Chapter 10

In den nächsten vier Wochen verließ ich mein Zimmer nur zwei Mal, um meine Blutreserven und Alkoholvorräte aufzufüllen und achtete ansonsten darauf, niemandem zu begegnen. Ich wusste, dass ich gerade selbstzerstörerisch handelte, indem ich mich selbst einschloss und in meinem Elend badete, aber ich konnte mich auch nicht zu etwas anderem aufraffen. Ich wusste nicht mehr, was ich mit meinem Leben anfangen sollte, und daran war nicht nur Annas Tod schuld.

Schon vor Jahrhunderten hatte ich beschlossen, meine Geschwister nicht aufspüren zu wollen, nachdem ich gehört hatte, wie grausam sie sich verhielten. Sie dachten eh, dass Freya und ich schon vor ihrer Geburt gestorben waren und ich bezweifelte, dass sie meinem Wort so einfach glauben würden. Dennoch fragte ich mich, wie mein Leben wohl verlaufen wäre, wenn ich damals eine andere Entscheidung getroffen hätte. Wenn ich meine Geschwister gesucht hätte, nachdem ich ein Vampir geworden war. Ob ich nun mit ihnen leben würde, in einer großen, glücklichen Familie? Oder hätte mich einer von ihnen umgebracht, vermutlich Klaus, der den Geschichten nach der impulsivste von ihnen war?

Ein Klopfen an meiner Tür riss mich aus meinen Gedanken und ich drückte mir stöhnend mein Kissen aufs Gesicht, um das Geräusch auszublenden. "Ich bin nicht da!", rief ich genervt, als das Klopfen einfach nicht aufhören wollte, aber als Antwort bekam ich nur Damons Stimme zu hören: "Mach einfach die verdammte Tür auf, Malina. Du wirst hören wollen, was ich zu erzählen habe."

Seufzend stand ich auf, weil mir klar war, dass Damon mich ansonsten nie in Ruhe lassen würde, und öffnete die Tür. "Was ist los?"

Kurz musterte er mich von oben bis unten, mein ungewaschenes Haar, mein mürrisches Gesicht, das Nachthemd, in dem ich bereits seit vier Wochen schlief. "Du siehst grauenhaft aus", verkündete er und betrat dann unaufgefordert mein Zimmer, das nicht sehr viel besser aussah als ich selbst.

"Na, vielen Dank auch", antwortete ich ironisch. "Tut mir leid, dass ich mich nicht für dich hübsch gemacht habe."

Ernst drehte sich Damon zu mir um und ich zog mir eine halbwegs saubere Jacke über, um nicht ganz so furchtbar auszusehen. "Ich habe dir einen ganzen Monat Zeit gegeben, damit du dich wieder fangen kannst, aber der ist jetzt vorbei. Es wird Zeit, zurück ins Leben zu kommen."

"Was kümmert es dich?", antwortete ich nur und schenkte mir ein Glas Bourbon ein. Bevor ich das jedoch trinken konnte, stand Damon vor mir und nahm es mir aus der Hand, nur um es dann selbst zu leeren. "Hey!", beschwerte ich mich halbherzig, aber er sah mir nur fest in die Augen.

"Ich bin dir immer noch etwas schuldig, erinnerst du dich? Sieh das hier als deinen Gefallen an. Ich bin hier, um dich wieder in die richtige Spur zu bringen. Oder so. Und ich habe Neuigkeiten für dich."

"Es ist mir egal, Damon", antwortete ich und ließ mich wieder auf mein Bett fallen. "Mir ist alles egal, verstehst du das nicht?"

"Das wird dir sicher nicht egal sein. Es geht um Katherine."

Einige Sekunden schwieg ich aus Trotz, richtete mich dann aber doch wieder auf und sah ihn fragend an. "Katherine?", wiederholte ich neugierig. "Ist sie wieder in Mystic Falls?"

"Ahh, das ist dir also doch nicht egal", grinste Damon, woraufhin ich ihm nur einen giftigen Blick zuwarf. "Sie ist seit dem Gründertag wieder da. Aber das hast du natürlich nicht mitbekommen, weil du hier warst und in Selbstmitleid versunken bist."

"Wo ist sie jetzt?", fragte ich, ohne auf seinen bissigen Kommentar einzugehen.

"Oh, der Teil wird dir gefallen. Los, geh duschen und zieh dir etwas Ordentliches an. Ich bringe dich zu ihr."

Einige Sekunden überlegte ich, ob ich einen Streit mit Damon anfangen sollte, entschied mich dann aber dagegen und ging schnell duschen. Es war ungewohnt, mich wieder zurechtzumachen, aber ich ließ mir extra viel Zeit dabei, vorzeigbar auszusehen. Wenn ich gleich wirklich Katherine wiedersehen würde, würde ich ihr nicht die Genugtuung geben, weniger als perfekt auszusehen.

"Ahh, sieh an, wer wieder zurück unter den Lebenden ist", begrüßte mich Damon, als ich fertig aus meinem kleinen Badezimmer kam, und ich warf ihm als Antwort mein nasses Handtuch an den Kopf.

"Halt die Klappe. Sag mir lieber, wo Katherine ist, bevor sie noch abhaut."

"Oh, sie wird nicht von dort verschwinden können", antwortete Damon und grinste mich auf meinen fragenden Blick hin an. "Sie ist in der Gruft, dort, wo sie die ganze Zeit hätte sein sollen. Und dort wird sie auch die nächsten Jahrhunderte bleiben."

Bei dieser Vorstellung bildete sich sofort ein Lächeln auf meinen Lippen. "Ist das dein Ernst? Sie ist in der Gruft eingesperrt?"

Eigentlich hatte ich vorgehabt, diesem Ort nie wieder auch nur nahe zu kommen, aber das veränderte die Situation völlig.

"Jap. Habe sie selbst dort eingesperrt, ich dachte, du würdest die Ironie daran auch zu schätzen wissen. Ich kann dich zu ihr bringen, wenn du dich selbst überzeugen willst."

"Auf jeden Fall!", meinte ich sofort begeistert und saß keine zwei Minuten später bereits in Damons Auto. Irgendwann musste ich unbedingt lernen, selbst so ein Ding zu fahren, aber das konnte noch warten.

Als wir bei der Gruft ankamen, wollte ich sofort losrennen, aber Damon hielt mich am Arm fest. "Denk daran, sie wird sicher versuchen, dich zu irgendeinem Deal zu überreden, um sie zu befreien. Fall nicht darauf rein."

Spöttisch schnaubte ich auf und befreite mich aus seinem Griff. "Das werde ich ganz sicher nicht. Es ist schlimm genug, dass sie mich einmal verraten hat, ein zweites Mal wird das sicher nicht passieren."

"Okay, gut", antwortete Damon, wurde dann aber abgelenkt, als sein Handy klingelte. Ich versuchte, seinem Gespräch nicht zu lauschen, bekam aber trotzdem mit, dass Elena anscheinend entführt wurde und Stefan seine Hilfe brauchte, um sie zu befreien. "Ich muss mich noch um etwas anders kümmern. Kommst du hier alleine klar?"

"Ja, geh nur. Bestell Elena schöne Grüße, wenn sie wieder in Sicherheit ist", grinste ich leicht und sah dann zu, wie Damons Auto wieder um die nächste Kurve verschwand, bevor ich in die Gruft ging. Den Stein, der den Eingang zur Gruft versiegelte, konnte ich ohne Probleme zur Seite rollen und wie erwartet dauerte es keine fünf Sekunden, bis Katherine um die Ecke trat, um zu sehen, wer dieses Geräusch ausgelöst hatte. Zufrieden bemerkte ich, wie sie leicht zusammenzuckte, als sie mich im Licht der Fackeln in der Höhle erkannte, und schenkte ihr ein herablassendes Lächeln. "Hallo, Katherine. Lange nicht mehr gesehen."

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