Teil 17 Männergespräch


Am nächsten Morgen erwachte Dallas mit Kopfschmerzen. Okay, er hatte getrunken, aber nicht übermäßig, also konnte das nur bedeuten, dass er wieder diesen Traum gehabt hatte, den er einfach nicht loswerden konnte. Er hatte nicht mitgezählt, aber seit er Lanark verlassen hatte, gab es wohl kaum eine Nacht, in der er nicht von Dugan in der Blutlache auf der Straße träumte. Warum ließ ihn das nicht endlich los? Hatte er am Ende ein schlechtes Gewissen? Aber warum? Weil er gegangen war, als klar war, dass es keinen Sinn ergab? Hatte er sich irgendetwas vorzuwerfen? Er war abgehauen... Bestimmt würde es besser, wenn er Andy wiedersah. Er ging unter die kalte Dusche, was für gewöhnlich half. Zumindest bekam er einen klaren Kopf und hörte auf zu grübeln. Im Frühstücksraum war er der erste der Gruppe, was nicht weiter verwunderlich war, wenn er sich an die Geräusche der letzten Nacht erinnerte. Bei der dritten Tasse Kaffee kam dann Tariq dazu. „Guten Morgen", murmelte er, alles andere als ausgeschlafen.

„Das muss ein sehr guter Morgen sein, nach allem, was man so hört", gab Dallas mit einem vielsagenden Grinsen zurück. 

Tariq sah aus, als wolle er rot werden. „Fuck, sag nicht, ihr habt alles mitgekriegt."

„Vielleicht hast du Glück und Robert ist taub."

„Fuck."

„Jetzt beruhig dich. Freut mich, dass es doch noch zwischen euch gefunkt hat. Wann ist die Hochzeit?" Dallas hatte gar nicht gewusst, dass man Tariq so leicht aufziehen konnte, aber der war jetzt tatsächlich rot. 

Tariq grinste. „Wenn's in dem Tempo weiter geht, gleich morgen."

„Wow!"

„Ja, genau." Tariq schnappte sich schon mal eine von Dallas' Toastscheiben, um die Wartezeit auf sein eigenes Frühstück zu überbrücken. „Da versteh einer die englischen Mädchen", begann er dann zu philosophieren, „wochenlang bin ich nur der Handlanger und gestern Abend plötzlich bin ich Mr. Sex."

„Ist doch das, was du wolltest."

„Stimmt. Aber wie erkläre ich das meiner Familie?"

„Na, das mit Mr. Sex lässt du weg", schlug Dallas im Scherz vor und Tariq musste direkt lachen.

„Oh, ja, unbedingt."

Dallas merkte schon, dass Tariq wirklich darüber reden wollte, ihm war nur nicht klar, warum Tariq sich da einen guten Rat von ihm erhoffte.

„Deine Eltern sind wohl sehr traditionell?", fragte er dann.

Tariq nickte. Bingo. „Sie leben in ihrer eigenen kleinen Welt. Ich denke, sie können sich gar nicht vorstellen, dass ich Mädchen kennenlerne, die keine Muslima sind."

„Naja, dann musst du ihnen Janice eben vorstellen. Wenn es an der Zeit ist."

„Wie haben deine Eltern reagiert, als sie erfahren haben was du bist?" Tariqs Frage lag irgendwie auf der Hand, auch wenn Dallas die Antwort nicht ganz so einfach fand. Wie hatten seine Eltern reagiert?

„Wenn ich ehrlich sein soll, waren die sehr vernünftig. Ich meine, sie wissen, dass wir im 21. Jahrhundert leben und dass das alles kein Problem ist. Also haben sie gesagt, dass es in Ordnung ist und dass ich wissen muss, was ich tue und so. Aber wenn ich darüber nachdenke, dann glaube ich nicht, dass sie es wirklich kapiert haben. Wenn ich morgen zu denen ginge, um zu sagen, dass das alles nur ein Irrtum war und ich das richtige Mädchen zum Kinderkriegen gefunden habe, dann hätten die Tränen der Erleichterung in den Augen. Das ist der Grund, warum ich in London gelebt habe. Ich wollte nicht ständig die fragenden Blicke meiner Mutter sehen, ob nicht endlich das richtige Mädchen gekommen sei."

„Das ist ganz schön verworren", fand Tariq. „Aber vor allem unsere Mütter sind wohl so."

„Ich glaube, manchmal ist die Wahrheit einfach schwer zu verstehen, wenn sie den Vorstellungen nicht entspricht. Deine Eltern können sich nicht vorstellen, dass du dich in eine Engländerin verliebst, wenn es so viel einfacher ist, eine Pakistani zu lieben. Meine können sich nicht vorstellen, warum ich Männer liebe, wenn es so viel einfacher ist, Frauen zu lieben."

„Hast du mal darüber nachgedacht?" 

Über Frauen?

Dallas grinste. Offenbar konnte er mit Tariq reden und Tariq mit ihm, auch wenn sie völlig verschieden waren. „Nein, zu keinem Zeitpunkt. Ich bin mit drei Schwestern aufgewachsen und irgendwann ging das los, dass meine Schulfreunde sich für die interessierten. Aber mir waren die Schwestern der anderen völlig egal."

Tariq nickte verständig, dann fiel ihm aber noch etwas ein: „Der Typ oben in Lanark. Der war dir alles andere als egal."

Damit hatte Dallas nicht gerechnet. „Wie kommst du jetzt auf den?" Tariq schien tatsächlich fast besorgt und weniger neugierig zu sein.

„Der hat dir echt zugesetzt. Du bist ein selbstbewusster, moderner, junger Mann, der weiß, was er will. Aber du verstehst nicht, was da abgelaufen ist. Du glaubst, dass er dich angelogen hat. Und das könnte dir völlig egal sein, weil du 'n klasse Typ bist und bestimmt nicht lange auf den Nächsten warten musst, aber du bist beleidigt."

„Beleidigt?"

„Ja, weil du nicht verstehst, was los war. Und das kennst du nicht."

„Das stimmt. Aber diese Werwolfgeschichten, die man euch da aufgetischt hat, die sind doch wohl völlig jenseits von Gut und Böse."

„Janice ist fasziniert davon."

„Ach ja?"

„Ja, sie sagt, es ist vielleicht ein Fluch oder sowas in der Art. Und wenn es so ist, dann muss der Fluch gebrochen werden."

„Kann es sein, dass Frauen echt alles romantisieren können? Wenn da wirklich ein Typ herumläuft, der Frauen vergewaltigt und Tiere abschlachtet, dann gehört der hinter Gitter."

„Schon klar, du bist weder abergläubisch, noch romantisch."

„Nein." Leider mehr als mir lieb ist. Dallas war trotz aller Ehrlichkeit, die beide Männer in dem Gespräch an den Tag legten, nicht willens, alles zuzugeben. Die Frau im roten Anorak hatte ihn voll erwischt, aber das musste einfach völliger Blödsinn sein. Tariq sah einen Augenblick so aus, als würde er das Nein so nicht akzeptieren, aber dann kam die Kellnerin mit mehr Frühstück.

„Danke für das Gespräch", sagte Tariq dann.

Dallas nickte. „Keine Ursache. War ein gutes Gespräch." Er deutete auf das Frühstück. „Und jetzt sieh zu, dass du mit 'nem Frühstückstablett nach oben gehst. Janice muss doch halb verhungert sein."

Tariq grinste. Er ließ sich das Tablett von der Kellnerin geben und packte es voll. „Wir sehen uns dann."

„Bis später."

Dallas schaute Tariq hinterher, bis der mit dem Tablett verschwunden war. Bestimmt würde Robert bald auftauchen. Trotzdem würden sie heute wohl alles andere als zeitig loskommen. Er beschloss also, noch einen Tee zu trinken. 

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