Chapter 104
"Was habt ihr euch nur dabei gedacht?", beschwerte ich mich lautstark, als wir alle kurz darauf wieder im Anwesen waren. "Ihr musstet doch wissen, dass Dahlia euch in eine Falle locken würde!"
Anklagend sah ich Nik und meinen Vater an, aber nur letzterer hatte den Anstand, mich entschuldigend anzusehen. Mein Bruder hingegen erwiderte meinen Blick ebenso wütend. "Natürlich wussten wir das, aber wir hatten einen Plan. Wir hatten eine Waffe. Lasst uns nicht vergessen, dass deine ach so tolle Lieblingsschwester diejenige war, die sich den Teil überlegt hat."
"Oh nein, das war nicht mein Plan", antwortete Freya. "Ich wollte, dass Vater die Materialien besorgt, ja, aber es war nie vorgesehen, Dahlia jetzt schon damit anzugreifen. Ich wollte aus den Materialien mehr Waffen erstellen als nur eine einzige. Ihr wart es, die das alles überstürzt haben. Und jetzt haben wir die einzige Waffe gegen Dahlia verloren."
"Dann erstellen wir eben eine neue Waffe", lautete Niks Antwort, woraufhin unser Vater schnaubte.
"Weißt du eigentlich, wie schwierig es war, diese Materialien zu besorgen, Junge?"
"Was waren das überhaupt für Materialien, die ihr gebraucht habt?", fragte Kat und ich hätte sie dafür küssen können, dass sie mit ihrer Frage ganz ohne Vorwürfe die Stimmung etwas lockerte. Elijah und Rebekah sahen uns nur fragend an, also war es Nik, der uns antwortete.
"Es waren nur drei. Als erstes Erde aus Dahlias Heimat. Das ist nicht mehr als einen Flug entfernt. Dann etwas von Freyas Blut, wovon wir ja glücklicherweise unbegrenzten Vorrat direkt hier stehen haben. Und als letztes... Die Asche von Dahlias Wikingerunterdrückern."
"Und die ist nicht gerade häufig in Museen zu finden", schaltete sich Mikael ein.
Mit einem Lächeln drehte sich Nik zu unserem Vater um und ich verstand erst zu spät, was das bedeutete. Keine Sekunde später hielt mein Bruder einen Weißeichenpfahl in der Hand und richtete ihn direkt auf die Brust meines Vaters.
Bevor ich auf die beiden zurennen konnte, hatte Elijah bereits nach meinen Armen gegriffen, um mich zurückzuhalten und Rebekah tat das Gleiche bei Freya.
"Nur eine Bewegung von euch, nur den Hauch von Magie, und ich bringe ihn auf der Stelle um", drohte mein Bruder leise, ohne den Blick von unserem Vater abzuwenden.
"Nik, bitte. Tu das nicht. Wir finden eine andere Lösung", flehte ich, aber ich konnte nicht erkennen, ob meine Worte zu ihm durchdringen konnten.
"Darauf hast du doch nur gewartet", murmelte mein Vater abwertend und sah Nik voller Abscheu an. "Du bist froh, jetzt endlich eine Ausrede zu haben, mich umzubringen. Aus dem Hinterhalt, wie der feige Bastard, der du bist."
"Vater, hör auf, du machst es nur noch schlimmer!", rief Freya, aber mir wurde mit Grauen klar, was er da tat. Er provozierte Nik statt sich zu wehren. Unser Vater könnte einen Kampf mit seinem Sohn anfangen und vermutlich gewinnen, aber dabei würden ohne Zweifel auch Freya und ich mit reingezogen werden. Offenbar wollte er das um jeden Preis verhindern. Ganz davon abgesehen, dass ihm vermutlich klar war, dass das unsere beste Chance gegen Dahlia war. Er würde alles tun, um die Frau zu vernichten, die ihm seine Töchter genommen hatten.
"Sollen das deine letzten Worte sein, alter Mann?", fragte Nik tonlos und ich schüttelte verzweifelt den Kopf.
"Nein, Nik. Bitte. Ich flehe dich an, tu das nicht!"
Dann ging plötzlich alles ganz schnell. Nik spannte sich an, um den Pfahl in Mikaels Herz zu stoßen, als plötzlich Kat von der Seite auf ihn zusprang. Da Elijah und Rebekah genug mit Freya und mir zu tun hatten, hatte niemand mehr auf sie geachtet und wahrscheinlich war auch niemand hier ernsthaft davon ausgegangen, dass ausgerechnet Kat ihren ehemals schlimmsten Feind angreifen würde. Doch bevor ich auch nur Hoffnung schöpfen konnte, dass alles gut werden würde, hatte Nik eine Hand ausgestreckt und Kat mit nur einer Bewegung zur Seite gestoßen.
"Freya. Malina", hörte ich meinen Vater und ich blickte mit wachsendem Entsetzen in seine Augen, als er uns beide ruhig ansah. "Ich liebe eu-"
Er beendete seinen Satz nicht. Seine letzten Worte an uns, und er schaffte es nicht, sie auszusprechen. Denn bevor er uns noch einmal versichern konnte, wie sehr er uns liebte, rammte Nik ihm den Weißeichenpfahl in die Brust und ich sah zu, wie unser Vater verbrannte.
Ein verzweifelter Schrei brach aus meiner Brust, doch als ich auf meinen Bruder losstürmen wollte, hielt mich Elijahs Griff weiter zurück. Nik hingegen trat gelassen von der brennenden Leiche unseres Vaters zurück.
"Ja, Wikingerasche ist tatsächlich schwer zu finden", verkündete er mit einem Lächeln. "Aber letztendlich braucht man doch nur eine brennende Wikingerleiche."
Bei diesen Worten spürte ich, wie etwas in mir zerbrach. Nicht nur der grausame Tod meines Vaters war es, sondern die Reaktion von meinem eigenen Bruder. Ich verstand, dass Mikael für ihn kein wahrer Vater war, ich verstand sogar, dass er ihn gehasst hatte. Aber zu sehen, wie er sich über seinen Tod amüsierte, wie ihn mein Leid nicht zu kümmern schien, ließ ihn mich mit anderen Augen sehen.
"Ich habe dir einmal versprochen, dass ich dich niemals verraten würde, Nik", flüsterte ich leise, blickte ihm aber trotz der Tränen in meinen Augen fest an. Er sollte ruhig sehen, was er angerichtet hatte. Was er verloren hatte. Denn das war mehr als unser Vater. "Ich habe gesagt, dass es mir egal ist, wie du dich verhältst, weil ich dich immer vor allen Gefahren beschützen würde. Aber du hast mich verraten. Du hast gewusst, dass ich unseren Vater liebe, wie viel er mir bedeutet. Und doch hast du nicht eine Sekunde gezögert, hast nicht einmal daran gedacht, was du mir damit antust. Du hast mich verraten. Ich werde weiter gegen Dahlia kämpfen, aber du kannst dir sicher sein, dass ich nie wieder mit dir zusammen arbeiten werde. Bis du verstehst, wie sehr du mich verletzt hast, bis du dich bei mir und bei Freya entschuldigst, will ich nichts mehr mit dir zu tun haben."
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