Chapter 15

Die nächsten Wochen verbrachte ich damit, alles Mögliche zu tun, um mich von meinen eigenen Gedanken abzulenken. Ich sah mir verschiedene Städte an, verbrachte eine Woche in New York, dann eine in San Francisco und fuhr mehrere Tage lang ohne Ziel quer durch Amerika. Beziehungsweise ließ ich mich fahren, selber Auto zu fahren schien mir immer noch unmöglich. Aber all diese Reisen konnten nicht verhindern, dass ich mich andauernd fragte, was wohl wäre, wenn ich in Mystic Falls geblieben wäre. Hätte ich Elijah näher kennengelernt? Hätte er herausgefunden, wer ich bin? Hätte er sich vielleicht sogar gefreut, eine längst verloren geglaubte Schwester wiederzufinden?

Damons gelegentliche Nachrichten, die mich auf dem Laufenden halten sollten, brachten mich immer wieder ins Zweifeln. 'Elijah ist tot, zumindest vorübergehend' war eine davon. Dicht gefolgt von 'Elijah lebt wieder' und 'Vergiss es, Elijah ist doch wieder tot'. Ganz zu schweigen von 'Oh, und nach Elijahs erstem Tod konnte Katherine die Gruft wieder verlassen, sie rennt hier also auch wieder irgendwo rum und stiftet Unheil'. 

Doch keine dieser Nachrichten war der Grund, warum ich jetzt wieder auf dem Weg nach Mystic Falls war. Die Nachricht, die mich überzeugt hatte zurückzukehren, war eine andere. 'Klaus ist hier, er ist in Alarics Körper. Bleib weg.'

Ich wusste, dass es wahnsinnig war, nach dieser Nachricht freiwillig zurück nach Mystic Falls zu gehen. Eigentlich wollte ich doch schließlich auf Abstand zu meiner Familie gehen. Aber seit ich wusste, dass meine Geschwister zum Greifen nah waren, konnte ich an nichts anderes mehr denken. Ich wollte Klaus kennenlernen, genauso wie Elijah, selbst wenn mich das vielleicht umbringen würde. Mehr als dreihundert Jahre hatte ich meine Schwester Freya immer an meiner Seite gehabt und ich hatte gedacht, niemand würde sie je ersetzen können. Das glaubte ich noch immer, aber ich wollte nicht mehr davonlaufen, nur weil ich Angst hatte. Es wurde Zeit, dass ich meine Brüder kennenlernte. Und danach würde ich immer noch entscheiden können, ob ich ihnen auch sagte, wer ich war.

Diesen Gedanken im Hinterkopf ging ich als erstes zum Salvatore-Anwesen, um Damon zu sagen, dass ich seine Nachricht gelesen hatte und beschlossen hatte, sie zu ignorieren. Doch statt ins Haus zu gehen, wurde ich von einer interessanten Situation vor der Haustür überrascht, weil Elena gerade dabei war, Elijah den Dolch zu übergeben, mit dem der eigentlich gerade erdolcht sein sollte.

Überrascht blieb ich stehen und sah die beiden schief lächelnd an. "Störe ich gerade?", fragte ich und keine Sekunde später stand Elijah dicht vor mir.

"Malina...", murmelte er und musterte mich nachdenklich. "Ich habe versucht, mehr über dich herauszufinden, bevor ich erdolcht wurde, aber ich habe nichts gefunden. Interessant, nicht wahr?"

"Oh, über mich gibt es nicht viel Interessantes zu berichten", log ich lächelnd und er trat einen Schritt zurück, um mir etwas mehr Freiraum zu lassen.

"Elena und ich wollten gerade einen kleinen Spaziergang unternehmen. In der Vergangenheit schwelgen, neue Deals aushandeln... schließ dich uns doch an."

Überfordert nickte ich und bevor ich auch nur darüber nachdenken konnte, auf was ich mich da eingelassen hatte, saß ich schon in Elenas Auto und war kurz darauf im Lockwood-Anwesen, weil Elijah seinen verbrannten Anzug gegen einen besseren austauschen wollte. Zumindest Modebewusstsein hatte mein Bruder, das war schon einmal gut zu wissen.

"Malina, was machst du hier?", flüsterte Elena mir leise zu, während Elijah oben war. Ich zweifelte jedoch keine Sekunde daran, dass er trotzdem jedes Wort verstand, das wir wechselten. "Ich brauche keinen Schutz, ich komme alleine klar."

"Ich bin nicht hier, um dich zu beschützen, Elena", antwortete ich also ehrlich. "Eigentlich wollte ich nur zu Damon. Aber Neugier ist nun mal meine größte Schwäche. Ich will wissen, was Elijah dir zu sagen hat." Das war zumindest nah genug an der Wahrheit, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.

"Nun, bevor ich etwas zu sagen habe, müsst ihr mir allerdings erst einige Sachen erklären, was passiert ist, während ich tot war", meinte Elijah, der gerade die Treppen runterlief, und bedeutete uns, uns in das Wohnzimmer der Lockwoods zu setzen.

"Ich gehe davon aus, dass meine Hexer nicht mehr da sind?", fragte er an uns beide gerichtet, aber glücklicherweise antwortete Elena ihm.

"Nein, sind sie nicht. Es tut mir leid."

"Was ist mit Katerina? Sie wurde bei meinem Tod von meiner Manipulation befreit, wo ist sie?"

Bei dieser Frage sah ich Elijah überrascht an. Katerina. Diesen Namen hatte ich bisher noch nicht gehört, das war wohl Katherines eigentlicher Name. Es sollte mich nicht überraschen, dass er ihn kannte, immerhin war er mit an Katherines Verwandlung beteiligt gewesen und kannte sie somit schon als Mensch, aber es überraschte mich, mit wie viel Wärme in seiner Stimme er diesen Namen aussprach. Als hätte er einmal etwas für sie empfunden.

"Klaus hat sie", antwortete Elena wieder und ich blickte auch sie überrascht an. Das hatte mir Damon nicht erzählt. "Wir gehen davon aus, dass sie tot ist."

"Oh, das ist sie sicher nicht. Das wäre nicht Klaus' Stil", antwortete Elijah und sah mich nachdenklich an. "Malina, du scheinst überrascht zu sein. Wieso?"

"Oh, ich war während des letzten Monats nicht in Mystic Falls. Damit bin ich also wohl auf einem ähnlichen Stand wie du selbst, was aktuelle Informationen angeht", antwortete ich und war froh, als Elena sich wieder einschaltete und Elijahs Aufmerksamkeit auf sich lenkte.

"Ich verstehe es nicht. Sie wollen Klaus töten, aber trotzdem wollten Sie, dass Katherine für ihren Verrat an ihm bezahlt. Wieso?"

"Ich hatte meine eigenen Gründe, warum Katerina für ihren Verrat bezahlen sollte", antwortete Elijah leise und fing dann endlich an, uns einen Teil seiner Geschichte zu erzählen. Bedauerlicherweise war das der Teil, den ich selbst schon verstanden hatte. Elijah hatte Katherine als Mensch gefunden und sie seinem Bruder Klaus vorgestellt.

Elena neben mir schien von dieser Enthüllung ganz überwältigt zu sein, während ich nur unbeeindruckt den Tee trank, den Mrs. Lockwood uns während Elijahs Erzählung gebracht hatte.

"Du scheinst nicht so überrascht zu sein wie Elena, dass Klaus mein Bruder ist", bemerkte Elijah und ich versuchte verzweifelt, irgendeine plausible Erklärung dafür zu finden, die nicht beinhaltete, dass ich allzu genau über unsere Familienverhältnisse Bescheid wusste.

"Weil ich es auch nicht bin", antwortete ich lächelnd. "Ich fand es recht offensichtlich, dass ihr Brüder seid. Immerhin werdet ihr beide die Urvampire genannt. Es ist nur logisch, dass die ersten Vampire der Welt alle aus einer Familie stammen."

"Sehr gut kombiniert", lobte Elijah und stand auf, um dramatisch durch den Raum zu laufen. "Mein Vater war ein reicher Landbesitzer. Meine Eltern hatten acht Kinder. Nicht alle von ihnen haben überlebt, aber die, die es haben, wurden in Vampire verwandelt. Diese Geschichte ist ziemlich lang, es reicht, wenn ihr wisst, dass wir die ersten Vampire waren."

Unruhig rutschte ich auf meinem Sitz hin und her, während er von seinen verstorbenen Geschwistern redete, unwissend, dass eine davon gerade direkt vor ihm saß.

"Aber Klaus ist Ihr Bruder", stellte Elena fest und sorgte somit glücklicherweise dafür, dass Elijah meine Nervosität nicht auffiel. "Wieso wollen Sie ihn dann töten?"

Einige Sekunden schwieg Elijah und ich hielt die Luft an, aus Sorge davor, was er gleich tun könnte. Ich wusste, dass Elena es nicht so meinte, aber es klang fast so, als wollte sie ihm deshalb einen Vorwurf machen. Elijah schien aber gelassen zu bleiben, denn er ging nur an Elena vorbei aus dem Raum. "Ich brauche ein wenig Luft, ich fühle mich immer noch etwas... tot. Kommt."

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