6. Kennenlernen

Louis


Hatte ich staubgewischt? Nein.
Hatte ich Tee gemacht? Nein.
Hatte ich etwas anderes gemacht, als die ganze Zeit hektisch durchs Haus zu rennen? Nein.
Hatte Harry was anderes gemacht? Ja.
Er räumte auf, kaufte ein, kochte und backte, deckte den Tisch, saugte nochmal, zwang mich aus der Jogginghose und in eine vernünftige Jeans, räumte erneut auf, nachdem ich im Erdgeschoss herumwuselte und lachte dabei die ganze Zeit.
Das einzige was ich tat war faulenzen und mich schlecht fühlen. Schlecht, weil Harry der war, der unser Haus für das erste Treffen zwischen meiner Freundin und meinen Freunden auf Vordermann brachte. Ich wollte nicht wissen, wie es ihm damit ging. Wirklich nicht.

„Sie kommt gleich." Hüpfend stand ich in unserer Küche.

„Ich weiß", schmunzelte Harry.

„Und für dich ist das wirklich okay?"

„Natürlich. Solange du glücklich bist, bin ich zufrieden."
Schon wieder dieses Wort. Wie ich es hasste. Harry sollte nicht zufrieden sein. Er sollte glücklich sein.
Aber ich musste wohl einsehen, dass er es einfach noch nicht sein konnte.

„Ich hoffe ihr werdet miteinander klar kommen", murmelte ich. Für einen Moment verrutschte Harrys zufriedene Maske und Abneigung trat auf sein Gesicht. Er krauste die Nase. Nur ein Moment und dann war das Lächeln wieder da.

„Wir werden sehen."
„Harry?"
„Ja?"
„Ich finde Jeans unbequem."
Er lachte. Ein echtes Lachen. Mein Herz schlug Purzelbäume vor Freude.
„Na dann. Ab in eine Jogginghose mit dir Lou."


Harry

„Endlich seid ihr da! Ich werde noch verrückt. Louis hört einfach nicht auf, durchs Haus zu springen." Ich nahm mir nicht die Zeit, unsere Freunde zu begrüßen, während ich Louis hinterher ins Wohnzimmer eilte. Er saß auf dem Sofa und wippte auf und ab, womit er natürlich die Anordnung der Decken und Kissen zerstörte. Ich hatte sie heute sicherlich schon fünf Mal perfekt ausgerichtet, Louis kam und es sah wieder unordentlich aus.

„Ist da etwa jemand aufgeregt?" Liam und die anderen zwei kamen grinsend ins Wohnzimmer. Ich wünschte, mich könnte das baldige Aufeinandertreffen auch so erfreuen. Kurz runzelte ich die Stirn, schüttelte dann unauffällig den Kopf und versuche anschließend erfolgslos Louis vom Sofa zu bekommen.

„Ein bissle. Ich hoffe ich habe El nicht zu viel von euch versprochen. Wenn ihr euch jetzt wie die letzten Idioten benehmt? Fook, wehe ihr benehmt euch, wie Idioten!" Louis hob mahnend seinen Zeigefinger, während er mich über meine Bemühungen ihn zu verscheuchen amüsiert anlächelte.

„Solange es hier essen gibt, mache ich keine Probleme", kams von Niall, ehe er sich neben Louis setzte und begann mit ihm zu wippen.

„Kommt schon! Leute!" Empört sah ich die beiden an.

„Sag mal Louis, da hast du ja ganze Arbeit geleistet. Hier glänzt es wie frisch renoviert." Zayn grinste gehässig. Er wusste, genau wie wir alle, dass Louis kein Haar gekrümmt hatte.

Hier alles auf Vordermann zu bringen, glich der Hölle auf Erden. Ein egoistischer Teil in mir wollte nicht, dass Eleanor sich hier wohl fühlte. Aber der viel größere Teil, der nur möchte, dass Louis glücklich ist, hatte die Kontrolle über mich ergriffen und jeden Gedanken, dass ich das für Eleanor machte verboten. Stattdessen wiederholte ich in dauerschleife: Für Louis, Für Louis, Für Louis in meinem Kopf.

„Joa, war ganz einfach. Bisschen Staubwedel dort und ein bissle da. Du siehst, ich bin ein Naturtalent", grinste der Älteste von uns.

Und nur für dieses Lächeln, für dieses Grinsen, würde ich alles machen. Es fiel mir schwer, ein Seufzen zu unterdrücken. Es war schwer, zu strahlen, als wäre ich der glückliche beste Freund. Es war schwer nicht in Tränen auszubrechen. Aber ich schaffte alles. Ich schaffte es.

„Wir sind stolz auf dich." Liam zog seine Augenbrauen nach oben. „Aber könntet ihr mir mal helfen, den Kuchen von draußen reinzubringen? Er steht noch im Auto."

Niall sprang zuerst auf und war schneller weg, als ich schauen konnte und auch Louis folgte süffisant grinsend. Liam zwinkerte mir zu und ich nutzte die Gelegenheit, das Sofa wieder zu ordnen.

„Bei dir alles klar, Kumpel?" Zayn starrte mich intensiv an, nachdem auch Lee den Raum verließ.

Mein Herz setzte aus? „Hä?"

„Du wirkst so angespannte? Große Bruder Gefühle?" Der Pakistaner klopfte mir auf die Schulter und setzte sich vorsichtig auf unseren Sessel.

Große Bruder Gefühle? Wovon zum Teufel sprach er?

„Du wirkst, als würdest du Louis am liebsten nehmen und wegsperren. Wie ein großer Bruder, der Angst hat, dass seinem kleinen das Herz gebrochen wird."

Ich war noch nie in meinem Leben so verstört. Louis, mein kleiner Bruder? Ist ja ekelhaft. Da kommen die feuchten Träume, in denen er unter mir liegt, wohl ziemlich ungelegen. Vielleicht sollte ich mich selbst einweisen lassen. Inzest ist ja bekanntlich nicht das Beste.
„Also eigentlich bin ich- Also das Treffen. Ich bin voll... okay damit." Selbst ich bemerkte, wie gequält ich klang. Wie schwer mir die Worte fielen. Salzsäure auf der Zunge.

„Ist klar", grummelte Zayn. Ich stand ihm gegenüber, fühlte mich nichtsnutzig und entschied mich dann selber Platz zu nehmen. Auf dem Sofa.

„Es ist nur ungewohnt. Der Gedanke, dass es gar nicht lange dauern wird, bis sich etwas ändert. Louis ist neunzehn. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ihm das Leben mit", es fiel mir so verdammt schwer die Worte auszusprechen, „seinem bestem Freund, nicht mehr reicht."

„Erzähl kein Bullshit. Louis hat jetzt vielleicht eine Freundin, aber eure Freundschaft ist so viel intensiver, als jede Berührung es zwischen denen jemals sein wird. Meine Schwester hat mal gesagt, dass eine Beziehung irgendwann zu Ende geht, eine Freundschaft nicht. Also mach dir hier mal keinen Kopf."

Ob Zayn bewusst war, dass seine Worte es nur schlimmer machten? Wahrscheinlich nicht. Doch mein Herz blutete und Sekunde für Sekunde wurde es schwerer, zu lächeln. „Danke Zaynie."

Jetzt würde ich es gerne sagen. Es war ruhig, Zayn schien nur darauf zu warten, dass ich ihn meine wahren Gefühle offenbarte. Doch da waren Lenas Worte. Die Managerin verbot mir vor einem Jahr, mit irgendwem über meine Sexualität zu reden.

Sie würden dich sowieso nicht verstehen Harry. Im schlimmsten Fall zerstört es noch die Band oder euer Ansehen. Ich nehme an das willst du nicht? Also vergiss das ganze Gerede von Homosexualität lieber.

Noch am selben Tag verriet ich es Louis. Weil ich traurig und fertig war. Und am nächsten zerstörte er all meine Hoffnung.
„Zayn, ich bin schwul", war was ich gerne gesagt hätte.
„Ich glaub die anderen bringen da jemanden mit", war, was ich tatsächlich sagte.

Und es stimmte. Keine Sekunde später standen sie im Wohnzimmer. Louis hielt ein Mädchen an der Hand. Sie waren gleich groß. Sahen aus wie Geschwister. Sie hatte seidig aussehendes gewelltes Haar. Langweilig. Nicht zottelig genug. Da hatte man ja Angst, die perfekte Frisur zu zerstören, sobald man auch nur vorbei lief. Und Ihre Augen. So braun. Viel zu normal.

Und in dem Moment, wo ich Eleanor betrachte, wurde mir bewusst, dass ich dieses Treffen nicht überleben würde. Ich würde dahin scheiden. Todesursache: Eifersucht, Liebeskummer und Selbstzweifel.
Ich sah Eleanor an und ich sah rot. Ich sah nicht mehr das Mädchen, dass Louis zum Lächeln bringen konnte. Ich sah keinen Menschen. Ich sah Schmerz, Einsamkeit und Angst. Und ich sah diesen abschätzigen Blick, den sie Louis Jogginghose zuwarf.
„Hey, also ich bin Eleanor, aber meine Freunde nennen mich El. Ist einfacher und klingt irgendwie freundlicher." Sie warf nervös. Sie wurde rot. Louis sah sie warm an. Mit Zuneigung.

„Ich bin Zayn. Der coolste unter uns, falls wer was anderes behauptet." Der Pakistaner zwinkerte grinsend, Louis schlug ihm spielerisch auf die Schulter.

Ich zwang meinen Mund sich zu öffnen, meine Stimme nicht zu zittern: „Harry, freut mich dich kennen zu lernen, Eleanor."

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