Teil 15 Werwolf-Schwachsinn!
Dallas und die anderen fuhren fast ohne etwas zu sagen, bis sie ein gutes Stück Straße zwischen sich und Lanark gebracht hatten. Die Straße führte am See entlang und irgendwann kamen sie noch an einem halb verwitterten Grenzstein vorbei, der das Familienwappen zeigte. „Die Gegend hier war mir von Anfang an unheimlich", begann Janice endlich, „gut, dass wir weiterfahren."
„Du hast dich nur zu sehr von diesen Gruselgeschichten beeindrucken lassen", bemerkte Tariq.
„Das ist nicht weiter ungewöhnlich", ergänzte Robert, „je weiter man in die abgelegenen Gegenden im Norden kommt, desto mehr von diesen alten Geschichten erzählen sich die Leute."
„Aber sie haben gesagt, dass sie glauben, dass ein Wolf in der Gegend sein Unwesen treibt. Präsens. Sie haben nicht gesagt, dass das eine alte Geschichte ist." Janice schaute sie alle nacheinander an. Es war ihr nicht klar, warum keiner der Männer beeindruckt schien. Am wenigsten wohl Dallas.
„Wie kann denn ein Wolf sein Unwesen treiben? Das sind nur Tiere, die gab es hier schon immer. Die folgen nur ihrem Instinkt", sagte Dallas, weil er ihren Blick spürte, und lieber etwas sagen wollte, bevor irgendjemand anfing, ihn wegen des plötzlichen Aufbruchs auszufragen.
„Du warst nicht da, als uns der Wirt diese Geschichte mit der Missgeburt erzählt hat", fuhr Janice fort, „angeblich war das Mädchen mehrere Tage während des Vollmonds verschwunden und völlig verwirrt, als man sie am Seeufer fand."
„Und deswegen hatte sie Sex mit einem Tier? Oh, bitte..." Dallas rollte genervt mit den Augen.
„Sie sagten, es sei ein Werwolf gewesen."
„Ja klar! Die gibt es ja auch." Dallas konnte den Sarkasmus in seiner Stimme nicht verbergen.
„Das sagen die Leute tatsächlich." Tariq hatte offenbar auch eine Meinung. „Und der Vorfall mit dem Mädchen war erst vor ein paar Monaten. Ein anderer Typ hat erzählt, dass die Schäfer früher immer ein Schaf außerhalb des Zauns angebunden haben, damit der Wolf das eine reißt und nicht in die Umzäunung einbricht."
„Das würde wohl auch einem völlig normalen Wolf gefallen", fand Robert.
„Am scheußlichsten war die Geschichte über den Farmer, der den Werwolf angeblich angeschossen hat", begann Janice wieder.
„Lass mich raten, mit einer Silberpatrone?" Dallas konnte sowas einfach nicht ernst nehmen. Die Highlands waren weder ein Hollywood, noch ein Disneyland.
„Das haben sie nicht erwähnt", sagte Tariq, „aber der Mann und ein paar andere sollen der Blutspur gefolgt sein, bis sie zu dem Fluss gekommen sind, der direkt durch den Park von Lanark fließt. Dort muss der Wolf durch das Wasser oder dem Flusslauf gefolgt sein. Sie erzählen sich, es sei der alte Laird gewesen, Dugans Großvater."
„Wie kommen die Leute auf sowas?"
„Sie sagen", erklärte Janice, „der habe danach einen Arm gehabt, den er nicht mehr richtig gebrauchen konnte. Und wenn man wieder Spuren fand, sah es aus, als würde der Wolf mit einer Vorderpfote hinken."
„Warum haben sie ihm nicht nochmal aufgelauert, um ihn zu erschießen?"
„Weil sie den alten Laird nicht töten wollten. Ein Menschenleben sind so ein paar Schafe dann doch nicht wert."
„Was für ein Aberglauben!" Dallas stellte sich vor, wie das für Dugan sein musste, wenn er so eine Geschichte über seinen eigenen Großvater hörte. Kein Wunder, dass er sich dann so für die Wölfe in der Gegend einsetzte. Und auch keine Wunder, dass er dann keine Lust auf die Begegnung mit diesen Leuten, die so etwas erzählten, hatte. Woher Dallas das wusste, war ihm schleierhaft, aber irgendetwas an der Begegnung mit dem jungen Mann hatte ihm gesagt, hier war jemand, der zu viel allein war.
„Ist doch seltsam", begann Janice wieder, „dass da in dem Haus gar keine Bilder von der Familie an der Wand waren. Damit würde man doch rechnen." Da hatte sie sicherlich einen Punkt. In allen anderen alten Häusern und erst recht so herrschaftlichen wie Lanark, hingen die Wände voll mit Ahnenporträts oder Jagdwaffen und Trophäen. All das fehlte auffällig. Das Einzige was sie gesehen hatten, war das Familienwappen mit dem Hirsch und dem Hund...Wolf?
„Ich denke, der Typ ist jung und wollte den ganzen alten Kram nicht ständig sehen", warf Robert ein, „mal ehrlich, schön geht anders und ich verstehe zwar nichts von Kunst, aber..."
„...würdest du solche Sachen einfach verschwinden lassen?", wandte Tariq ein. „Das sind doch Erinnerungen über Jahrhunderte und wahrscheinlich haben die was mit der Geschichte von Schottland zu tun."
„Das muss nicht heißen, dass Dugan sie ständig sehen will. Und das Haus ist riesig, wahrscheinlich ist das Zeug irgendwo anders." Dallas kam es trivial vor, aber Dugan hatte in seinem Zimmer, voll mit Büchern und Fellen, auch eine Stereoanlage. Was sollte er mit all dem alten Krempel? Er machte bestimmt nicht den Eindruck, dass er altmodisch wäre. Nicht in den roten Gummistiefeln und schon gar nicht in der Art, wie er die Sache mit Dallas vorangetrieben hatte. Altmodisch? Auf gar keinen Fall. Seltsam, einsam? Ja, schon. Okay, auch sehr seltsam...irgendwie. Da war das, was er über seine Augen gesagt hatte. Seine Stimme, seine Sinne, hören, riechen, der Sex... Hellfire...
„Jedenfalls war da nirgendwo ein Bild von seinem Opa als Werwolf!", setzte Dallas noch mit Nachdruck hinzu.
„Eben, das würde ich auch wegräumen", schnippte Janice, „und jetzt sag nicht, du bist da so fluchtartig abgehauen, weil da alles völlig in Ordnung war!"
Fuck! Logisch, irgendwann musste jemand das Thema 'rauskriegen. „Ich bin nicht auf der Flucht gewesen", versuchte Dallas ruhig darzulegen. „Ich bin abgehauen, weil wir Streit hatten." Das war nicht ein Stück mehr Information als er von vornherein zugegeben hatte. Jetzt war er nicht mal sicher, ob Streit das richtige Wort war. Er war wütend gewesen, weil er sich dabei ertappt fühlte, wie er sich verliebte. Und Dugan hatte dieses ganze Zeug geredet. Er bringe kein Glück, er sei nicht gut für ihn, er sei gefährlich... und trotzdem hatten sie sich geküsst und trotzdem fühlten sich die Küsse richtig an, wie überhaupt alles, außer den Worten von diesem eingebildeten, rätselhaft dominierenden, schnuppernden, leckenden, verfluchten Vegetarier- Landbesitzer- Wolfsfreund- Bastard!
„Du warst bei Streit", erinnerte Janice ihn von der Seite, „worüber habt ihr gestritten?"
„Das geht dich nichts an", schnippte er zurück. Sie hatte gerade knapp und als Letzte verstanden, dass er nicht in der Frauenabteilung unterwegs war und jetzt wollte sie das ganze Drama?
„Jetzt bock nicht 'rum und gib uns 'ne Erklärung ", kam es von Tariq, „das ist wohl nicht zu viel verlangt, wo du schon die ganze Nacht fort warst und uns im Pub praktisch 'rausgetrieben hast."
Nicht zu viel verlangt!?
Dallas zögerte. „Ist doch völlig egal. Das war ein One-Night-Stand und er kann machen, was er will und ich sowieso. Aber stattdessen hat er so blödes Zeug erzählt. Von mir aus kann er zur Hölle fahren." Blödes Zeug, das nach einer Warnung klang... aber wovor? Diese Werwolfgeschichte fehlte gerade noch... Aus irgendeinem Grund, den er selbst nicht verstand, hatte Dallas jetzt das Gefühl, zu früh nachgegeben zu haben. Wenn er weiter gefragt hätte, vielleicht hätte er dann eine plausible Antwort von Dugan erhalten. Was, wenn er wirklich an einer Krankheit litt? Wieso sollte er das gleich jemandem wie Dallas auf die Nase binden? Weil ich nicht völlig bescheuert bin und von sowas wie AIDS schon mal gehört habe?! Weil wir Safer Sex hatten?! Und wenn es das nicht war? Wenn es noch gefährlicher, tödlicher war?
„Du bist ganz schön beleidigt wegen dem Typen, Sunny", bemerkte Robert, „hast den wohl echt gern..."
„Fahr zu und lasst mich einfach in Ruhe!"
„Ich bleib dabei, der war irgendwie freakig." Janice musste anscheinend das letzte Wort haben und Dallas war das jetzt egal. Er stellte den Kragen seiner Jacke auf, verschränkte die Arme und legte den Kopf zur Seite, um wenigstens so zu tun, als wolle er etwas Schlaf nachholen. Die anderen könnten ihn wecken, wenn sie im nächsten Gasthof der Reise angekommen waren.
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