Chapter 5

Die nächsten Stunden verflogen wie in einem schlechten Traum. Immer noch geschwächt vom Eisenkraut wurde ich mit den anderen Vampiren in die Kirche gesperrt. Die Gruft, von der Katherine gesprochen hatte, fand ich gerade noch rechtzeitig, um mit den anderen Vampiren vor den sengenden Flammen zu fliehen, aber sobald das Feuer gelöscht war, konnte tatsächlich keiner von uns die Gruft verlassen.

Die nächste Zeit verflog leider nicht so schnell. Ich versuchte, mich mit Pearl zu unterhalten, um uns beide von unserem immer größer werdenden Hunger abzulenken, aber selbst das wurde irgendwann zu anstrengend. Tage wurden zu Wochen, Wochen zu Monaten und Monate zu Jahre. Zu Beginn versuchte ich noch, anhand der Geräusche von draußen die Tage zu zählen, aber irgendwann wurde der Schmerz in meinen Venen zu groß, um noch klar denken zu können. Jede Bewegung wurde unmöglich, während ich langsam neben Pearl und all meinen alten Freunden austrocknete.

Ich verlor jedes Gefühl für Zeit, wusste nicht, ob es Jahrzehnte waren, die wir in vollkommener Stille in der Gruft verbrachten, oder Jahrhunderte. Doch irgendwann war ich wieder fähig, etwas wahrzunehmen. Das erste, was ich spürte, war, wie warmes Blut in meinen Mund floss. Gierig fing ich an zu trinken und ignorierte die Schreie, die ich von irgendwoher hörte. Erst als mir meine Blutquelle gewaltsam entrissen wurde, öffnete ich meine Augen, die sich von der langen Zeit in völliger Starre nur langsam wieder an das wenige Licht in der Gruft gewöhnten.

"Katherine", flüsterte ich und wurde bei ihrem Anblick vor mir sofort wütend. Bevor ich sie aber umbringen konnte für das, was sie mir angetan hatte, stand Stefan vor mir und hielt mich davon ab, ihr näher zu kommen. Wenn Stefan also noch am Leben war, bedeutete das dann, dass ich gar nicht so lange hier war? Dann erinnerte ich mich aber wieder, was Katherine mir zuletzt erzählt hatte. Stefan war ein Vampir. Dass er noch am Leben war, hatte nichts zu bedeuten.

"Das ist nicht Katherine. Und du wirst ihr nicht zu nahe kommen", drohte er mir und ich blickte zu dem Mädchen hinter ihm. Sie sah genauso aus wie Katherine, aber ich merkte, dass er recht hatte. Sie blutete, anscheinend war sie es, von der ich gerade getrunken hatte. Was bedeutete, dass sie ein Mensch war. Aber wieso hatte ich ihr Blut getrunken, wenn sie offensichtlich nicht diejenige war, die mir geholfen hatte?

Ich sah mich weiter um und bemerkte dann erst, dass jemand neben Pearl kniete, die auch wieder zu Bewusstsein gekommen war. "Anna", murmelte ich überrascht und sie sah kurz zu mir.

"Kannst du laufen?", fragte sie nur und ich antwortete mit einem kurzen Nicken.

"Du hast gesagt, dass du nur deine Mutter holen wolltest", wandte sich Stefan vorwurfsvoll an Anna, die ihm einen wütenden Blick schenkte.

"Eine kleine Planänderung. Malina war es, die mir damals das Leben gerettet hat. Ich werde sie nicht hier zurücklassen und du stellst dich mir lieber nicht in den Weg."

Stefan sah so aus, als wollte er widersprechen, aber das Katherine-Imitat nahm seinen Arm, um ihn weiterzuziehen. "Los, Stefan, wir müssen weiter. Bonnie wird den Zauber nicht mehr lange aufrecht halten können, wir müssen Damon finden und dann hier raus."

Die beiden verschwanden, während Anna ihre Mutter stützte und sie zum Ausgang führte. Jeder Schritt war eine Qual, das Blut von diesem Mädchen hatte nicht gereicht, um mich zu meiner alten Stärke zurückzubringen, aber immerhin konnte ich laufen. Erleichtert atmete ich aus, als ich den Ausgang der Gruft sah, hinter dem zwei Hexen konzentriert einen Zauber murmelten. Ich war früher nie eine besonders gute Hexe gewesen, nicht so wie meine Zwillingsschwester, aber ich verstand genug, um zu verstehen, dass sie den Zauber aufhoben, der auf der Gruft lag. Deshalb überraschte es mich nicht besonders, als es Anna, Pearl und mir gelang, die Gruft zu verlassen, und doch wäre ich am liebsten vor Erleichterung auf den Boden gefallen. Ich war frei.

"Ich entschuldige mich für meine Rolle bei allem", meinte Anna leise zu den beiden Hexen. "Ich wollte nur meine Mutter befreien, und Malina. Wir werden niemandem etwas tun, versprochen."

Die jüngere der beiden Hexen nickte nur kurz, bevor sie sich wieder auf ihren Zauber konzentrierte. Ein Teil von mir war neugierig, ob Stefan, Damon und wer auch immer Nicht-Katherine war es auch rechtzeitig rausschaffen würden, aber dieser Teil war nicht ansatzweise groß genug, um länger als nötig in dieser furchtbaren Höhle zu bleiben. Also stolperte ich Anna und Pearl hinterher, bis wir in einem kleinen Apartment angekommen waren.

Erschöpft ließ ich mich aufs Bett fallen, während Anna Pearl und mir einige Blutbeutel brachte, über die wir sofort hungrig herfielen. "Wie lange?", fragte ich leise, als ich meiner Stimme wieder genug vertraute.

"Wir haben das Jahr 2009", antwortete Anna leise, ohne den Blick von ihrer Mutter nehmen zu können, die gerade ihren dritten Blutbeutel leerte.

Schockiert sah ich sie an, und versuchte, diese Zahl zu verarbeiten. 2009. Ein neues Jahrtausend. 145 Jahre gefangen in einer Gruft, abgeschottet von der Außenwelt. Als ich bei meiner Tante gefangen war, hatte es sich ähnlich angefühlt, wenn wir nach hundert Jahren magischen Schlafs nur ein Jahr lang leben durften. Drei Mal hatte ich diesen Horror mitgemacht, bevor ich es letztendlich geschafft hatte, mich in einen Vampir verwandeln zu lassen. Ich hatte gedacht, dass mir so etwas danach nie wieder passieren würde. Und doch war ich jetzt hier und hatte weitere 145 Jahre meines Lebens verloren.

Bevor ich noch eine Frage stellen konnte, wurde die Tür zu unserem Zimmer aufgerissen und jemand drückte mich mit seiner Hand an meinem Hals gegen eine Wand. Ich brauchte einige Sekunden, um das Gesicht vor mir erkennen zu können.

"Damon? Was soll das werden?", flüsterte ich und versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien, war dafür aber noch zu schwach.

"Wo ist sie? Wo ist deine Schwester? Wieso war sie nicht in der Gruft?", verlangte er zu wissen und ich lachte trotz der Situation trocken auf.

"Meine Schwester? Du glaubst wirklich immer noch, dass Katherine meine Schwester ist?", spottete ich. "Wir waren nie Schwestern. Wir waren nicht einmal wie Schwestern. Sie wollte mich retten und ich habe ihr vertraut. Du siehst ja, wohin mich das gebracht hat. Katherine war nie in der Gruft, sie hat die Gelegenheit nur genutzt, um ihren Tod vorzutäuschen und uns alle dafür geopfert."

"Du wusstest es!", rief Damon vorwurfsvoll und sah dabei Anna an. "Du wusstest, dass Katherine nicht da war, und hast nichts gesagt!"

"Ja, ich wusste es", gab Anna zu und ich sah ihr an, wie viel Mühe es sie kostete, ruhig zu bleiben. "Das letzte Mal gesehen habe ich Katherine in Chicago. 1983. Sie wusste, dass du lebst, Damon. Sie wusste, dass du nach ihr suchst. Es hat sie nicht interessiert. Es tut mir leid, aber du hättest mir nie geholfen, in die Gruft zu kommen, wenn du die Wahrheit gewusst hättest."

Obwohl Damon derjenige war, der mich immer noch würgte, hatte ich ein wenig Mitleid mit ihm. Auch er hatte Katherine vertraut und war von ihr enttäuscht worden. Ich wusste nur zu gut, wie sich das anfühlte. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ließ er mich los, verschwand und ließ mich hustend zurück. 145 Jahre, die Katherine mir gestohlen hatte, nur weil ihr mein Nachname nicht passte. Ich würde sie jedes einzelne Jahr davon bereuen lassen.

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