4. Der Grund für seine Tränen

Louis


Als ich eine halbe Stunde später, zu Harry in unser Zimmer schlich, kamen mir fast die Tränen. Er lag da, meine Decke umklammernd und schlafend. Ein kleiner, nasser Fleck schmückte sein Kissen.

Ich seufzte.

So gerne wäre ich nicht der Grund, wieso er weinte. Ich wünschte es mir so sehr. Doch aus irgendeinem unverständlichen Grund, hatte der Lockenkopf mir sein Herz geschenkt. Ausgerechnet mir. Unerklärlich, was er an mir fand, wenn er doch so viel mehr haben könnte. Wenn er doch so viel mehr hatte. So viel mehr Talent fürs singen, so viel mehr Fans, so viel mehr Herz und so viel mehr von allem. Charisma, Freundlichkeit, Humor und Hilfsbereitschaft, Selbstlosigkeit. Man sollte meinen, eine derart perfekte Person gab es nicht. Und doch hatte sie mir das Herz geschenkt.
Mir Louis Tomlinson, der nicht mal ein paar Schritte im Leben gehen konnte, ohne aus Versehen jemanden zu trete. Der in dieser Band scheinbar nur Deko war und der jeden Moment verschwinden könnte.

Nimm es nicht persönlich, Louis. Deine Stimme passt hier einfach nicht rein.
Es gibt auch andere Aufgaben, als das Singen in einer Band Louis. Du könntest zum Beispiel bei den Outfits helfen.

Harry hatte sich in mich verliebt, obwohl er einer der wenigen war, die meine Fehler so genau wussten.

Ohne drüber nachzudenken, entzog ich Harry die Decke und platzierte mich selber an die Stelle. Vielleicht konnte ich nicht gut auf sein Herz aufpassen. Aber das hieß nicht, dass ich es nicht versuchen würde. Ich warf nochmal ein Blick auf mein Handy.

Hast du es ihm inzwischen gesagt?, las ich Eleanors Nachricht.

Nein, ich vermute, dass musste ich gar nicht, antwortete ich.

Heißt das, ich kann ihn bald kennenlernen? Du erzählst immer so viel von ihm. Denkst du, er wird mich mögen?

Mal sehen. Wir haben demnächst viele Termine. Ich muss schauen, ob wir Zeit finden. Aber wahrscheinlich nicht.

Oh, Schade. Und, was ist mit dem mögen?

Natürlich El, er wird dich lieben.

Oder dich die ganze Zeit mit aufgesetzter Höflichkeit anschauen. Sorry El, aber niemals im Leben, würde ich Harry das zumuten. Er ist schließlich mein Harry. Mein bester Freund Harry. Und auch wenn er die meiste Zeit des Tages auf mich achtete, ab und zu, könnte ich es ihm ja zurückgeben.

Plötzlich spürte ich, wie mich die Arme um meinen Körper näher zu Harry zogen und ich seufzte zufrieden. Wenn wir, wie jetzt, einfach so da lagen, war ich glücklich und fühlte mich wohl. Und deswegen war mir unsere Freundschaft so wichtig. Vom ersten Moment an, als wir im Badezimmer von x-Faktor aufeinander stießen, war er mein Zuhause. Er war diese Person, die mich hielt und kannte, wie kein anderer. Er war einfach Harry.
Niemals würde ich unsere Freundschaft zerstören. Harry war mein Leben. Und selbst wenn es ihm nie genug sein würde, so liebte ich ihn von ganzem Herzen. Er war mein bester Freund. Er war einfach mein.

Xx

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war es draußen gerade am Hell werden. Harry stand bereits im Boxershort vor unserem Kleiderschrank und zog sich ein T-Shirt an.

Hatte er mich hier einfach liegen gelassen? Normalerweise weckte er mich, wenn er aufstand, weil er wusste, wie sehr ich es hasste, alleine wach zu werden. Zumindest, seit ich es nicht mehr musste.

„Morgen", grummelte ich und konnte den unterschwelligen Vorwurf aus meiner Stimme nicht verbergen. Während Harry sich umdreht, setzte ich mich auf. Mein Blick fiel auf seinen Oberkörper. Wie schaffte es Harry, einen derart gut gebauten Körper zu haben? Ein angedeutetes Sixpack, eine stark ausgeprägte V-Linie. Immer wenn ich es sah, musste ich mich daran hindern an mir herabzuschauen und irgendwie das Gegenteil zu sehen. Ich war irgendwie einfach weniger. Weniger Muskeln, weniger breite, weniger Körpergröße und weniger einfach alles.
Harry sollte dringend jemanden, über seinen Geschmack schauen lassen. In seinem Gehirn musste ein Fehler vorliegen, wenn er sich in mich verlieben konnte. Nachdem er mich so gut kannte. Wer wusste, ob Eleanor nicht noch abhaute, sobald sie mehr von mir mitbekam. Mehr als nur ein paar Monate.

„Louis? Sag mal, das ist ein bisschen viel Nachdenken für so kurze Zeit." Harry kam zu mir und setzte sich neben mich aufs Bett. „Was ist den los?"
Dabei lag ein derart mitfühlender Ausdruck auf seinem Gesicht. Als wäre ich der, der hier hoffnungslos verliebt war und nicht er.

„Du- Du hast mich nicht geweckt." Es war mir peinlich. Richtig peinlich. Meine Stimme klang schwach und zerbrechlich. Als wäre ich ein kleines Kind, das vergessen wurde. Es ist doch nur Wecken. Aber wieso bedeutete es mir dann so viel?

„Ich dachte, du willst vielleicht noch schlafen. Es ist sehr früh. Und du brauchst immer nicht so lange, wie ich." Er mied meinen Blick. Wirkte entschuldigend und ablehnend zugleich.

„Du hast mich mal geweckt, als du vier Uhr los musstest, um den Flug nach Manchester nicht zu verpassen, damit wir zusammen aufwachen können. Oder ich mit dir." Wenn ich so darüber nachdachte, ja an der Tradition lag mir einiges.

„Ist doch nicht mehr meine Aufgabe, dich zu wecken", kams plötzlich bissig, was mich dazu veranlasste ein Stück von ihm wegzurutschen. Harry stand auf und lief wieder zum Kleiderschrank. Seine Schulterplatten stachen heraus, wie immer, wenn er angespannt war.

„Hä?", krächzte ich verwirrt und verunsichert.

„Ich- vergiss es einfach Boo. Komm steh auf. Wir werden bald von Paul abgeholt." Er sah mich nicht an. Gar nicht. Ich stand auf und tapste auf ihn zu. Hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Was er sauer auf mich? Hatte ich etwas getan. Harry war noch nie sauer auf mich.

Der Lockenkopf wollte sich gerade ein T-Shirt drüberziehen, als ich meine Arme von hinten um ihn schlang. „Rede mit mir Hazzi. Bitte. Was ist los? Bist du sauer auf mich?"

Ein Seufzen. Harry, der sich aus meiner Umklammerung löste und sich sein T-Shirt anzog, während er sich zu mir umdrehte und mich kurz darauf umarmte. „Ich bin nicht sauer. Eher verwirrt."
Mein Herzschlag verschnellerte sich, während ich gespannt darauf wartete, dass er weitersprach, mein Kopf auf seine Brust gelegt.
„Du hast mich angelogen. Ich bin doch nicht blöd, aber wieso?"

Und dann setzte mein Herz auf. Harry wusste es. Ich meine, ich hätte es mir denken sollen. Aber, ich wollte doch nicht, dass es ihm schlecht ging.

„Ich- Du meinst- äh... Eleanor?" Ich hasste mein Gestammel. Ich hasste meine Feigheit. Und ich hasste es, dass Harry sich anspannte. Ich hasste all das so sehr, dass ich die Tränen zurückhalten musste.

„Wenn sie deine Freundin ist, dann meine ich sie wohl." Ich hörte die Spannung in seiner Stimme. Das leichte Zittern. Wie er sich bemühte ruhig zu bleiben. Und als würde es ihm helfen kuschelte ich mich noch etwas näher an ihn.

„Sie ist meine Freundin." Und wieso genau schämte ich mich jetzt dafür, das auszusprechen?

„Wie lange?"

„Drei Monate." Ich starb vor Scharm. Wieso hatte ich es nicht von Anfang an gesagt? Wieso tat ich es jetzt, während ich ihm noch nicht einmal ins Gesicht sehen konnte? Vielleicht umarmte er mich ja deswegen. Damit ich den Schmerz nicht sehen, sondern nur erahnen konnten.

„Ihr seid seit drei Monaten zusammen?" Ich hörte den Schock in seiner Stimme. Er drückte mich fester an sich, als wäre diese Umarmung ein Ventil. Ein Ventil für seine Wut und für seinen Schmerz.

„Ja."

Schweigen.

„Wieso hast du nichts gesagt?" Frustration schlug mir entgegen. Ich könnte heulen.

„Weil du- Also ich- Du... Ähh." Ein vernünftiger Satz. Komm schon Louis Tomlinson. Das schaffst du doch locker. Reden ist dein Spezialgebiet. Wenn es um Nerven ging, oder Kontern oder betteln und meckern. „Du solltest dich nicht scheiße fühlen."

„Scheiße Lou! Kannst du bitte aufhören, mich schützen zu wollen? Du kannst nichts für meine und erst recht nichts für deine Gefühle. Mir geht es gut. Sei doch bitte einfach ehrlich zu mir."

„Dir geht es nicht gut."

„Ich bin zufrieden."

„Aber nicht glücklich."

Dann löste ich mich aus seiner Umarmung, schnappte mir – ohne ihn anzusehen – ein T-Shirt aus meinem Wäschehaufen und verschwand aus dem Zimmer.

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