Chapter 61

Fast zwei Monate lang warteten Kat und ich mehr oder weniger geduldig auf Neuigkeiten aus Mystic Falls. Die Salvatores schafften es selbst mit Hilfe von Klaus und Rebekah nicht, weiter voranzukommen und ihre Inkompetenz fing langsam an, mich zu nerven. Ich war schon kurz davor, mich selbst auf die Suche zu machen und denen mal ein paar Ideen zukommen zu lassen, wie sie Jeremys Jägermal schneller erweitern konnten, um sich den Weg zum Heilmittel anzeigen zu lassen, als wir endlich eine Nachricht aus Mystic Falls erhielten.

"Etwas tut sich bei Elenas Haus", verkündete Katherine und seufzte leise. "Ich habe keine Details, weil meine Informanten nicht so auffällig sein können, aber dein Bruder ist bei ihnen. Im Haus."

"Was? Sie haben Klaus reingelassen?"

"Falscher Bruder. Kol."

"Kol ist in Elenas Haus? Das macht ja noch weniger Sinn", meinte ich verwirrt. "Was will er denn da?"

"Anscheinend will er verhindern, dass sie das Heilmittel finden, weil damit auch Silas geweckt wird. Der ist anscheinend..."

"Der erste Unsterbliche. Ich weiß, ich habe schon von ihm gehört", unterbrach ich Kat. "Er war eine ganze Zeit lang bei allen Hexen eine sehr beliebte Schreckensgeschichte und soll angeblich die Hölle auf Erden bringen oder so. Ich hätte nicht gedacht, dass Kol tatsächlich an so einen Schwachsinn glaubt." Selbst wenn es diesen Silas wirklich gibt, würde eine einzelne Person mit Sicherheit nicht die Hölle herbringen können.

"Tja, offenbar tut er das aber."

Frustriert seufzte ich auf und fuhr durch meine Haare. "Okay. Wir fahren da jetzt hin", beschloss ich kurzerhand. "Irgendjemand muss ja verhindern, dass Kol den wenigen Fortschritt, den wir haben, wieder zunichte macht."

Ich erwartete fast, dass Katherine mir widersprechen würde, aber sie nickte nur und stieg mit mir ins Auto. Sie hatte wohl genauso wie ich keine Lust mehr, tatenlos herumzusitzen. Nur wenige Minuten später standen wir vor Elenas Haus, doch die Szene dort verwirrte mich nur noch mehr. Ich konnte nur einen einzigen Herzschlag aus dem Haus hören. Kamen wir etwa zu spät? Hatte mein Bruder Jeremy und Elena umgebracht und war der einzig Überlebende?

Vorsichtig stieß ich die Haustür auf, die nur angelehnt war, und versuchte, über die Schwelle zu treten, wurde jedoch von einer unsichtbaren Barriere abgehalten. Also war Jeremy noch am Leben, das war doch schon mal ein gutes Zeichen.

"Kol?", rief ich ins Haus hinein, während Katherine hinter mir die Straße im Auge behielt.

Einige Sekunden wartete ich vergebens auf eine Antwort, bis ich endlich eine Antwort bekam. "Malina? Bist du das?"

Bevor ich allerdings erleichtert sein konnte, dass mein Bruder mir antwortete, konnte ich die Stimme zuordnen. Das war nicht der Bruder, den ich hier erwartet hatte. Sofort drehte ich mich zu Katherine um, die merklich blass geworden war, sich aber nicht rührte.

"Klaus? Was machst du hier?", fragte ich laut. Als er nicht sofort antwortete, versuchte ich, seinen Herzschlag zu hören und bemerkte, dass er sich noch immer nicht von der Stelle bewegt hatte. "Und wo bist du?"

"Im Wohnzimmer", bekam ich kurz darauf die Antwort, seine Stimme war immer noch voller Wut. "Die kleine Bennett-Hexe hat mich hier eingesperrt, zumindest vorübergehend. Sie sind gerade erst weg."

Noch einmal drehte ich mich zu Katherine um und bedeutete ihr, dass ich alleine zu meinem Bruder gehen würde und sie auf mich warten sollte. Auch wenn Klaus eingesperrt war und ihr so eigentlich nichts anhaben konnte, wollte ich sie nicht unnötig in Gefahr bringen. Kat nickte einmal als Zeichen, dass sie verstanden hatte, und ich lief mit Vampirgeschwindigkeit um das Haus auf die kleine Veranda.

Ohne zu zögern riss ich die blickdichte Glastür auf und erschrak beim Anblick meines Bruders, als er sich zu mir umdrehte. Er sah genauso wütend aus, wie er sich angehört hatte, aber auf seinem Gesicht konnte ich deutliche Spuren von Tränen erkennen.

"Was ist passiert, Klaus?", flüsterte ich leise, auch wenn ich eine dunkle Vorahnung hatte. Aber nein, das konnte unmöglich wahr sein.

"Es ist Kol", bestätigte Klaus jedoch mit belegter Stimme meinen Verdacht. "Sie haben ihn umgebracht. Elena hat ihm die Falle gestellt und Jeremy hat ihn erstochen, mit dem Weißeichenpfahl. Er ist noch vor meinen Augen in Flammen aufgegangen. Ich... Ich war nicht hereingebeten worden, ich konnte nichts für ihn tun..."

Unwillkürlich stützte ich mich am Türrahmen ab, doch als ich Klaus' Blick folgte und die verkohlten Überreste eines Körpers am Boden liegen sah, konnte ich mich nicht mehr aufrecht halten. "Nein", flüsterte ich leise und sank auf meine Knie. "Nein, das darf nicht wahr sein. Ich habe ihn doch noch gar nicht richtig kennengelernt..."

Seit er wieder am Leben war, hatte ich keine Gelegenheit gehabt, mit ihm auch nur ein einziges Gespräch unter vier Augen zu führen. Ich dachte, wir hätten noch eine Ewigkeit Zeit, uns wirklich kennenzulernen, immerhin waren wir beide unsterblich. Aber damit hatte ich mich offenbar geirrt. Ich konnte einfach nicht verstehen, dass er tot sein sollte, einfach so. Das schien so sinnlos zu sein. "Wieso haben sie das getan?", murmelte ich verzweifelt.

"Laut Elena hatten sie keine Wahl", antwortete Klaus bitter. "Aber das ist offensichtlich gelogen. Sie haben ihn hereingebeten, also haben sie seinen Tod geplant. Wahrscheinlich, damit Jeremys Jägermal wächst, wenn Kols gesamte Blutlinie mit ihm stirbt."

"Sie haben das alles nur für ein blödes Tattoo gemacht?", wiederholte ich fassungslos, ohne meinen Blick von Kols Körper nehmen zu können. "Sie haben unseren Bruder ermordet und den Tod von unzähligen Vampiren in Kauf genommen, die sie nicht einmal kannten, nur um für sich selbst ein Heilmittel zu finden?" Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass jemand so egoistisch sein konnte. Und vermutlich sah Elena sich dabei auch noch im Recht. Am liebsten wollte ich einfach alles abschalten, wollte das alles nicht mehr fühlen. Diese Verzweiflung in mir, die Trauer, die Reue, dass ich keine Zeit mit meinem eigenen Bruder verbracht hatte. Das alles war zu viel. Und dann dachte ich daran, dass ich Elena schon längst hätte umbringen sollen, spätestens, nachdem sie bei Finns Tod beteiligt gewesen war. Irgendwie hatte ich meine Wut auf sie damals kontrollieren können, weil meine Trauer alles übertönt hatte und ich irgendwann gewusst hatte, dass das Leben als Vampir für sie viel schlimmer war als der Tod. Aber wenn ich mich damals dafür entschieden hätte, sie zu töten, hätte ich all das hier verhindern können. Niemand hätte das Heilmittel haben wollen, und ganz sicher hätte Jeremy es nie ohne Hilfe geschafft, einen Urvampir zu ermorden. Elena war es, die langsam mein Leben zerstörte, ohne sich dabei irgendeines Fehlers bewusst zu sein. Sie nahm mir meine Familie, einen nach dem anderen, und das nur, weil sie es nicht ertrug, unsterblich zu sein. Sie war ein Monster. Und Jeremy war kein wenig besser, er hatte ohne auch nur zu zögern meinen Bruder ermordet, nur weil seine Schwester das gerne so wollte. Und ich wollte gerade nichts anderes als Jeremy tot zu sehen.

"So ist es gut, konzentriere dich auf deine Wut", flüsterte plötzlich eine leise Stimme in mein Ohr und ich spürte, wie mich jemand von der Seite umarmte. Katherine hatte sich neben mich gekniet und wischte mit dem Daumen über meine Wange, über die unkontrolliert Tränen flossen. Ich wusste nicht, woher sie wusste, dass ich kurz davor war, meine Gefühle auszuschalten, aber offenbar wollte sie genau das verhindern. "Ich weiß, es ist zu viel, aber du darfst deine Gefühle jetzt nicht aufgeben. Wir haben noch viel zu erledigen, und ich brauche dich."

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