Chapter 95

Unser Leben mit Rebekah und Hope war ereignisloser, als ich erwartet hatte, aber es lag mir fern, mich darüber zu beschweren. Ich hatte schnell gemerkt, dass ich durch meine neu wiedererlangte Magie mehr Blut brauchte, aber das war ein geringer Preis, den zu zahlen ich nur zu gerne bereit war. Nachdem ich diverse Zauber gesprochen hatte, um unsere Anwesenheit in dem kleinen Haus, in dem wir uns niedergelassen hatten, zu verbergen, beschäftigte ich mich weiter damit, meine wiedergewonnenen Fähigkeiten zu üben. Es fühlte sich merkwürdig an, das ohne Freya an meiner Seite zu tun. Unsere Magie war immer etwas gewesen, das uns beide verbunden hatte, auch wenn sie immer begabter gewesen war als ich. Aber mit den Wochen und Monaten, die verstrichen, gewöhnte ich mich auch daran. Kat kümmerte sich währenddessen liebevoll um die kleine Hope und ich war erstaunt, wie sehr sie in ihrer neuen Rolle aufging. Es war eine friedliche Zeit, zumindest bis Rebekah mit Hope verschwand. Sie hatte eigentlich nur kurz mit Hope einen Spaziergang machen wollen und war jetzt schon seit einigen Stunden nicht wieder aufgetaucht. Ich war gerade dabei, einen Lokalisierungszauber vorzubereiten, weil ich anfing, mir Sorgen zu machen, als sie mich anrief.

"Was ist los, Rebekah?", meldete ich mich sofort.

"Entschuldige, dass ich mich jetzt erst melde. Wir waren gerade erst losgelaufen, als ich bemerkt habe, dass ein paar Vögel uns verfolgt haben. Ich weiß, das klingt paranoid, aber ich glaube, dass unsere Mutter uns gefunden hat."

"Sie, oder Dahlia", antwortete ich tonlos und atmete einmal tief durch. Ich wusste, dass das irgendwann passieren würde, ich musste mich jetzt zusammenreißen. "Wo seid ihr jetzt? Wir kommen zu euch, dann spreche ich noch einen Verhüllungszauber."

"Wir sind in einem Diner östlich von hier. Ich wollte mich mit Elijah treffen, damit er uns zusätzlich unterstützt. Leider ist unser Bruder erst seit kurzem aus den Fängen unserer Mutter befreit worden und die hat wohl in seinem Gehirn herumgepfuscht, weshalb er jetzt alle Menschen hier abgeschlachtet hat."

"Was? Elijah hat ein ganzes Diner ermordet?", fragte ich schockiert und bei diesen Worten blieb auch Kat wie erstarrt stehen, die gerade zu mir ins Zimmer kam. Einige Sekunden sah sie mich fassungslos an und blinzelte dann einige Male. "Ich packe unsere Sachen", verkündete sie dann leise und verschwand wieder aus dem Zimmer.

"Wo ist Elijah jetzt?", fragte ich meine Schwester, als ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte.

"Hier bei mir, ich habe ihm das Genick gebrochen. Aber ich habe schon mit Nik gesprochen, hier werden wir nicht bleiben. Wir treffen uns in einem alten Anwesen von uns in der Nähe. Ich schicke dir die Adresse."

"Okay, wir sehen uns da", erwiderte ich und legte dann mein Handy weg.

Nur wenige Stunden später kamen Kat und ich bei unserem Anwesen an, von dem ich nicht einmal wusste, dass unsere Familie es besaß. Offenbar kamen wir nur kurz nach Nik und Hayley an, die bereits im Haus waren und die verpasste Zeit mit ihrer Tochter nachholten. Ich hätte die glückliche Wiedervereinigung gerne miterlebt, aber jetzt gerade gab es Wichtigeres für mich zu tun. Kaum aus dem Auto ausgestiegen begann ich bereits mit einem Zauber, der unsere Anwesenheit hier verbarg.

"Also ist Rebekah doch nicht verrückt geworden", begrüßte Elijah uns, der gerade aus dem Haus kam. "Ich hatte schon das Schlimmste befürchtet, als sie mir erzählen wollte, dass du jetzt ein Vampir mit Magie sein sollst."

"Nein, sie ist nicht verrückt. Den Teil übernimmst du ja, wie ich gehört habe", neckte ich ihn grinsend, blickte ihn dann aber ernst an. "Wie geht es dir?"

"Unsere Mutter hatte mich entführt und mit meinen eigenen Erinnerungen gefoltert, um mir zu zeigen, was für ein grausames Monster ich bin. Sie wollte, dass ich zustimme, dass sie mich in einen menschlichen Körper steckt, damit ich niemanden verletzen kann. Und das Schlimmste ist, dass sie es beinahe geschafft hat. Wenn Hope nicht wäre, die mich braucht, in diesem Körper... Aber jetzt bin ich hier, unsere Mutter kann mir nichts mehr anhaben. Also wird es mir bald schon wieder besser gehen, kein Grund zur Sorge."

Ungläubig schüttelte ich den Kopf und umarmte Elijah aus einem spontanen Impuls heraus. "Nur du kannst erzählen, dass du die wohl traumatischste Erfahrung deines Lebens gemacht hast, und das Ganze beenden mit 'kein Grund zur Sorge'."

"Komm, du solltest mit ins Haus gehen und deine Wünsche aufschreiben", erwiderte Elijah. Sein Versuch, vom Thema abzulenken, war mehr als offensichtlich, aber er hatte so viel durchgemacht, dass ich ihn nicht darauf hinwies.

"Was für Wünsche?", fragte ich also, während wir zu dritt ins Haus gingen.

"Für unser Bonfire, eine alte Familientradition. Jeder schreibt auf, was er sich für die anderen wünscht, und dann verbrennen wir sie."

Mitten im Flur blieb ich stehen, als meine Gefühle mich zu überwältigen drohten. "Wir... haben... Das ist eine Familientradition?", fragte ich leise und spürte nur kurz darauf Kats Hand in meiner, die mir Halt gab.

"Ja, wir drei haben das jedes Jahr gemacht. Na ja, zumindest in den Jahren, in denen wir alle lebendig waren", antwortete Elijah.

"Vielleicht sollte das dann auch... eure Tradition bleiben", meinte ich leise und erst jetzt bemerkte mein Bruder meine Unsicherheit.

"Was ist los?"

Tief atmete ich durch und drückte Kats Hand, die ausnahmsweise einmal stumm an meiner Seite stand. "Diese... Familientradition. So etwas hatte ich nie", versuchte ich zu erklären. "Ich war so lange kein Teil dieser Familie, und für den Großteil davon bin ich selbst verantwortlich. Es kommt mir falsch vor, jetzt ein Teil von etwas zu werden, was euch so lange verbunden hat."

Ernst ging Elijah einige Schritte auf uns zu, bis er direkt vor mir stehen blieb, um in meine Augen zu sehen. "Was vergangen ist, ist vergangen", antwortete er ruhig. "Ich mache dir keinen Vorwurf, dass du nicht früher zu uns gekommen bist. Das tut keiner. Das Wichtigste ist, dass du jetzt hier bist, und alles tust, um Hope zu beschützen, ohne auch nur darüber nachdenken zu müssen. Du bist ein Teil unserer Familie, Malina. Diese Tradition ist jetzt ebenso deine."

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