Chapter 108

Die Hoffnung verschwand in der Sekunde, in der mir bewusst wurde, dass der Zauber von Dahlia mich nicht in den traumlosen Schlaf schickte, den ich kannte.

Ich verlor jedes Gefühl für Zeit, wusste nicht, ob es Stunden oder Jahrzehnte waren, die ich in vollkommener Stille verbrachte, gefangen in meinem eigenen Geist. Doch was ich wusste, war, dass ich jede einzelne Sekunde spüren konnte. Nicht das, was um mich herum geschah, aber ich spürte, dass ich alleine war, gefangen, und war doch unfähig aufzuwachen. Es war mein ganz persönlicher Albtraum.

Doch irgendwann war ich wieder fähig, etwas wahrzunehmen. Das erste, was ich spürte, war, wie warmes Blut in meinen Mund floss. Gierig fing ich an zu trinken, spürte den Hunger mit einer Intensität, die mich fast um den Verstand brachte. Dann jedoch hörte ich eine Stimme, die mir ebenso vertraut war, wie meine eigene.

„Lina? Komm schon, das muss genug sein. Mach deine Augen auf, bitte."

Mit aller Anstrengung hörte ich auf zu trinken und versuchte, meine Augen zu öffnen, wie ich es schon unzählige Male erfolglos probiert hatte. Ich war nicht sehr zuversichtlich, dass es mir dieses Mal gelingen würde, und doch wurde ich plötzlich vom hellen Licht geblendet.

Licht! Ich konnte zwar nur Schemen erkennen, aber es war endlich etwas anderes als die alles umfassende Dunkelheit, die mittlerweile zu meinem Leben geworden war.

Mehrfach blinzelte ich, bis sich meine Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten und ich meine Schwester erkennen konnte, die sanft ihr blutendes Handgelenk von mir fortzog.

„Freya?", flüsterte ich ungläubig und mir stiegen Tränen in die Augen. Ich richtete mich auf von dem Bett, in das mich irgendjemand gelegt haben musste, und sah meine Schwester erleichtert an. Sie war es, sie war es wirklich. Neben ihr stand ein Mädchen, noch ein Kind, aber es war ein anderes Gesicht, nach dem ich suchte.

„Wo ist Kat?", sprach ich meinen Gedanken aus. Meine Stimme klang rau, als hätte ich sie schon seit langer Zeit nicht mehr benutzt. Wie lange war ich fort gewesen? Es hatte sich wie eine Ewigkeit angefühlt, aber das musste nichts bedeuten. Ich hoffte, dass es nicht länger als ein paar Wochen waren.

„Sie ist schon auf dem Weg hierher", antwortete meine Schwester mir ruhig. „Sie war unterwegs, um nach einer Heilung für dich zu suchen, aber ich habe sie angerufen, sobald klar war, dass unser Zauber endlich funktionieren würde. Sie wird in wenigen Stunden hier sein."

Unser Zauber?", fragte ich nach und richtete meinen Blick auf das Mädchen neben meiner Schwester. Ihre Augen kamen mir bekannt vor, aber ich konnte sie nicht zuordnen. Es hätte mich auch gewundert, ich hatte normalerweise keinen Kontakt zu Kindern. „Wer ist das?"

„Du kennst sie bereits", antwortete Freya mir mit einer so sanften Stimme, dass es mir plötzlich bewusst wurde. Ich wollte es nicht wahrhaben, aber ich erkannte ihre Gesichtszüge aus einem ganz bestimmten Grund. Und das bedeutete...

„Hope?", flüsterte ich fassungslos und das Mädchen nickte. Sie sah ein wenig verunsichert aus, aber ich konnte es ihr nicht verübeln. Immerhin kannte sie mich nicht, auch wenn ich mir sicher war, dass Freya ihr alles über mich erzählt hatte. „Wie alt bist du, Kleines?"

„Sieben", antwortete sie leise.

Ich schloss meine Augen und ließ mich zurück in die Kissen fallen, damit sie meine Tränen bei dieser Antwort nicht sehen konnte, riss aber sofort wieder meine Augen auf, als mich die Dunkelheit wieder umfang. Davon hatte ich nun wirklich genug. Sechs Jahre genug.

„Dahlia?", brachte ich nur zitternd heraus und blickte fragend zu Freya.

„Ist tot", bestätigte sie ernst und mir fiel ein Stein vom Herzen. Dann war wenigstens nicht alles schief gegangen.

„Wieso...?", fing ich an, brach dann aber ab. Wieso hatte es so lange gedauert? Das war es, was ich fragen wollte, aber ich wollte Freya kein schlechtes Gewissen machen. „Wie lange warst du... weg?", fragte ich sie also stattdessen vorsichtig.

„Ich bin noch in jener Nacht wieder aufgewacht", antwortete Freya und lächelte mich schwach an. „Dein Schutzzauber über mich hat gewirkt, du hast mir damit das Leben gerettet. Es tut mir leid, dass ich deines nicht eher retten konnte."

„Das wollte ich damit nicht..."

„Ich weiß", unterbrach Freya mich ruhig. „Es tut mir dennoch leid. Nur wenige Tage später konnten wir Dahlia töten, aber als du danach nicht aufgewacht bist... Sie war nicht so dumm, den Zauber an ihr eigenes Leben zu binden. In den letzten Jahren ist viel passiert, zu viel, um es dir alles jetzt zu erzählen. Unsere Geschwister sind alle auf die ein oder andere Weise aus dem Verkehr gezogen worden und ich habe auch für sie Jahre gebraucht, um eine Lösung zu finden. Du warst die Letzte, die uns gefehlt hat, um unsere Familie wieder zusammenzubringen. Und leider auch die Schwierigste, denn um dich wieder zu wecken, brauchten wir die Magie einer Mikaelson-Hexe, die nie an Dahlia gebunden war. Wir mussten warten, bis Hope alt genug war, aber ich kann dir versichern, dass ich in jeder freien Minute nach einer Heilung für dich gesucht habe. Ich habe dich nie aufgegeben, das schwöre ich dir."

„Das weiß ich doch", flüsterte ich und blinzelte meine Tränen weg. Ja, Dahlia hatte mir wieder sechs Jahre meines Lebens geraubt, aber die paar Jahre sollten im Vergleich zu meinem Alter keine große Rolle spielen. Sie taten es dennoch.

"Wieso ist das damals so schief gelaufen?", fragte ich meine Schwester leise. Für sie war es zwar bereits Jahre her, aber für mich war dieser Abend das Letzte, woran ich mich erinnern konnte. Abgesehen von der Zeit der unendlich Qual der Dunkelheit natürlich, aber an die wollte ich mich keine einzige Sekunde mehr erinnern.

"Wir dachten, dass wir mein Blut benötigen, weil ich die einzige Hexe war, die Dahlia zumindest so etwas ähnliches wie geliebt hatte. Das war unser Fehler. Hätten wir den Zauber mit dem Blut von Esther gesprochen, hätte es funktioniert, aber so war unsere Falle wirkungslos. Nik hat das noch vor uns verstanden."

"Hat er uns deshalb verraten?", fragte ich bitter, ohne mich darum zu kümmern, dass seine Tochter noch immer unsicher neben meinem Bett stand.

Doch noch bevor Freya mir antworten konnte, ging die Tür zum Zimmer auf und mein Bruder kam hinein. "Ich denke, das kann ich dir am besten selbst erklären."

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