Chapter 97
Wir hielten uns an Katherines Vorschlag und ich versuchte, mich auf alles andere zu konzentrieren, um nicht an meine Zwillingsschwester zu denken, die hier irgendwo herumlief und mich nicht sehen wollte. Aber selbst Hayleys Hochzeit konnte mich nicht ablenken, obwohl es eine wunderschöne Zeremonie war, in deren Folge alle Werwölfe aus ihrem Rudel die gleichen Fähigkeiten wie sie als Hybridin bekamen. Meine Gedanken wanderten immer wieder zu Freya und wie ich es schaffen könnte, sie doch irgendwie zu kontaktieren. Ich hatte so viele Fragen, die mich wahnsinnig machten. War sie die ganze Zeit am Leben gewesen, oder war sie gerade erst zurückgekommen? Lebte sie noch immer bei Dahlia oder hatte sie es geschafft, sich von ihr zu befreien? Wenn sie frei war, hatte sie dann je nach mir gesucht? Hatte sie die letzten Jahrhunderte auch gedacht, dass ich gestorben wäre? Oder wollte sie nur nichts mit mir zu tun haben, aus welchem Grund auch immer? Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass Freya mich abgrundtief hasste, weil ich nicht besser nach ihr gesucht, mehr für sie gekämpft hatte, würde ich doch alles tun, um sie nur noch einmal zu sehen, um noch einmal mit ihr sprechen zu können. Nach allem war sie doch immer noch meine Schwester und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als sie wiederzusehen, nur um mich zu vergewissern, dass es ihr gut ging.
Kat hatte mich gerade zu einem Tanz aufgefordert, um mich auf andere Gedanken zu bringen, als Nik auf uns zu kam und dabei mehrere angetrunkene Werwölfe aus dem Weg stieß. Meine Freundin spannte sich sofort leicht an und ich trat wie nebenbei zwischen die beiden. Auch wenn sie mittlerweile ihre Freiheit zurück hatte, war sie doch noch immer nervös in der Gegenwart meines Bruders und ich konnte ihr das nicht verübeln. "Du musst sofort mitkommen, Malina", begrüßte mein Bruder mich und beachtete die Doppelgängerin an meiner Seite gar nicht. "Es geht um Kol. Unser Bruder Finn hat ihn verflucht und... er stirbt. Heute noch. Wenn du dich von ihm verabschieden willst, dann solltest du mitkommen und das jetzt tun."
Seine Worte kamen nur langsam bei mir an und jegliche Vorsätze, trotz meiner Sorgen heute einen schönen Abend zu haben, verschwanden aus meinem Kopf. Wie betäubt folgte ich meinen Geschwistern zum Friedhof, wo sie sofort in eine Gruft gingen, in der Kol sich anscheinend aufhielt, um seinen letzten Atemzug zu machen. Irgendwie war das makaber, aber andererseits passte es zu Kol. Nur er konnte sich zum Sterben ausgerechnet den Friedhof aussuchen. Ich hatte keinen Kontakt zu meinem Bruder gehabt, seit er als Hexer ins Leben zurückgekehrt war, weil ich die ganze Zeit bei Hope geblieben war, und ich konnte nicht glauben, dass er jetzt schon wieder sterben sollte. Wie konnte es sein, dass sich die Geschichte aus Mystic Falls wiederholte? Ich hätte daraus lernen sollen, dass ich nicht so viel Zeit mit meinen Geschwistern hatte, wie ich es mir wünschte.
"Wieso nur hast du die Angewohnheit, immer dann zu sterben, wenn ich gerade erst anfange die Gelegenheit zu bekommen, dich überhaupt kennenzulernen?", flüsterte ich, während ich mich neben meinen Geschwistern zu ihm auf den Boden kniete. Er sah grauenhaft aus, seine Haut so blass, dass ich erschrak.
"Vielleicht solltest du dich in Zukunft von mir fernhalten, Schwester, du scheinst mir Unglück zu bringen", antwortete Kol grinsend, doch sein Lachen verwandelte sich schnell in ein blutiges Husten. "Auch wenn es für mich wohl keine Zukunft mehr gibt."
"Ganz ruhig, Kol", meinte Rebekah leise und strich ihm behutsam durch die Haare. "Du wirst als Hexer sterben. Wir werden dich beerdigen, dann wirst du zu den Ahnen gehen, und diese Seelen können zurückgeholt werden. Ich werde nicht eher aufgeben, bis ich einen Weg gefunden habe, dich zurückzubringen, das verspreche ich dir."
"Das hier war immer alles, was ich mir je gewünscht habe", flüsterte Kol hustend. "Dass meine Geschwister sich um mich sorgen."
"Du bist unser Bruder, Kol", erwiderte Elijah mit belegter Stimme. "Und auch wenn wir nicht immer alles richtig gemacht haben, wirst du immer ein Teil unserer Familie sein."
"Für immer und ewig?", fragte er leise und musterte unsere Geschwister. "Nicht nur ihr drei?"
"Für immer und ewig", lautete Niks leise Antwort. "Wir alle."
Kols blutverschmierte Lippen verzogen sich ein letztes Mal zu einem leichten Lächeln, bevor er nach Luft schnappte und die Gruft kurz darauf von einer grausamen Stille erfasst wurde. Sein Atem, sein Herzschlag waren nicht mehr zu hören. Er war tot.
Langsam stand ich auf und verließ den Friedhof mit schweren Schritten. Meine Geschwister blieben bei Kol, aber ich konnte den Anblick seines toten Körpers nicht länger ertragen. Tränen liefen haltlos über meine Wangen und ich war schon fast im Zentrum der Stadt angekommen, als jemand mich an meiner Schulter packte. Ohne zu überlegen drehte ich mich um und drückte die Person gegen die Wand, meinen Unterarm an ihre Kehle gedrückt, bis mir klar wurde, wer mich ansah.
"Es tut mir leid, Mal", flüsterte Kat leise und schien sich nicht darum zu stören, dass ich gerade versuchte, sie zu erwürgen. Sofort ließ ich sie los, aber als ich das Gefühl hatte, dass meine Beine mich nicht mehr tragen würden, war sie bereits da und drückte mich fest an sich. "Es tut mir so leid, dass du immer alle verlieren musst."
"Es tut so weh", schluchzte ich leise und lehnte meinen Kopf an ihre Schulter. "Wieso muss es nur jedes Mal wieder so wehtun?"
"Ich weiß es nicht, Mal. Aber es wird besser werden, das verspreche ich dir. Du hast das bisher immer überwunden, jedes Mal, und dieses Mal wird es nicht anders sein. Dass du so trauerst, ist ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass du ihn wirklich aufrecht geliebt hast."
"Ich kannte ihn nicht einmal wirklich", murmelte ich voller Schuld und Kat drückte mich daraufhin nur noch enger an sich.
"Er war dein Bruder, Mal. So sehr du auch immer sagst, dass du all die Jahrhunderte gut ohne sie ausgekommen bist, deine Familie bedeutet dir alles. Du musstest ihn nicht kennen, um ihn zu lieben."
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