Teil32
Hinter dem Schreibtisch saß ein stämmiger Typ mittleren Alters mit braunem Haar in einem Tweed-Jackett, der sich kurz erhob, um beiden die Hand zu geben und sich als Detective Inspector Connery vorstellte. Aus keinem besonderen Grund bemerkte Dallas den Ehering an seiner Hand und auch die Tatsache, dass Connery ihn und Dugan aufmerksam musterte, was wohl so eine Art Berufskrankheit sein musste. „Wie ich höre, möchten Sie eine Aussage machen, über den Fall Fraser", stellte er fest und bot den jungen Männern einen Platz an. Dallas konnte nicht anders, als bei der Bezeichung des Falls Fraser kaum merklich zusammenzukrampfen. Andy war nicht einfach nur ein Fall. Er hatte sich noch nie Gedanken darüber machen müssen, wie die Polizei in so einem Fall redete oder welche Ausdrücke man benutzte und jetzt traf ihn diese Sachlichkeit mit voller Wucht. Dugan war so geistesgegenwärtig, den Moment zu überspielen. „Ja, mein Freund hier hat etwas erlebt, was ihnen bei ihren Ermittlungen weiterhelfen könnte."
Mein Freund, fand Dallas, war raffiniert formuliert und ersparte ihnen sicherlich zwei, drei Fragen. Der Rothaarige räusperte sich. „Wir kommen gerade aus dem Krankenhaus", begann er und sah an Connerys vollkommen unveränderten Blick, dass man ihn noch nicht über Andys Tod informiert hatte.
„Sie sind Freunde von Anthony Fraser?", fragte der Detective routiniert aber interessiert.
Wieder sprang Dugan ein. „Ja, gewissermaßen. Wir waren bei ihm, als er starb."
„Das tut mir leid zu hören, man hat mich darüber noch nicht informiert", kam es jetzt von Connery in veränderten Ton. Allerdings war nicht ganz klar, ob es ihm um Andy, für Dallas und Dugan oder für den neuen Status des Falls leid tat, bis er sich gezielt Dallas zuwandte. „Sie kannten ihn wohl gut?", wollte er wissen.
Dallas sah jetzt so etwas wie Anteilnahme in Connerys Blick und nahm sich zusammen, damit er antworten konnte. „Ja und nein", gab er ehrlich zu, „ich kannte ihn nicht lange... eigentlich haben wir uns nur zweimal getroffen, aber in der einen Nacht sind uns ein paar Typen gefolgt. Ich denke, das waren womöglich die selben Schläger."
Connery kniff neugierig die Augen etwas zusammen. „Sie waren demnach mit Anthony Fraser zusammen?"
„Zweimal. Und da waren diese Typen. Die haben uns verfolgt, aber wir sind noch rechtzeitig ins Haus gekommen." Die Erinnerung an den gemeinsamen Lauf in jener Nacht und ihre Angst ließ ihn tief Luft holen, bevor er weiterreden konnte. „Sie haben vor dem Haus randaliert und uns... Arschficker genannt."
Dallas holte gekrampft Luft. Es war furchtbar, das jetzt so zu wiederholen, aber der Inspektor musste es wissen, um zu verstehen, was Dallas ihm sagen wollte.
„Sie wollen damit sagen, dass die Ihnen was angetan hätten, weil die Sie beide als Homosexuelle erkannt haben", stellte Connery fest, „wie kommen Sie darauf?"
„Wir kamen aus so einem einem Club. Vielleicht haben die uns tanzen sehen. Andy ist... war ein toller Tänzer. Oder sie haben uns Hand in Hand auf der Straße gesehen."
Der Inspektor nickte. „Wie viele waren das?"
„Ich denke mindestens drei. Möglicherweise vier. Ich weiß nicht genau."
„Ist Ihnen an denen irgendwas aufgefallen?"
„Sie waren betrunken. Vielleicht waren die vorher auch in dem Club. Und mir wäre nicht aufgefallen, dass sie wie jemand von hier reden. Kein schottischer Akzent, so viel ist sicher. Englisch, aber keine Ahnung, woher die kamen oder ob die den gleichen Akzent hatten. Wir... ich war zu aufgeregt. Andy schien das schon mal passiert zu sein."
Connery nickte wieder und auch Dugan hatte mit Interesse zugehört. „Du meinst, das waren Typen, die nicht von hier sind? Aber die gehen gemeinsam in einen Club oder streifen auf der Straße umher und schlagen dann zu?"
Der Inspektor war etwas verblüfft über Dugans Einmischung, weil sie seiner eigenen Einschätzung entsprach. „So eine Art Männer- Gang, die sich trifft oder sogar auf Reisen geht, um Homosexuelle zusammenzuschlagen...", formulierte er Dugans Gedanken weiter.
„Wenn die nur Schläger- Tourismus machen, dann sind die schneller wieder weg, als Sie sie finden und fassen können", entfuhr es Dallas mit Entsetzen. „Die fahren ab und beim nächsten Tripp, irgendwo anders, könnten die das wieder tun." Er begann halb aufgeregt, halb aufgebracht auf seine Lippe zu beißen. Dugan legte ihm zur Beruhigung eine Hand auf den Arm und sah ihn an. „Es sei denn, man findet sie schnell."
„Nun ja", fiel Connery ein, „aufgrund der Information von Ihnen, Mr...?"
„Muir, Dallas Muir."
„Aufgrund Ihrer Informationen, Mr. Muir, könnten wir jemanden von unserer Polizei in den Club schicken, damit der dort Ausschau hält. Vielleicht sind verdächtige Personengruppen, auf die Ihre Beschreibung passt dort."
„Aber da sind 'ne Menge Typen. Und wenn die sich dort so auffällig benommen hätten, dann wären die rausgeflogen." Das schien Dallas alles andere als eine ausreichende Taktik zu sein. Er protestierte.
„Dann lassen wir uns eben etwas einfallen", versuchte Connery ihn zu beschwichtigen, „es ist zumindest ein Anfang. Von den Anwohnern von Mr. Fraser haben wir leider keinerlei Hinweise erhalten können."
„Vielleicht sollten Sie die mal genauer befragen", fand Dugan, „die können doch nicht so taub sein, dass die nicht mitkriegen, wenn jemand praktisch vor ihrer Haustür erschlagen wird. Andy hat sich gewehrt. Er muss doch nach Hilfe gerufen oder vor Schmerz geschrien haben."
„Woher wissen Sie, dass sich Mr. Fraser gewehrt hat?" Connery tat überrascht.
„Wer würde das nicht?", gab Dugan zurück. Der Blick, den er Connery dabei zuwarf, zeigte deutlich, dass er nicht viel von der bisherigen Polizeiarbeit hielt. „Haben Sie irgendwelche Spuren gesichert, die zu den Tätern führen könnten?"
„Wollen Sie damit andeuten, dass wir nicht wüssten, wie man in so einem Fall vorgeht?", fragte der Inspector, jetzt deutlich gereizt. Dallas war auch gereizt, denn schon wieder benutzte der Typ das Wort Fall.
Dugan schien zudem tatsächlich auf Konfrontation aus. „Ich will damit andeuten, dass die Typen wieder zuschlagen könnten, während Sie mögliche Zeugen nicht befragen und noch nicht mal in diesem Club recherchiert haben. Nach Tagen!" Sein Tonfall war jetzt beinahe bedrohlich, mindestens jedoch vorwurfsvoll.
„Es ist nicht so leicht, wie Sie vielleicht denken, jemanden in so einen Club einzuschleusen", verteidigte sich Connery.
„Was genau meinen Sie denn mit so einem Club?", schob Dugan sofort hinterher. Dallas fragte sich inzwischen, ob es volle Absicht war, den Inspektor so zu provozieren und wenn ja, was Dugan nun eigentlich beabsichtigte. Normalerweise wäre er jedenfalls nicht so... bissig.
„Können wir bitte gehen, mir reicht's", warf Dallas jetzt dazwischen und sah Dugan auffordernd an. Er würde schon herauskriegen, welchen Plan sein Freund verfolgte, sobald sie das Revier verlassen hätten.
„Ja los, hauen wir ab," gab der zurück, „hier stören wir nur den polizeilichen Frieden." Damit warf er Connery einen letzten, verächtlichen Blick zu, bevor er Dallas am Arm fasste, um zu gehen. Connery war nun durchaus einigermaßen verstimmt. „Das ist doch nicht zu fassen", stieß er hervor. „Sie haben doch überhaupt keine Ahnung von den üblichen Verfahrensweisen..."
„Sehen Sie lieber zu, dass Sie ihr Verfahren voranbringen...", provozierte Dugan weiter.
„Verlassen Sie sofort mein Büro!"
„Nichts lieber als das!"
Die beiden jungen Männer taten genau das und kaum waren sie außer Hörweite, da konnte Dallas sich auch schon nicht mehr zurückhalten. „Verdammt, Dugan, was sollte das denn?!"
Der begann auf eine seltsame Weise zu lächeln. „Das erkläre ich dir, sobald wir hier raus sind."
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