Chapter 106

"Nein." Ich hörte Kats Stimme durch den Flur schallen, kurz nachdem sie die Tür geöffnet hatte. "Egal, was ihr hier wollt. Die Antwort lautet Nein."

Neugierig, wer sie nur wenige Tage nach Elijahs Besuch schon wieder so sehr aufregen könnte, ging ich ebenfalls zur Tür und stellte mich neben meine Freundin. Nichts konnte mich jedoch darauf vorbereiten, wen ich vor der Tür stehen sah.

"Ich dachte, wir hätten deutlich gemacht, dass wir auf verschiedenen Seiten stehen", begrüßte ich Elijah und Rebekah misstrauisch. "Seid ihr hier, weil unser psychotischer Bruder beschlossen hat, das Risiko meiner Wut auf ihn mit einem magischen Dolch zu vermindern? Oder gleich einem Pfahl?"

"Ich weiß, du denkst schlecht von uns, weil wir Niklaus so lange unterstützt haben, aber es gibt Grenzen, die selbst wir nicht überschreiten würden", antwortete Elijah diplomatisch.

"Schön zu hören. Das hat man noch gar nicht bemerkt", erwiderte Kat trocken und musterte meine Geschwister. Ich könnte sie dafür küssen, wie vollkommen furchtlos sie war. "Dennoch, was auch immer ihr wollt, ihr könnt wieder verschwinden. Mal ist nicht mehr eure Hexe auf Abruf, wenn ihr ein Magieproblem habt. Werdet selber damit fertig."

Mit diesen Worten wollte sie die Tür zuschlagen, aber Elijah stellte rechtzeitig seinen Fuß dazwischen. "Bitte, Malina. Wir wollen nur reden. Irgendwo, wo uns niemand sonst belauschen kann. Können wir reinkommen?"

Demonstrativ blickte ich auf seinen Fuß, der bereits halb in unserem Flur stand. "Es sieht nicht so aus, als würdet ihr mir eine Wahl lassen", erwiderte ich, trat dann aber seufzend beiseite. "Zwei Minuten. Wenn ihr mich bis dahin nicht überzeugt habt, dass es wichtig ist, werfe ich euch hochkant wieder raus und versiegele unsere Wohnung vor zukünftigen unwillkommenen Eindringlingen."

"Das ist fair", antwortete Rebekah mit einem Schulterzucken, während sie und Elijah in unser Wohnzimmer gingen, klugerweise aber stehen blieben und es sich nicht gemütlich machten.

"Also, was ist das große Problem, das euch dazu bringt, euch mit der anderen Seite unserer gespaltenen Familie abzugeben?", fragte ich, wurde von Elijahs Antwort jedoch überrascht.

"Es gibt kein Problem. Nicht direkt zumindest. Aber du hattest recht. Wir haben uns beim Tod unseres Vaters für die Seite von Niklaus entschieden. Und uns ist klar geworden, dass es die falsche Wahl war."

"Ach nein. Klaus ist böse. Wer hätte das ahnen können", murmelte Kat ironisch und ich lächelte sie leicht an, bevor ich mich wieder meinen Geschwistern zuwendete.

"Vor einigen Tagen klang das aber noch ganz anders. Was hat eure Meinung geändert?"

"Elijah hat gesagt, dass es gewisse Grenzen gibt, die wir nicht überschreiten", antwortete Rebekah mir. "Nik hat eine dieser Grenzen überschritten. Er ist absolut unzurechnungsfähig, und so, wie er sich im Moment verhält, ist er eine Gefahr. Nicht nur für andere, sondern auch für sich. Und für unsere Familie."

"Was ist passiert?"

"Niklaus hat Aiden getötet", antwortete Elijah mir.

"Aiden? Das ist doch der Freund von Josh gewesen, oder nicht?", fragte Kat nach, die eindeutig ein viel besseres Namensgedächtnis hatte als ich selbst.

"Ja, er war einer von Jacksons Werwölfen", sagte Rebekah. "Er hatte mit all dem nichts zu tun."

"Und seit wann interessiert es euch, dass Klaus auch Unbeteiligte ermordet?", fragte Kat provozierend, aber ich konnte es ihr nicht vorwerfen. Es war eine berechtigte Frage, die sie da stellte. Das war kein neues Verhalten von Klaus. Rebekah schien diese Frage jedoch nicht zu gefallen, denn sie blickte meine Freundin wütend an.

"Sei nicht so eine gefühllose Bitch, Katherine. Aiden war unschuldig! Er hatte den Tod nicht verdient."

"Genauso wie ich!", erwiderte Kat ebenso aufgebracht. "Ich war auch unschuldig, als Klaus mich für sein dämliches Ritual opfern wollte. Ich hatte nichts mit alldem zu tun. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass einer von euch beiden sich damals darum geschert hätte!"

Sanft legte ich meine Hand auf Kats Rücken und trat dann einen Schritt vor. "Ihr könnt jetzt gehen."

"Malina, bitte...", meinte Elijah beschwichtigend, aber ich funkelte ihn nur wütend an.

"Nein, nichts mehr mit 'Malina, bitte'. Wenn ihr so mit meiner Freundin sprecht, habt ihr hier nichts verloren. Herzlichen Glückwunsch für euer neu gefundenes Gewissen, aber so, wie ihr euch hier verhaltet, gibt es auf meiner Seite keinen Platz für euch. Und jetzt raus."

Meine Geschwister sahen mich überrascht an, doch gerade als ich die beiden mit einem Zauber aus unserer Wohnung vertreiben wollte, sagte Rebekah die eine Sache, die mich innehalten ließ. "Es tut mir leid, Katherine."

Einige Sekunden herrschte Schweigen, bis Kat sagte: "Red weiter."

"Du hast recht, wir haben dir nicht geholfen. Wir stellen es gerne anders dar, aber weder ich noch Elijah haben immer alles richtig gemacht. Wir haben unsere moralischen Überzeugungen oft verbogen, um Nik zu unterstützen. Die Wahrheit ist, all seine Taten hatten bisher einen Grund. Grausame, egoistische Gründe, natürlich, und nichts, was das tatsächlich rechtfertigen könnte. Aber er hatte immer einen Grund, und er hat nie jemanden ermordet, wenn es unsere Familie in Gefahr gebracht hat. Abet durch Aidens Tod haben wir die Loyalität der Werwölfe verloren und das bedeutet, weniger Schutz für Hope. Nik kann nicht mehr klar denken. Er muss aufgehalten werden."

"Und was habt ihr jetzt vor?", fragte ich vorsichtig.

"Wir werden verhindern, dass Niklaus weiterhin eine Gefahr für uns alle darstellt", antwortete Elijah ruhig. "Davina hat uns einen Dolch zur Verfügung gestellt. Ein altes Projekt von Kol. Er hat lange davon geträumt, Niklaus ebenso zu erdolchen, wie er es so oft mit uns getan hat. Heute Abend werden wir es tun. Werde ich es tun. Marcel und Rebekah lenken ihn genug ab, damit ich ihn erdolchen kann. Und wir hätten dich gerne dabei, für den Fall, dass wir zusätzliche Hilfe brauchen, um ihn zu überwältigen."

Einige Sekunden konnte ich meinen Bruder nur sprachlos anstarren, nickte dann aber langsam. "Unter einer Bedingung."

"Welche?"

"Freya wird auch dabei sein. Wenn wir das schon tun, dann müssen wir alle zusammenarbeiten. Damit wir wieder eine Familie sein können, so gut das eben irgendwie geht."

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