Chapter 102

Nachdem Freya und Kat das zwischen sich geklärt hatten, konnten wir uns endlich wieder auf den Zauber konzentrieren, um in Jacksons Kopf nach Dahlia zu suchen. Ich nahm nichts anderes außer unseren Zauber mehr wahr, bis ich plötzlich ganz deutlich Dahlias Präsenz spürte. Erschrocken riss ich die Augen auf und sah Dahlia direkt hinter Freya stehen, doch gerade als ich meine Hände fortriss, um Freya zu warnen, verschwand sie wieder.

"Was ist los, was hast du gesehen?", fragte Kat, die langsam von der Wand, an der sie lehnte, auf mich zuging, und auch Freya blickte mich nur aus fragenden Augen an.

"Dahlia. Ich weiß, weshalb sie so mächtig ist", flüsterte ich, als mir klar wurde, was meine Vision zu bedeuten hat. "Sie ist mit dir verbunden, Freya. Es ist deine Macht, die sie channelt."

"Sie hat mich gefunden?", flüsterte Freya mit weit aufgerissenen Augen. "Nein, das darf nicht sein..."

Ich wollte gerade einen Schritt auf sie zumachen, um meine Zwillingsschwester zu beruhigen, als ich bemerkte, dass Rebekah und Hayley ins Zimmer kamen. Und offenbar hatten sie meine letzten Worte gehört, denn sie waren alles andere als erfreut.

"Du!", rief Rebekah aus und blickte Freya empört an. "Du kommst hierher und erzählst uns, dass du helfen willst. Dabei warst die ganze Zeit über du es, die Dahlia ihre Kraft gibt!"

"Lass mich erklären, ich wusste davon nichts, ich...", begann Freya sich zu rechtfertigen und ging einen Schritt auf unsere Schwester zu, wobei sie auch näher an Jackson trat.

Sofort stand Hayley vor ihr, um sie von ihm wegzustoßen. "Verschwinde von meinem Mann", knurrte sie und wollte Freya noch weiter fortstoßen, doch bevor sie meine Schwester auch nur ein weiteres Mal berühren konnte, stand ich vor ihr und blickte sie wütend an.

"Lass sie in Ruhe", knurrte ich, während mein Vampirgesicht erschien. Wenn es um meinen Zwilling ging, verstand ich keinen Spaß. "Sie wusste nicht, dass Dahlia ihre Macht benutzt. Sie kann nichts dafür."

"Du sagst, dass sie nichts dafür kann, aber das können wir nicht wissen", schaltete sich Rebekah wieder ein. Obwohl ihre Stimme ruhig klang, war das Misstrauen klar zu erkennen.

"Doch. Ich weiß es", widersprach ich fest. "Freya will Dahlia ebenso vernichten wie wir, vielleicht sogar noch mehr."

"Ich weiß, dass du das glaubst, aber wir können ihr nicht vertrauen, Mal. Tut mir leid, aber du bist mit Dahlia verbunden, Freya. Egal, ob du das nun wolltest oder nicht, solange du mit ihr verbunden bist, solltest du nicht hier sein."

Freya wurde ganz still und drehte sich wortlos um, aber ich wurde dafür umso wütender. "Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein, Rebekah! Du kannst sie doch nicht einfach rauswerfen!"

"Es ist das Sicherste für unsere Familie", antwortete sie nur stur.

"Freya ist unsere Familie! Und ich bin es ebenso. Wenn ihr Freya nicht mehr hier haben wollt, werde ich ebenfalls nicht bleiben."

"Lina, du musst das nicht tun", hörte ich Freyas Stimme leise hinter mir, aber ich ignorierte sie und blickte Rebekah fordernd in die Augen.

"Dann tut es mir leid, aber ich werde meine Meinung nicht ändern", sagte diese nur.

"Doch, das wirst du", schnaubte ich und drehte mich ebenfalls um. "Spätestens wenn euch klar wird, dass ihr unsere Hilfe braucht, um mit Dahlia fertigzuwerden. Und dann erwarte ich eine gewaltige Entschuldigung."

Mit diesen Worten griff ich nach Freyas Hand und stolzierte wütend mit ihr aus dem Anwesen.

"Wo gehen wir jetzt hin?", fragte sie leise und ich hasste es, wie unsicher sie plötzlich klang. Sie hatte schon so viel durchmachen müssen und wurde dennoch nicht von unseren Geschwistern akzeptiert. Ich würde nicht eher aufgeben, bis sie unsere Geschwister ebenso kennenlernen würde, wie ich sie kannte. Ich würde schon noch dafür sorgen, dass wir eine Familie wurden, ob sie jetzt wollten oder nicht.

"Du kannst erst einmal bei uns wohnen", antwortete Kat, die uns gefolgt war und jetzt zu uns aufschloss. Dankbar warf ich ihr einen kurzen Blick zu, aber bevor ich noch etwas sagen konnte, blieb Freya plötzlich stehen.

"Irgendetwas stimmt hier nicht", murmelte sie und warf uns einen Blick zu. "Dahlia ist in der Nähe. Versteckt euch."

Zu spät verstand ich, dass dieser Blick nicht für mich gedacht war, sondern für Kat, denn während ich noch protestieren wollte, dass ich Freya sicher nicht allein lassen würde, griff Kat bereits nach meinem Arm und zog mich in eine Seitengasse. Empört wollte ich mich beschweren, aber bevor ich auch nur einen Laut sagen konnte, legte Kat eine Hand auf meinen Mund und drückte mich gegen die Wand eines der alten Häuser.

"Shh. Ich weiß, du willst sie nicht allein lassen, aber Dahlia darf dich nicht sehen. Wir wissen nicht, ob sie es schon mitbekommen hat, dass du deine Magie wiederhast. Im besten Fall hält sie dich immer noch für einen gewöhnlichen Vampir. Dabei sollte es bleiben."

Wütend verengte ich meine Augen, blieb aber dennoch still. So ungern ich es auch zugab, Kat hatte recht. Ich machte mir keine Sorgen, dass Dahlia mich angreifen könnte, wenn sie mich entdeckte... Nein, das war nicht ganz korrekt. Ich hatte sogar panische Angst vor einer Konfrontation mit Dahlia, aber noch mehr fürchtete ich mich davor, den einzigen Vorteil zu verlieren, den wir im Moment gegen sie hatten. Solange Dahlia mich für keine große Gefahr hielt, könnte ich unsere Familie besser beschützen. Dennoch, als ich plötzlich ihre Stimme hörte und sie mit Freya sprach, benötigte ich meine ganze Selbstbeherrschung, um nicht zu meiner Schwester zu rennen. Nicht nur, um sie zu schützen, sondern auch, um mich an unserer Tante dafür zu rächen, dass sie uns beiden das Leben gestohlen hatte, das wir hätten haben sollen. Mein Hass auf Dahlia war ebenso groß wie meine Angst vor ihr. Bei Freya hingegen schien die Angst zu überwiegen, denn von der selbstbewussten Frau, die ich in den letzten Tagen hatte kennenlernen dürfen, blieb plötzlich nur noch das junge, verängstigte Mädchen übrig, an das ich mich aus unserer Zeit bei Dahlia erinnerte.

Unsere Tante verspottete Freya, dass sie von all ihren Geschwistern verstoßen wurde, obwohl sie nur helfen wollte und Kat verstärkte ihren Griff um mich, als wüsste sie, dass ich kurz davor war, jeglichen Verstand zu ignorieren und loszulaufen, um zu beweisen, dass Freya noch nicht von all ihren Geschwistern verlassen worden war. Ich würde sie nie im Stich lassen. Nie wieder.

Kurz bevor ich diesen Gedanken in die Tat umsetzen konnte, verschwand Dahlia jedoch ebenso plötzlich wie sie gekommen war und Kat ließ mich los. Sofort stand ich wieder neben meiner Schwester und musterte sie besorgt. "Geht es dir gut?"

Freya schien mir kaum zuzuhören und starrte noch auf die Stelle, an der Dahlia gestanden hatte, nickte aber abwesend. "Ja, alles in Ordnung. Aber wir haben ein Problem. Dahlia weiß, dass ich unseren Vater losgeschickt habe, um die drei Materialien zu sammeln, die man für eine Waffe gegen sie braucht. Und wie es aussieht, hat Vater beschlossen, mit Niklaus zusammenzuarbeiten, um das ganze schneller voranzutreiben. Sie planen irgendetwas, aber es wird nicht funktionieren. Dahlia wird sie in eine Falle locken."

Schockiert blickte ich meine Schwester an, atmete dann aber tief durch. "Also gut. Dann werden wir eben verhindern, dass diese Falle auch zuschnappt."

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