Chapter 42

"Guten Morgen", flötete ich gut gelaunt, während ich in Katherines Küche lief, um mir einen Blutbeutel zu holen. Oder besser gesagt, unsere Küche.

"Morgen? Es ist fast zwölf Uhr", bemerkte Katherine und verdrehte die Augen.

"Tja, ich schlafe eben gerne aus", meinte ich grinsend und öffnete suchend einige Schränke. "Wo sind die Gläser?"

"Oben rechts", antwortete die Doppelgängerin und ich setzte mich kurz darauf mit einem Glas Blut zu ihr an den Küchentisch.

"Du fragst nicht einmal, ob ich auch etwas will? Unhöflich", beschwerte sich Katherine.

"Nur weil wir jetzt in einem Haus wohnen, heißt das nicht, dass ich so tun muss, als würde ich dich mögen", entgegnete ich gelassen.

"Aber du hast mich einmal gemocht", schmollte sie und ich hob eine Augenbraue.

"Ja, das habe ich. 1864. Und dann hast du mich in eine Gruft gesperrt und mich dort verrotten lassen."

"Ach, die alte Geschichte", winkte sie ab. "Du bist doch nicht immer noch nachtragend deshalb?"

"Die 'alte Geschichte', wie du es so schön nennst, waren zufällig recht prägende 145 Jahre meines Lebens", erwiderte ich trocken. "Aber du hast recht, ich habe beschlossen, darüber hinwegzusehen, als ich dich habe gehen lassen, obwohl ich dich genauso gut hätte umbringen können. Also was soll's, es macht keinen Sinn mehr, darüber zu reden, also lassen wir das doch einfach."

"Einverstanden. Nur, eine Sache noch..."

Leise seufzte ich auf und trank noch einen Schluck Blut. Sie sah ungewöhnlich ernst aus, also war es wohl etwas Wichtiges. Auch wenn ich wirklich lieber nie wieder über meine Jahre in der Gruft reden wollte. "Was denn?"

"Ich habe mich nie dafür entschuldigt. Es war ein Fehler, dich mit den anderen Vampiren dort unten einzusperren. Ich hätte dir zuhören sollen, aber ich war zu paranoid. Das tut mir leid."

Beinahe verschluckte ich mich an meinem Blut und musterte Katherine ungläubig. "Hast du dich gerade bei mir entschuldigt?"

"Erzähl es nicht weiter", antwortete sie und grinste, wieder so locker und selbstbewusst, wie ich sie kannte. "Ich mache nur selten Fehler, aber wenn ich es tue, dann habe ich wenigstens den Mut, es zuzugeben."

"Ich bin mir ziemlich sicher, dass du dich bisher noch nie ernsthaft entschuldigt hast. Bei irgendwem."

"Da könntest du recht haben. Ich habe ja auch bisher noch nie einen Fehler gemacht", meinte Katherine und ich musste leise lachen.

"Also gut, wenn du so unfehlbar bist, erzähl mir doch, was es Neues aus Mystic Falls gibt."

"Deine Familie plant einen Ball", verkündete sie und legte ihre Füße auf dem Küchentisch ab.

"Einen Ball?", wiederholte ich und verdrehte die Augen. "Wahrscheinlich, um die Wiedervereinigung der Mikaelson-Familie zu feiern, richtig?"

"Ganz genau. Er soll heute Abend schon stattfinden. Sehr beeindruckend, wenn man bedenkt, dass mehr als die Hälfte deiner Familie erst seit gestern Abend wieder unter den Lebenden weilt." Einige Sekunden schwieg Katherine und sah mich dann neugierig an. "Wirst du hingehen?"

"Auf keinen Fall", antwortete ich, ohne darüber nachdenken zu müssen. "Bei diesem Ball geht es nur um die Wirkung nach außen. Ein geschlossenes Auftreten der Familie demonstriert Macht und Stärke. Dabei ist diese Familie eigentlich kaputt, schon seit tausend Jahren. Ich habe nicht vor, in einem hübschen Kleid hinter meiner Mutter zu stehen und so zu tun, als wären wir eine große, glückliche Familie."

"Schade. Ballkleider haben dir immer so gut gestanden."

"Beim nächsten Familienball vielleicht. Solange meine Mutter nicht der Gastgeber ist", meinte ich und seufzte dann leise. "Aber apropos Kleider... Ich brauche neue Klamotten. Meine sind alle im Mikaelson-Anwesen und wenn dort heute der Ball stattfindet, wird dort alles voller Leute sein. Kennst du irgendwelche guten Geschäfte in der Nähe?"

"Sieh dir mich doch einmal an", antwortete Katherine arrogant und deutete auf ihr makelloses Erscheinungsbild. "Ich kenne alle guten Geschäfte in der Nähe."

Wieder musste ich leise lachen und verdrehte die Augen. "Natürlich, wie konnte ich daran nur zweifeln. Also, wo sind sie?"

"Oh nein, du wirst ganz sicher nicht alleine losgehen."

"Wie bitte?", fragte ich nach, aber Katherine verschränkte nur ihre Arme.

"Warst du schon einmal shoppen? In diesem Jahrhundert meine ich?"

"Na ja, ich hatte ja schließlich die letzten Monate nicht mehr meine alten Kleider aus dem 19. Jahrhundert an. Also... Ja."

"Stimmt. Und ich muss zugeben, das, was du anhast, sieht auch immer ganz passabel aus..." Kurz schien sie nachzudenken, schüttelte dann jedoch den Kopf. "Aber man wird dich hier in der Stadt häufig mit mir sehen, also müssen deine Klamotten besser sein als nur 'passabel'. Sie müssen einen umhauen. Du kennst die ganzen Trends dieser Zeit noch nicht, also werde ich dich begleiten und dich beraten."

"Was kümmert es dich, was die manipulierten Menschen dieser Stadt über uns denken?", fragte ich lachend, aber Katherine ging darauf gar nicht erst ein.

"Außerdem fällt eine Frau, die alleine shoppen geht, viel zu sehr auf. Los, trink auf und steig ins Auto. Wir gehen dir jetzt neue Sachen kaufen."

Kurz überlegte ich, ihr zu widersprechen und zu fragen, was genau sie davon hatte. Dann trank ich aber nur lachend mein Glas aus und lief kopfschüttelnd zu Katherines Auto. Ich wusste nicht genau, wann unser Gespräch sich von Vorwürfen wegen der Gruft zur Planung eines Shopping-Tags entwickelt hatte, aber ich hatte auch nichts dagegen. Es war irgendwie amüsant mit anzusehen, wie wichtig Katherine ihr eigenes und anscheinend auch mein Aussehen war. Außerdem schien sie einsam zu sein, wenn sie sich so sehr auf die Gelegenheit stürzte, ein wenig Zeit mit jemandem zu verbringen, den sie nicht erst dafür manipulieren musste. Und wenn ich ganz ehrlich war, würde mir selbst das auch guttun. Ein wenig Abstand von Mystic Falls und Ablenkung von all meinen Familiendramen waren genau das, was ich jetzt brauchte. Und wenn Katherine Pierce in einer Sache besonders gut war, dann war das Ablenkung.

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