Chapter 93
"Ich finde es wirklich nicht gut, dass wir ausgerechnet zu ihr gehen", grummelte Kat neben mir im Auto leise, als wir bereits vor Nadines Kräuterladen standen und ich versuchte, mir ein Grinsen zu verkneifen.
"Kennst du eine andere Hexe, die bereit wäre, zwei Vampiren zu helfen, ohne allzu viele Fragen zu stellen? Außerdem hat sie sich immerhin bei mir gemeldet, der Zeitpunkt ist perfekt."
"Das ist es ja. Wir haben keine Ahnung, was sie eigentlich von dir will. Vielleicht ist sie ja gefährlich."
"Ach komm schon, Kat, das glaubst du nicht wirklich. Du bist eifersüchtig."
"Aus gutem Grund, immerhin hat sie beim letzten Mal vollkommen schamlos mit dir geflirtet. Und du mit ihr", schmollte meine Freundin und jetzt konnte ich mein Grinsen doch nicht mehr unterdrücken.
"Da waren wir beide ja auch noch nicht zusammen", erinnerte ich sie. "Und sie hat sich über ein Jahr lang nicht bei mir gemeldet, also glaube ich kaum, dass sie nur angerufen hat, weil sie ein Date mit mir will. Na komm, sieh es doch einfach so, dass du ihr jetzt zeigen kannst, dass ich nur noch dir gehöre."
"Also gut. Aber wehe, sie macht sich trotzdem an dich ran, dann suchen wir uns eine andere Hexe", verkündete Kat und warf sich ihre Haare über die Schulter, bevor sie in den Kräuterladen stolzierte, meine Hand demonstrativ in ihrer.
"Was kann ich für euch-", begrüßte Nadine uns, hielt aber inne, als sie uns erkannte und schenkte mir ein freundliches Lächeln. "Malina. Dann hast du meine Nachricht also doch erhalten."
"Ja, ich hatte keine Gelegenheit, dir zu antworten, aber wir waren gerade in der Nähe, und dachten, wir schauen mal vorbei, was du willst", erwiderte ich und erst jetzt beachtete die Hexe die Frau an meiner Seite.
"Katherine", begrüßte sie sie nur kurz angebunden mit einem Nicken und wandte sich gleich darauf wieder an mich. "Ich bin froh, dass du da bist. Es ist zwar lange her, aber du hast gesagt, ich soll dich anrufen, wenn du dich irgendwann mal bei mir revanchieren kannst."
"Das habe ich. Aber jetzt bin ich auch ganz schön neugierig, was sich geändert hat, dass du jetzt plötzlich doch einen Gefallen von mir brauchen kannst."
"Oh, das ist ganz einfach. Ich werde immer wieder von irgendwelchen Vampiren aufgesucht, die meine Magie für ihre Zwecke benutzen wollen. Ihr beide wart noch die nettesten unter ihnen, ihr habt mich wenigstens dafür bezahlt und mich nicht bedroht. Seit ich zwölf bin, kommt hier ständig irgendwer rein und bedroht mich. Und seitdem arbeite ich auch schon an einem Zauber, der mich stärker machen soll. Ein Vampir, aber mit magischen Fähigkeiten."
"Das ist völlig unmöglich", antwortete ich ohne zu zögern. Mit der Verwandlung verlor man alle magischen Kräfte, das war eine Tatsache.
"Nein, das ist es nicht. Ich habe so einen Zauber erschaffen, vor drei Jahren bereits."
"Und warum hast du ihn dann nicht schon früher angewendet?", fragte Katherine misstrauisch nach. Sie glaubte ihr kein Wort und ich konnte das verstehen. Es klang einfach zu absurd.
"Der Zauber ist... riskant. Ein Mensch kann ihn nicht überleben, nur eine Hexe, die bereits in einen Vampir verwandelt wurde. Ich müsste mich erst verwandeln lassen, aber logischerweise kann ich dann den Zauber nicht mehr sprechen. Und selbst wenn ich jemanden hätte, der das für mich tut, wäre ich nicht hundertprozentig sicher, dass es funktionieren würde. Im schlimmsten Fall würde ich für immer ein Vampir bleiben, abgeschnitten von meiner Magie, und ohne dir zu nahe treten zu wollen, ist das das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann. Da war mir die Alternative, irgendwann zu sterben und auf der Anderen Seite vielleicht Kontakt zu meinen Vorfahren aufnehmen zu können, doch deutlich lieber."
"Aber die Andere Seite existiert nicht mehr", stellte ich leise fest, als ich begriff.
"Ganz genau. Sie hat sich gestern Abend aufgelöst. Wenn ich jetzt sterbe, dann gibt es kein Leben nach dem Tod. Dann bin ich einfach nur weg. Und das ist nichts, worauf ich besonders scharf bin. Ich habe die ganze Zeit überlegt, wie ich den Zauber am sichersten sprechen kann... Und dann bist du mir wieder eingefallen. Ein Vampir, der früher einmal eine Hexe war."
"Du willst sie als Versuchskaninchen?", fragte Katherine angespannt nach und ich drückte leicht ihre Hand.
"Gewissermaßen, ja", gab Nadine mit einem Schulterzucken zu. "Ich meine, wenn es funktioniert, dann bekommst du deine Magie zurück, ich bin mir sicher, das würde dir gefallen. Aber ich gebe zu, dass ich natürlich nicht ganz selbstlos bin. Wenn du deine Magie zurückbekommst, will ich, dass du den Zauber auch für mich sprichst. Eine Win-Win-Situation also."
"Nur wenn nichts schief geht", knurrte Kat aufgebracht, aber ich war zu fasziniert von dem Gedanken, dass ich mir darum besonders große Sorgen machen konnte.
"Wie soll dieser Zauber funktionieren?", fragte ich neugierig und ignorierte Kats schockierten Blick, als ihr klar wurde, dass ich tatsächlich darüber nachdachte.
"Wir Hexen ziehen unsere Magie aus der Natur, wie du ja weißt", erklärte Nadine bereitwillig. "Und wenn wir ein Vampir werden, dann ist das gegen die Natur und wir können diese Verbindung nicht mehr nutzen. Es gibt aber eine Möglichkeit, die Magie gewissermaßen... umzuleiten, sodass sie ihre Kraft nicht mehr aus der Natur zieht, sondern aus allem, was übernatürlich ist. Zum Beispiel ein Vampirkörper. Man kann also die Magie, die dich als Vampir am Leben hält und dir deine Kraft gibt, umkehren und für eigene Zauber verwenden. Und weil du als Vampir unsterblich bist, schwächt dich das nicht einmal besonders. Na ja, zumindest in der Theorie."
"Zeig mir den Zauber."
"Bist du völlig verrückt?", fragte Kat mich aufgebracht, während Nadine nach hinten in ihr Lager ging, um ihr Grimoire zu holen. "Ein Zauber, der noch nie getestet wurde? Das ist viel zu gefährlich. Was ist, wenn dir etwas passiert?"
"Ich glaube nicht, dass mir wirklich etwas passieren kann", beruhigte ich Kat leise. "Immerhin bin ich unsterblich. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass der Zauber nicht funktioniert, und ich einfach nur ein Vampir bleibe. Aber denk doch nur daran, was ist, wenn es klappt. Wir bräuchten niemanden um irgendeinen Zauber bitten, niemandem unser Vertrauen geben. Ich könnte uns beschützen. Uns alle, Kat."
"Nein", erwiderte sie überraschend fest und blickte mir ernst in die Augen. "Wenn du diesen Zauber über dich sprechen lässt, okay. Aber das tust du nicht nur für deine Familie. Du gehst dieses Risiko nicht für irgendjemanden außer dir selbst ein. Wenn du das machen lässt, dann nur, weil du selbst das willst."
Einige Sekunden blickte ich ihr in die Augen und nickte dann langsam. "Okay. Du hast recht. Aber ich will es. Ich war nie eine so gute Hexe wie Freya, aber die Magie war mehr als dreihundert Jahre ein Teil von mir. Und ich vermisse es immer noch, Zauber sprechen zu können. Das hier könnte meine Chance sein. Ich bin bereit, es zu probieren."
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