30. Sorge und Outing

Louis

Unruhig stampfte ich durch die Wohnung. Seit einer Stunde warteten wir. Liam, Niall und Zayn unterhielten sich leise und mit besorgten Gesichtern im Wohnzimmer. Lena telefonierte mit verschiedenen Menschen gleichzeitig. Eleanor stand an der Wand im Flur gelehnt und beobachtete mich.

Als ich nach Hause gekommen bin, waren alle anderen schon da. Sie hatten Extraschlüssel. Geblendet von der Panik bin ich vor mich hin murmelnd von Zimmer zu Zimmer gegangen. Niall die ganze Zeit hinter mir her, während er mir versuchte zu sagen, dass sie wussten, wo Harry sich wahrscheinlich befand.

Es ging ein Bild von ihm viral. Vor einem Gayclub, den Mantel bis oben zugeknöpft und trotzdem lugte ein Stück seines Netzoberteils oben raus. Ein zweites Bild, das mindestens genauso viele gesehen haben mussten. Harry, mit einem jungen Mann auf dem Weg durch die Straßen. Taumelnd und knutschend.

Mir wurde schlecht, sobald ich genauer darüber nachdachte. Ich wusste, dass ich es nicht war. Da der Typ von hinten aber erstaunliche Ähnlichkeit mit mir hatte, wussten es die Fans nicht.

Und das störte Lena. Nicht etwa die Tatsache, dass das letzte Lebenszeichen von Harry war, wie er mit einem fremden Menschen durch die Straßen torkelte, sondern die Bilder von ihm. Die Menschen nahmen es als Beweis, dass er queer war.

Wut, Ekel, Sorge und Angst mischten sich zu einem ekelerregenden Gefühlscocktail zusammen. Wo war Harry? Ging es ihm gut? Hatte er mit diesem Anderen geschlafen? Hatte er verhütet? Wann kam er nach Hause? Wieso hatte er nicht Bescheid gesagt? Was interessierte es mich, ob er verhütet hat? Darüber wollte und sollte ich nun wirklich nicht nachdenken.

„Eine Grube in euren Flur zu laufen, bring Harry auch nicht schneller nach Hause Lou." Bedauernd musterte mich meine Freundin.
Genau in dem Moment steckte sich ein Schlüssel in die Haustür. Alles tauchte sich in Ruhe. Sogar das leise Gespräch von meinen Kumpels erlosch.

Mit einem „Hey", trat Harry ein.
Wie ein aufgescheuchtes Huhn fiel ich ihm um den Hals und schlang meine Beine um seine Hüfte. „Du Vollidiot. Ich habe mir Sorgen gemacht." Ich drückte mein gesicht an seinen Hals. Er stank bestialisch.
„Was denn hier los?" Harrys Stimme glich einer abgenutzten Trompete, während er seine Hände an meinen Oberschenkel platzierte – So nah an Stellen, wo es mir nicht gefallen sollte. Aber er hielt mich fest und ich klammerte mich weiter an ihn. Selbst wenn sein Oberteil abdrückte auf meiner Haut hinterlassen würde.

„Was hier los ist?" Lena kündigte sich an, bevor sie den Flur überhaupt betrat. Ich sah sie nicht, stellte mir aber vor, wie ihre Pupillen schlangenhaft zusammengezogen waren. Dumme Pute. „Seit mindestens um neun Uhr heute Morgen, versuchen wir dich vergeblich zu erreichen. Was denkst du dir dabei, auszugehen ohne Bescheid zu sagen? Und dann auch noch in ein Gayclub. Wie willst du das den Fans erklären?" Sie stöhnte genervt und Harry spannte sich an. „Ich hatte die Hoffnung, dass wir das Thema öffentliche Homosexualität abgeschlossen haben würden. Aber nein. Der Herr Styles muss natürlich wieder machen, was er will. Ich habe die Faxen voll von dir! Benehme dich endlich wie ein Junge deines Alters! Ich habe lange genug so getan, als wäre dein Verhalten irgendwie normal. Aber das war es jetzt!"

Harry und Ich gerieten wohl beide in eine Art Schockstarre. Wir wussten, dass Lena Harrys Sexualität nicht positiv gegenüber eingestellt war, aber so hatte sie es noch nie gezeigt. Ich klammerte mich automatisch noch näher an ihn, als könnte ihn das beschützen.

„Das reicht Lena!" Während Zayns Wut den Raum einnahm, entfernte Harry seine Hände von mir uns ich stellte mich auf den Boden. Trotzdem drückte ich mich möglichst eng an meinen besten Freund, während ich mich zu der Situation umdrehte. Vielleicht suchte ich eher Schutz, anstatt ihn welchen zu geben. Oder beides gleichzeitig. „Raus hier!" Der Pakistani schien vor Zorn anzuschwellen, als er an Harry und mich vorbei ging und die Tür öffnete. Lenas Zeichen zu gehen.

„Denk nicht daran heute oder morgen nochmal hier aufzutauchen du Schlange. Wir sind wütend!", gab auch Niall mit verstränkten Armen seine Meinung kund. Liam unterstützte ihn nickend.

Unsere Managerin sah und kopfschüttelnd an und verließ dann das Haus. Dabei murmelte sie etwas von PR-Team und war Harry giftige Blicke zu.

„Ich gehe auch." Eleanor stand plötzlich neben mir. Ich nickte nur, während ich mein Blick über Harry schweifen ließ. Es schien, als würden Lenas Worte mehr oder weniger noch an ihm vorbeigehen. Seine Augen fielen ihm fast zu. Er sah auch, als habe er eine anstrengende Nacht gehabt. Auf seinen Oberarmen sah ich leichte Kratzspuren, seine Lippen schienen trocken und er roch nach Schweiß. Schweiß und Sex.

Ich hörte die Tür ins Schloss fallen.

„Und du gehst jetzt lieber erstmal schlafen. Wir reden morgen etwas." Liam lächelte Harry lieb an. Jener verschwand ohne offensichtliche Reaktion sofort die Treppe nach oben. Ich starrte ihm nach.
Harry hatte offensichtlich mit jemandem geschlafen. Ein unangenehmes Kribbeln legte sich in meinen Bauch. Beinah schmerzhaft. Ein Hicksen entfuhr mir.

„Diese intolerante, bescheuerte Kuh. Die ist bei ihrer Geburt sicher ein paar Mal runter gefallen." Zayn stampfte ins Wohnzimmer. Wir folgten ihm stumm.
Ich – weil ich das Gefühl hatte, jeden Moment zu kotzen.
Liam - Der sah einfach nur wütend aus.
Und Niall – der schaute niedergeschlagen.

„Was machst du überhaupt hier?" Plötzlich fiel mir auf, dass Niall eigentlich in Irland sitzen sollte.
„Wie der Zufall so wollte, saß Niall seit gestern Nacht oder so im Flieger mit seiner Familie. Sie wollten sehen, wie er wohnt, sind jetzt aber erstmal im Hotel untergekommen", erklärte Liam knapp.
„Er hat es uns nicht erzählt", sprach der Ire dazwischen.
Alle Blicke richteten sich auf ihn.
„Harry. Er hat uns nicht erzählt, dass er anders orientiert ist. Denkt an die ganzen Witze, die irgendwelche Interviewer über Harry und irgendwelche Mädchen gemacht hat. Uns ist nie aufgefallen, dass es ihn vielleicht stören könnte." Tränen sammelten sich in seinen Augen. „Er hat es uns nicht anvertraut. Was sagt das über uns als Freunde aus?"

Wir schwiegen.

„Ich wusste es", hauchte ich leise und starte auf meine Hände, während ich mich mit angezogenen Beinen auf das Sofa setzte. „Er hat es mir vor einem Jahr erzählt. Während eines Zusammenbruches, nachdem er sich beim Management geoutet hatte und die ihn den Mund verboten haben."

„Vor einem Jahr?" Liam klang erschrocken. Zayn sagte nichts und von Niall hörte ich ein Schluchzen. Inzwischen saßen wir alle zusammen.
Ich nickte.
„Was ist er? Schwul, bi oder ähh... was gibt's denn noch?", fragte Niall verheult. Ich sah auf. Innerhalb kürzester Zeit hatte sein Gesicht angefangen rot zu leuchten, während ihm dicke Tränen über die Wange liefen.
„Vielleicht sollten wir es ihm überlassen, die Frage zu beantwortet", schritt Zayn ruhig. Nichts deutete mehr auf die Wut hin, die vor wenigen Sekunden noch präsent war. „Wenn er schon nicht sein Outing vor uns selbst bestimmen konnte, dann sollten wir ihm das lassen."

Stumm einigten wir uns darauf.

„Sind wir schlechte Freunde?" Niall starte auf seine Füße.
Sofort schüttelte ich den Kopf. „Nein, absolut nicht. Harry vertraut euch so sehr. Aber Angst kann man nicht einfach abstellen."

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