Kapitel 7 [Marcus]
Zum ersten Mal seit längerem kam ich glücklich in die Schule. Als ich dann Paul entdeckte, der mit Andreas und Lucy vor meinem Spind stand, wurde das Grinsen auf meinem Gesicht noch größer.
„Marcus!" Erfreut winkte er mich zu sich. Anscheinend hatten heute alle gute Laune. Naja, bis auf Andreas, aber er hatte auch gleich Mathe, da konnte ich seine schlechte Laune verstehen.
„Hey. Alles klar?" Ich schlug mit ihm und Andreas ein, bevor ich Lucy umarmte.
„Alles bestens. Aber wir wollten dich fragen, ob du Bock auf ein Festival hast?" Andreas blickte mich auffordernd an.
„Klar, was denn für eins?"
„In den Sommerferien ist eins in der Nähe von London. Direkt erste Woche ab Donnerstag. Hab vergessen wie's heißt."
Jetzt konnte ich mir ein Lachen nicht mehr verkneifen, als ich meinen Spind öffnete. Die Blicke der anderen waren herrlich. Ich öffnete meinen Rucksack und holte die vier Tickets für genau dieses Festival heraus, die gestern endlich mit der Post angekommen waren. Lucy riss sie mir sofort aus der Hand, weswegen ich nun meine Sachen für die nächste Stunde in meinen Rucksack packte.
„Sick!", staunte Paul. „Aber was hättest du gemacht, wenn wir nicht gekonnt hätten?"
„Euch getötet." Grinsend schloss ich meinen Spind wieder.
„Warum hast du sie schon?"
„Mein Bruder hat mir schon davon erzählt, als er zu Besuch war. Dachte, es wäre ganz cool, wenn wir dahin gehen würden und habe die Tickets bestellt", erklärte ich und nahm die Tickets wieder an mich, als Lucy sie mir gab.
„Cool! Können wir dir das Geld morgen geben?" Sie schien sich wirklich sehr zu freuen. Ich winkte bloß ab.
„Lasst mal stecken. Ich wäre dafür, dass ich die Tickets bezahle und ihr das Essen dort. Um Zugtickets kümmern wir uns alle selber."
Kurz überlegten sie, ob es eine faire Rechnung war, auch wenn ich davon ausging, dass Andreas nur so tat als ob. Schließlich nickten sie dann und ich grinste etwas.
- -
„Marcus!", zischte ein Mädchen in der Reihe hinter mir leise. Ich drehte mich um und sah, wie sie mir ein Stück Papier gab, auf dem mein Name stand. Ich nahm es entgegen. Von wem war es? Als ich es aufklappte, war die Frage beantwortet.
‚Können wir reden Beans?'
Einen Moment starrte ich auf den Zettel, dann knüllte ich ihn zusammen, stand auf und warf ihn in den Müll. Ich spürte Jesses flehenden Blick auf mir, aber scherte mich nicht weiter darum. Wenn er mich mochte, dann sollte er es mir zeigen und zwar nicht nur privat. Solange das nicht geschah, würde ich auch nicht mit ihm reden. Das ließ nur mein Herz weiter brechen.
Paul lehnte sich zu mir. „Von wem war der?"
„Niemand wichtigen", lächelte ich nur.
„Aha."
Mir kam es immer mehr so vor, als würde er eine Ahnung haben und ich nahm mir vor, ihm bald von mir aus davon zu erzählen, bevor er mich damit konfrontierte und ich es ihm somit unfreiwillig erklären musste.
- -
„Verdammt, Marcus! Du kannst nicht für immer von mir weglaufen!" Jesse versuchte mich nach der Stunde einzuholen.
Mein bester Freund neben mir erstarrte.
„Wenn er dir aus dem Weg geht, dann will er wohl nicht mit dir reden", meinte er spitz.
„Was hast du denn jetzt damit zu tun? Bist du sein Bodyguard oder was?" Jesse warf Paul einen abschätzigen Blick zu. Dass die beiden sich nicht leiden konnten, würde sogar ein Blinder mit Krückstock sehen.
„Bei so jemand nervigen wie dir, braucht er auf jeden Fall einen."
Ich seufzte, weswegen die Aufmerksamkeit plötzlich wieder bei mir lag. „Jesse, bitte hau einfach ab. Ich habe dir doch klar gemacht, dass ich nichts mit dir zu tun haben will. Ich habe meinen Freundeskreis und dazu gehörst du nicht und das wirst du auch nie."
Wütend blitzte er mich an, aber ich meinte auch etwas Schmerz erkennen zu können. War das zu hart gewesen?
Er drehte sich ruckartig um und verschwand.
„Wow. Dem hast du's gezeigt", grinste Paul. Ich erwiderte sein Grinsen, auch wenn es nur halbherzig war. Warum hatte ich das gesagt? Ich wollte mir doch die Möglichkeit offen halten, irgendwann mit ihm reden zu können. Nur halt eben, wenn ich es wollte und nicht, wenn er es wollte.
- -
Erschöpft machte ich mich auf den Heimweg, als die Schule endlich geendet hatte. Da bald viele Klausuren anstanden, würde ich noch etwas lernen. Es überraschte mich selber, wie sehr ich mich verändert hatte. Als ich noch in Southampton gewohnt hatte, war mir die Schule herzlich egal gewesen. Genauso wie Jesse an unserer High School, gehörte ich ebenfalls zu den Cooleren. Ich hoffte bloß, dass ich nicht so schrecklich gewesen war wie der Ältere. Sicherlich war ich erträglicher gewesen.
Gerade war ich zuhause angekommen, als ich ein Motorrad vor unserer Haustür stehen sah. Oh nein, das kannte ich doch. Unwohl schweifte mein Blick nach rechts und links, konnte jedoch niemanden erkennen, weswegen ich die Tür aufschloss.
„Hey Marcus. So ein Kumpel von dir aus der Schule ist hier. Er wartet in deinem Zimmer", meinte Dane desinteressiert, während er auf sein Handy glotzte und an mir vorbei in Richtung Wohnzimmer lief.
„Okay, danke." Schnell lief ich die Treppen zu meinem Zimmer hoch und riss die Tür auf. „Was machst du hier, Jesse? War ich nicht deutlich genug vorhin?"
„Ich glaube dir nicht, dass du mich nicht magst. Du konntest mir nicht widerstehen", sagte er ruhig und lehnte sich zurück. Er hatte er sich auf meinem Bett gemütlich gemacht. Sein Blick haftete auf mir.
„Es ist aber so. Geh bitte." Auffordernd zeigte ich auf die Tür, jedoch schüttelte er den Kopf.
„Mach die Tür zu, wir müssen reden."
Einen ganzen Moment lang blickten wir uns herausfordernd an, dann verdrehte ich die Augen und schloss die Tür, lehnte mich sogleich dagegen. Ich würde den Sicherheitsabstand auf jeden Fall einhalten, sonst verfiel ich ihm wieder.
„Also? Was ist mit dir los? Warum gehst du mir aus dem Weg?"
„Weil mich dein Charakter ankotzt! Du nutzt Leute aus! Mir ist es peinlich, mit dir befreundet zu sein und genauso ausgenutzt zu werden wie alle anderen Mädchen, nur, dass es bei mir niemand weiß. Du denkst, du kannst still und heimlich mit mir machen was du willst, aber das ist nicht so. Ich bin nicht abhängig von dir und ich brauche dich nicht. Also, bitte Verlass jetzt mein Haus."
Jesse erhob sich überraschenderweise sofort und kam auf mich zu. Ich trat zur Seite, damit er den Raum verlassen konnte, jedoch küsste er mich grob. Für einen Moment war ich so überrascht, dass ich erwiderte, dann schubste ich ihn weg.
„Genau das meine ich! Du bist ein verdammtes Arschloch! Hau ab, man!"
„Marcus, ich will dich nicht verlieren", nuschelte er und schaute mich mit dem besten Hundeblick an, den er auf Lager hatte. Nicht mit mir, Jesse. Zumindest heute nicht.
„Ach ja? Dafür zeigst du es aber sehr wenig vor anderen", zischte ich gepresst.
„Weil meine Freunde es nicht akzeptieren würden. Ich beschütze dich!"
Ein ironisches Lachen verließ meine Lippen. „Danke. Du bist mein Held!"
„Beans...bitte. Lass uns Freunde sein."
„Nein! Verdammt, ich kann nicht mit dir befreundet sein! Jedes Mal, wenn du irgendein Mädel anschleppst, bricht es mir das Herz! Ich will sowas nicht sehen und ich kann nicht so tun als ob es mir egal wäre oder ich mich sogar für dich freuen würde!", rief ich jetzt aus.
Dann herrschte Stille.
„Marcus..."
„Geh jetzt", flüsterte ich gebrochen.
„Nein! Du erklärst es mir jetzt! Hast du Gefühle für mich?", wollte Jesse wissen.
„Was denkst du denn?! Dass ich einfach ein besitzergreifender Kumpel bin oder was?! Ach komm, Spar dir das. Entweder du lässt mich immer in Ruhe, wie in der Schule, oder du bist immer so zu mir, wie du privat bist. Entscheide dich. Ich habe keine Lust und Zeit dazu, verarscht zu werden."
Wieder war es zwischen uns still. Jesse schaute verzweifelt und schien mit sich zu Ringen. In dem Moment merkte ich, dass er mich wirklich gerne hatte. Vermutlich mehr, als er es wollte. Irgendwas oder irgendjemand hinderte ihn daran, dazu zu stehen.
„Ich habe keine Gefühle für dich, Marcus", meinte er dann mit fester Stimme, aber seine Augen sagten etwas so anderes aus. Ich schüttelte nur meinen Kopf. Wie konnte man nur so bescheuert sein?
„Gut. Wenn du aus der Tür gehst, dann war es das. Wir reden nicht mehr miteinander, wir treffen uns nicht mehr, wir schreiben nicht mehr und vor allem kommst du nicht mehr angekrochen, wenn du irgendwen brauchst."
Er nickte schwer und lief nach kurzem Zögern aus dem Zimmer. Kurz darauf hörte ich die Haustür ins Schloss fallen. Frustriert atmete ich auf und lief an mein Fenster, um zu sehen, wie Jesse sich den Motorradhelm aufsetzte und wegfuhr.
Das war's mit uns, Jesse.
Ich bin so, so happy wie meine Klausuren dann noch ausgefallen sind! Bei dem Hintergrund, dass es mir wirklich mental immer schlechter ging, habe ich das beste rausgeholt. Bis auf 2 Fächer bin ich auch sehr zufrieden mit meinem Zeugnis. Nächstes Halbjahr müssen die beiden Fächer noch besser werden, sodass ich meinen Wunsch-schnitt erreichen kann🤭
Wie ist euer Zeugnis so? Seid ihr zufrieden?
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