Teil42
Aus irgendeinem Grund hielt Dugan es für angebrachter, wenn Dallas redete. Vielleicht, weil er Tariq und Robert immerhin etwas länger kannte und mit ihnen gereist war. So beschränkte er sich zunächst aufs Teekochen und Kekse auf den Tisch stellen, während Dallas damit begann, den beiden zu erklären, warum sie so dringend kommen sollten. Sie wussten von Andy, also davon, dass Dallas jemanden in Inverness in einem Club kennen gelernt hatte und diesen jemand wieder getroffen hatte. Und sie wussten, dass Dallas Hals über Kopf zurück nach Lanark aufgebrochen war, weil er sich in Dugan verliebt hatte. Wie das alles nun zusammenhing und was das zu bedeuten hatte, dass sie jetzt hier in Andys Wohnung waren, das erforderte einiges an Erklärungen. Andys Tod war natürlich ein Schock und die Umstände seines Todes noch viel mehr. Aber das war noch längst nicht der schwierigste Teil dessen, was ihnen erklärt werden musste.
„Das ist alles ganz furchtbar", fand Tariq. „Wenn ich mir vorstelle, dass diese Typen euch beiden auf den Fersen waren... Du hast Glück gehabt. Großes Glück."
„Was ist mit der Polizei? Haben die schon irgendwelche konkreten Hinweise?" Roberts Frage klang beinahe naiv, obwohl sie nichts weiter als auf der Hand lag.
„Es scheint, als hätten die es nicht besonders eilig. Wir aber schon. Wir wollen nicht warten, bis wieder etwas passiert oder die Typen die Stadt verlassen." Dallas schaute die beiden entschlossen an.
„Was schwebt euch da vor?" Tariq kam direkt zur Sache, also war klar, dass sie auf seine Hilfe zählen könnten.
„Bevor wir den Plan genau erläutern, müsst ihr eines wissen." Dallas schaute zu Dugan, der das als Zeichen verstand, dass er jetzt an der Reihe wäre. Er setzte sich zu ihnen an den Tisch und wartete kurz ab, bis alle ihre Tassen abgestellt hatten.
„Jetzt mach's nicht so spannend, Laddie." Robert wurde unruhig.
„Ist nicht meine Absicht." Dugan fixierte beide nacheinander mit einem eindringlichen Blick. „Bevor ich anfange, müsst ihr wissen, dass ich das, was ich euch jetzt berichte, ebenso gut wieder vergessen lassen kann. Euer Risiko was das angeht ist eher gering. Ihr könnt so weiterleben wie bisher, wenn ihr das bevorzugt. Wenn ihr uns aber helfen wollt, dann müsst ihr es zunächst glauben und nicht deswegen ausflippen. Und ihr müsst mir vertrauen."
„Du machst es nur noch spannender, Kleiner."
„Jetzt lass ihn ausreden, Robert." Tariq begann nervös mit dem kleinen Finger auf den Tisch zu klopfen, sonst wirkte er auf alles gefasst.
Dugan schaute nochmal zu Dallas, der jetzt nur nickte.
„Okay, Robert, Tariq. Die Geschichten aus der Gegend um Lanark sind nicht völlig unbegründet. Es stimmt, dass es dort unerklärliche, unheimliche Dinge gibt. Ich bin der Grund dafür. Ich... bin ein Werwolf." Jetzt, wo es gesagt war, blinzelte Dugan einmal nervös. Würden sie ihm glauben, würden sie ausflippen? Robert starrte ihn nur an und schien darauf konzentriert, ruhig zu atmen. Hatte er begriffen, was Dugan sagte? Tariq hatte die Augen weit aufgerissen und holte tief Luft. „Habt ihr... was genommen?"
„Nein", antwortete Dallas direkt. Was nicht ganz stimmte, aber in dem Zusammenhang egal war.
„Wer denkt sich schon so eine Sache aus?" Dugan schaute die beiden an. „Dallas, mach doch mal die Vorhänge zu!"
Robert wurde deutlich nervös. „Was, was wird das jetzt?"
„Keine Bange, ich zeige euch nur ein bisschen von mir."
„Dugan, ich weiß nicht...", stammelte Tariq.
In dem Moment zog Dallas erst einen, dann einen zweiten Vorhang zu, sodass das Licht in der Küche genug reduziert war, um das Reflektieren in Dugans Augen erscheinen zu lassen. Er funkelte die beiden an.
„Fuck!", kam es von Tariq.
„Holy Shit." Robert konnte nicht anders und bekreuzigte sich.
„Damit hat es nichts zu tun", sagte Dugan ganz ruhig. „Es ist nur, was es ist. Ich könnte euch alles zeigen, aber es ist sehr... erschöpfend."
Dallas öffnete die Vorhänge wieder und Dugans Augen schimmerten wieder in ihrer hellen, blau-grünen Farbe.
„Ich habe genug gesehen", fand Robert.
„Ich auch."
„Was heißt das?", wollte Dugan wissen. „Kommt ihr damit klar oder wollt ihr es wieder vergessen?"
„Er kann da so einen Trick", erklärte Dallas, „so eine Art Gedanken- Manipulation."
„Langsam krieg ich eine Idee davon, was er kann", bemerkte Tariq.
„Hast du es gesehen?", fragte Robert.
„Ja, sicher. Zweimal."
„Wenn ihr's nicht glaubt, dann...", begann Dugan. Es war schmerzhaft und anstrengend, aber er könnte es tun, wenn es sein müsste. Er war drauf und dran, sich bereit zu machen...
„Nein, schon gut. Ich weiß, dass Dallas sich sowas nicht ausdenkt", kam es von Tariq. „Und du wohl auch nicht."
Robert nickte vor sich hin, bis er seine Sprache wiederfand. „Also schön, Laddie, und was genau soll das jetzt? Du kannst dich in einen Wolf verwandeln. Wozu? Und was sollen wir dabei?"
„Das kann ich euch erklären und zeigen", meinte Dallas.
Dugan ließ ihn reden und kramte im Wohnzimmer nach den wichtigsten Notizen und dem Stadtplan von Inverness, auf dem sie ihren Plan sozusagen entwickelt hatten. Seine Ohren waren so gut, dass er auch so jedes Wort verstand. Dann brachte er das alles an den Küchentisch, breitete es zwischen Kekskrümeln und Teegeschirr aus und setzte sich zu Dallas. Während der weiter redete, beobachtete Dugan Robert und Tariq ganz genau. Er musste hundertprozentig sicher sein, dass er ihnen vertrauen konnte. Wie es schien, waren die beiden etwas verunsichert, wer wäre das auch nicht gewesen? Aber absolut loyal. Tariq schlug sogar vor, mit in den Club zu gehen, wenn das notwendig sei. Er könnte dort die anderen Gäste oder Tänzer besser beobachten, als Dugan und Dallas das könnten, während sie die Lockvögel gaben. Er schien sich in der Rolle eines Jägers zu gefallen, was Dugan nun wieder nur zu gut verstehen konnte. Robert musste sich wohl erst an den Gedanken gewöhnen, dass es Werwölfe nicht nur in den Geschichten gab, die er seinen Kindern vorgelesen hatte, aber so nach und nach bekam man den Eindruck, er würde es praktisch für seine patriotische Pflicht halten, Schottland, Dallas als Mit-Schotten und Dugan als Mitglied des schottischen Adels gegenüber, dass er bei dieser Jagd mitmachte. Abgesehen davon, müsste ja jemand den Wagen fahren, der was davon verstehe. Letzten Endes, so kam es Dugan nun vor, wäre alles davon abhängig, ob es ihm als Wolf gelänge, die Schläger in irgendeiner Gasse in Schach zu halten, bis die Polizei kam, um sie auf frischer Tat zu ertappen. Auf frischer Tat allerdings bedeutete, dass die Typen Dallas und Tariq, der für ihn eingesprungen wäre, bereits in die Enge getrieben hätten, um sie aufzuklatschen. Immerhin war Dallas mit Tariq nicht allein. Zu zweit könnten sie sich eine Weile wehren, wenn das Timing nicht gut lief. Und wenn das Timing ganz schlecht lief, wäre da noch der große böse Wolf...
>>>>Irgendwie war mir nach den Stones;)
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top