Chapter 109

"Hope, Liebes, möchtest du nicht mit deiner Tante Freya nach draußen gehen und ein wenig malen?", wandte sich mein Bruder überraschend liebevoll an seine Tochter und ich musste mich zusammenreißen, um nicht mein Gesicht zu verziehen. Nik würde mich für diesen Gedanken wahrscheinlich umbringen, aber in diesem Moment erinnerte er mich unglaublich an unseren Vater, wie er früher war. Nach außen hin ein hartherziger, kaltblütiger Killer, aber in der Nähe seiner Tochter der liebevollste Mensch der Welt. Der Gedanke an Mikael und seine letzten Momente auf dieser Welt sorgten jedoch nicht dafür, dass ich es besonders gut fand, jetzt mit meinem Bruder alleine zu sein. Ich war noch immer geschwächt, und er war es, der erst unseren Vater getötet und dann ausgerechnet unsere Tante beschützt hatte. Und auch wenn ich nicht wirklich glaubte, dass er mir etwas antun würde, hatte ich im Moment nicht genug Kraft für eine Auseinandersetzung mit ihm.

Freya, als hätte sie meine Gedanken gehört, blickte mich fragend an, um zu sehen, ob das für mich okay wäre, aber ich nickte schweren Herzens. Was auch immer Nik mir zu sagen hatte, es war sicher nicht für Hopes Ohren bestimmt.

Schneller, als es mir lieb war, waren Nik und ich allein und er setzte sich zu mir aufs Bett. Unwillkürlich spannte ich mich an und richtete mich ein wenig auf, aber wenn er das bemerkte, ignorierte er diese Reaktion.

"Nachdem ihr mich erdolcht hattet, ist Dahlia in meinen Kopf eingedrungen", fing er leise an.

"Wenn du erwartest, dass ich mich dafür entschuldige, bei deiner Erdolchung geholfen zu haben, kannst du darauf lange warten. Du hattest es verdient", stellte ich gleich klar, bevor er anfangen konnte, jetzt mich zur Schuldigen in dieser Geschichte zu machen.

"Schon klar, darauf wollte ich auch nicht hinaus. Lass mich doch erst mal zu Ende erzählen und unterbrich mich nicht, Malina, bitte."

Ich öffnete schon meinen Mund, um ihm zu sagen, dass er mir nichts zu befehlen hatte, stoppte jedoch bei seinem letzten Wort. Bitte. Wann hatte Niklaus Mikaelson wohl das letzte Mal jemanden um etwas gebeten? Mit einem Nicken bedeutete ich ihm fortzufahren und er seufzte leise auf.

"Wie gesagt, Dahlia ist in meinen Kopf eingedrungen. Sie wollte mir ein Angebot machen. Ich sollte ihr Hope geben, damit Dahlia ihr dabei helfen könnte, ihre Magie zu verstehen, aber dafür dürfte ich bei Hope bleiben und ihr ein Vater sein. Dahlia hat mir gezeigt, wie Freya und du früher bei ihr wart. Wie wenig Kontrolle ihr über eure eigene Magie hattet. Ich gebe zu, für einen Moment habe ich gedacht, dass sie vielleicht recht haben könnte. Dass die Magie einer Mikaelson-Hexe zu viel für Hope sein könnte. Dahlia hat es so dargestellt, als wäre sie der einzige Grund, weshalb Freya und du gelernt habt, mit der Magie umzugehen, aber dann habe ich gesehen, wie es wirklich war. Sie hat euch nie geholfen, sie hat es für euch nur schlimmer gemacht, weil ihr in ständiger Angst leben musstet. Der einzige Grund, weshalb Freya und du es so lange überleben konnten, bei ihr zu sein, war, dass ihr nicht alleine wart. Ihr hattet euch gegenseitig und nur dadurch habt ihr gelernt, eure Magie zu kontrollieren. Und in dem Moment, in dem ich das verstanden habe, ist mir klar geworden, dass Hope Dahlia nicht braucht. Sie braucht nur ihre Familie, und das schließt Freya und dich mit ein."

Mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck wartete er auf eine Reaktion von mir, aber ich blickte meinen Bruder nur mit einer hochgezogenen Augenbraue an. "Du erzählst mir nichts Neues, Nik. Ich weiß, dass Dahlia uns nie eine Hilfe war, und ich weiß auch, wie wichtig die Familie ist. Ich denke, ich weiß das sogar besser als du. Aber das erklärt nicht, weshalb du an diesem Abend dennoch auf Dahlias Seite gekämpft hast. Das ist eine merkwürdige Art, sich auf die Seite seiner Familie zu stellen."

"Ich musste ihr vormachen, dass ich ihr Angebot annehmen würde, um sie in Sicherheit zu wiegen", erklärte Nik überraschend ruhig. "Durch mein Gespräch mit Dahlia habe ich verstanden, dass eure Falle nicht funktionieren würde, also musste ich mir einen anderen Plan überlegen. Ich habe vorgegeben, auf Dahlias Seite zu kämpfen, damit sie mir vertraut. Nur so konnte ich sie dazu bringen, sich mit mir zu verbinden, und dann konnte ich mich danach selbst erdolchen."

"Du hast was?", fragte ich schockiert nach.

"Mich selbst erdolcht, und damit auch sie. Das hat sie zwar nicht umgebracht, aber uns genug Zeit verschafft, bis wir sie umbringen konnten. Aber das ich nicht das, worauf ich hinauswill. Ich habe an jenem Abend für sie gekämpft und alles dafür getan, dass es glaubwürdig aussieht, aber ich habe nicht gewusst, was sie dir mit diesem Zauber antut. Ich kann dir nicht sagen, dass ich sie aufgehalten hätte, wenn ich es gewusst hätte, weil ich es selbst nicht weiß, aber ich hätte sie nie dabei unterstützt, dir das anzutun."

"Ich mache dir deswegen keinen Vorwurf", antwortete ich, aber als sich Erleichterung auf seinem Blick abzeichnete, blickte ich meinem Bruder ernst in die Augen. "Ich mache dir deswegen keinen Vorwurf. Du wolltest Hope beschützen und wusstest, dass unser Plan nicht funktionieren würde, also hast du dir einen eigenen überlegt. Das hätte ich an deiner Stelle wohl auch so gemacht. Aber denk nicht, dass das bedeutet, dass zwischen uns irgendetwas wieder gut ist. Du hast mir schon vorher viel Schlimmeres angetan als an diesem Abend."

Nik zuckte zurück, als hätte ich ihn geschlagen, aber ich konnte einfach kein Mitleid mit ihm empfinden. Wenn er seinen Mund öffnete, hörte ich immer noch sein Lachen, nachdem er unseren Vater umgebracht hatte.

"Das ist noch nicht alles, was ich dir sagen wollte", meinte er dennoch leise. "Ich habe viele Jahre darauf gewartet, dir davon zu erzählen, wie es war, in Dahlias Kopf zu sein."

"Nimm es mir nicht übel, Nik, aber ich habe keine große Lust, mir anzuhören, wie es in ihrem Kopf ist. Sie hat mir genug Lebenszeit gestohlen, ich will nichts mehr mit ihr zu tun haben."

"Nein, nimm es mir nicht übel, Malina, aber diesen Teil werde ich dir sagen, ob du es nun hören willst oder nicht. Und du bist nicht gerade in der Verfassung, mich davon abzuhalten."

Seufzend lehnte ich mich zurück und blickte demonstrativ an die Decke, aber davon ließ mein Bruder sich nicht abhalten. Er wollte mir etwas sagen, also würde ich ihm wohl oder übel zuhören müssen.

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