bevor ich in die High Heels schlüpfe. Ich weiß nicht warum ich jetzt gerade an diesen Abend zurückgedacht habe. Vielleicht bin ich gestresst? Vielleicht brauche ich mal wieder eine Massage? „Schatz, kommst du?" Mein Mann hält mir die Tür offen. Er lässt es niemals den Chauffeur machen. Ich schließe den Riemen meiner Schuhe und steige aus dem Auto auf den Teppich davor. Die Blitzlichter der Kameras blenden mich schon lange nicht mehr und die Mikros, die sie mir entgegenstrecken, ignoriere ich. Mein Mann nicht. Er beantwortet alle Fragen bereitwillig. Es geht um Politik. Und um Wirtschaft. Ich teile seine Meinung nicht immer, aber ich würde es niemals sagen. Warum auch? Er ist der Politiker und Unternehmer. Ich bin nur seine Frau. Er gestikuliert in die Kameras, aber lässt den rechten Arm immer um meine Hüfte liegen. Ich zittere, mir ist kalt.

Als wir den Saal betreten rauschen Anne und Carry auf mich zu. Sie beide tragen neue Kleider, Anne hat sogar ihre Haare neu gefärbt. Das wird das Gesprächsthema des Abends sein. Zumindest unter uns dreien. Sie sind nicht meine Freundinnen. Sie sind nur die Frauen der Freunde meines Mannes. Ich lächele und umarme sie. Ich frage mich was Hannah und Kate wohl inzwischen machen. Arbeiten sie? Haben sie vielleicht schon Kinder? „Du siehst bezaubernd aus Aurora!" Carry zupft an meinen Haaren herum, obwohl sie doch schon perfekt sind. Obwohl alles doch so perfekt ist.

UnsereBallkönigin! Möge sie für immer so strahlen!

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