2. Erste Lüge
Louis
Der Rest der Band, die nicht hier wohnten, waren schon seit einer Stunde Zuhause und Harry und ich hatten es uns auf dem Sofa bequem gemacht und sahen ein Film.
Mein Handy vibrierte neben mir, ich nahm es und achtete darauf, dass Harry keinen Blick auf das Display erhaschen konnte.
Eine Nachricht von Eleanor. Der Grund, weswegen ich seit neusten ein Pin in meinem Handy hatte und Harry angemeckert hatte, als er vor drei Tagen nach einer Nachricht auf mein Handy schauen wollte. Er hatte mich völlig verwirrt angesehen und sofort hatte es mir leid getan. Aber er sollte es nicht sehen. Ich war noch nicht bereit, ihm davon zu erzählen. Ich war noch nicht bereit, sein Lächeln zu sehen. Dieses unechte Lächeln, dass er immer aufsetzte, wenn er mir weiß machen wollte, es sei alles okay. Nichts war okay. Gar nichts. Ich sah es. Manchmal. Sie waren immer noch da. Seine Gefühle.
Hey Lou, was machst du gerade?
Tja, was mache ich gerade? Ich saß mit meinem besten Freund auf unserem Sofa. Aneinander gekuschelt. Seine wilde Lockenmähne hing halb in seinem Gesicht, während er konzentriert auf den Fernseher starte. Mehr oder weniger konzentriert. Nachdem ich mein Handy genommen hatte, spannte er sich leicht an. Er hasste es, wenn man sein Handy in der Hand hatte, sobald man etwas zusammenmachte. Auf ihn wirkte das unpersönlich. Ein bisschen nach dem Motto: Wir sehen uns zwar, aber wir haben nichts miteinander zu tun.
Also antwortete ich meiner Freundin schnell, dass ich einen Film sah und legte mein Handy beiseite.
„Alles okay Boo? Du wirkst nachdenklich", murmelte meine Lehne und sah mich an. Seine grünen Augen trafen auf meine Blauen. In ihnen lag Schmerz. Harry dachte, er würde ihn gut verstecken, aber er war immer da. Irgendwie. Und irgendwie war auch immer Glück da und Zufriedenheit, Stolz und Liebe mit dabei. Harrys Augen waren ein Sturm. Ein Sturm der Gefühle. Manchmal sah ich nur zum Spaß in sie. Wenn ich Langeweile hatte, um neue Emotionen herauszufischen und mir zu erklären. Wie es für ihn wohl war, so viel auf einmal zu fühlen?
„Boo?"
Erst jetzt merkte ich, dass ich nicht geantwortet hatte. Stattdessen hatte ich ihn angestarrt. Leichte Grübchen wurden auf seiner Wange sichtbar, als er mich kindlich anlächelte.
„Sag schon alter Mann. Was geht in deinem Kopf ab?"
„Ich- Ist nicht so wichtig." Fast hätte ich es gesagt. Das war doch ein Fortstritt. Vielleicht kein großer. Bis zu dem Satz Ich habe eine Freundin. fehlten schließlich noch drei Worte. Drei Worte, von denen ich Angst hatte, sie auszusprechen.
Versteht mich nicht falsch. Eleanor war toll. Sie war unglaublich. Die beste Freundin, die ich mir wünschen konnte. Wenn ich könnte, würde ich wahrscheinlich jedem von ihr erzählen. Ob er es nun hören wollte oder nicht.
Aber Harry konnte ich es nicht antun. Ihm von ihr zu erzählen, fühlte sich nicht richtig an.
Ich bin so verliebt in dich Boo. Wieso fühlst du nicht dasselbe? Kannst du mich nicht einfach lieben? Louis schüttelte den Kopf, als ihm Harrys Worte durch den Kopf schossen. Ein halbes Jahr war es her, dass ein betrunkener Lockenkopf ihm diese Worte an den Kopf geknallt hatte. Auf einer After-Show-Party, auf welcher eigentlich kein Alkohol für Minderjährige erlaubt war. Zayn hatte welchen mitgeschmuckelt gehabt. Wir waren uns alle einig gewesen: Auf einer Party, brauchte man Alkohol. Tja, nur hatte der ein oder andere etwas zu tief ins Glas geschaut. Harry eingeschlossen.
„Louis? Hallo? Ist jemand Zuhause?" Der belustigte Blick meines besten Freundes wandelte sich in besorgt. Er hielt den Film an. „Was ist los? Rede mit mir."
„Sag mal", ich unterbrach mich selbst schluckend. Ich wollte es ihm nicht erzählen. Alles in mir wehrte sich dagegen, Harry von Eleanor zu berichten. „Wie siehts in deinem Liebesleben aus Kleiner? Irgendwelche, die Interesse zeigen?"
Vielleicht würde es mir leichter fallen, wenn ich wüsste, dass er jemanden in Aussicht hatte. Jemanden, der nicht ich war. Jemanden gutes. Der auf ihn aufpasste und um den er sich kümmern konnte. Der gut für ihn war und ihn daran erinnerte, wie schön er mit bunten Nägeln aussah. Jemanden, mit dem er lachen konnte und dem Harry alles hinterherschleppen konnte. Der Lockenkopf liebte es Menschen hinterherzuräumen. Bei mir machte er es praktisch den ganzen Tag.
„Du meinst abgesehen von ungefähr ein paar Millionen Fans?" Ich hörte sie. Die Distanz, die urplötzlich von Harry ausging. Er wollte nicht über das Thema reden. Das tat er nie. Nie, seit ich ihm vor einem Jahr sagte, dass ich nicht dasselbe empfand.
„Ja, abgesehen von den Fans." Mein Herz schlug ungewöhnlich schnell. Ich griff nach Harrys Hand, spendete ihn den Trost, den er brauchte. Vielleicht war es keine gute Idee gewesen, von diesem Thema anzufangen.
„Nein Louis. Abgesehen von denen ist da niemand."
Am liebsten würde ich mich selbst schlagen. Harry klang so verletzt, so in die Ecke gezwungen. Gar nicht, wie er selbst. Frustration, Angst, Wut und Trauer mischten sich. In Momenten wie diesen, merkte ich es ganz stark. Harry war noch immer verliebt in mich. Genau so sehr, wie vor einem Jahr.
„Tut mir leid", murmelte ich beschämt. Ich vergrub mein Gesicht in seiner Schulter, atmete zittrig seinen Geruch ein. Vanille. Sein ganz besonderer Vanillegeruch. „Es tut mir ganz, ganz dolle leid. Die Frage war doof."
„Hör auf dich zu entschuldigen. Es ist alles okay. Alles bestens. Wirklich", anhand des Druckes, der von seiner Hand ausging und seinen zusammengebissenen Zähnen, war die Lüge deutlich erkennbar. Nichts war gut. Gar nichts.
„Sei ehrlich mit mir Louis", kam es nach einigen Sekunden des Schweigens von meinem besten Freund. „Ist bei dir jemand?"
Er rutschte etwas von mir weg, damit ich ihn anschauen musste. Er wirkte so sicher. So Standhaft, wie er mir gegenüber sitze uns seinen Blick nicht von mir abwand.
Mein Herzschlag verdoppelte sich, wenn möglich nochmal. Meine Hände waren schwitzig. Jetzt oder nie Louis. Sag es ihm. Er wird sich für dich freuen. Natürlich wird er das. Aber er wird eben auch traurig sein.
Ich atmete tief ein: „Also- ich. Ähh- Nein. Nein, ich habe niemanden."
Und damit log ich Harry an. Die Schuldgefühle bemächtigten sich meiner sofort. Harry nickte kurz und ließ den Film weiterlaufen, während ich mich wieder an ihn kuschelte.
Noch nie hatte ich meinen besten Freund angelogen. Verschwiegen hatte ich einiges. Oder wohl eher ein paar große Sachen. Aber ich hatte ihn nie angelogen.
Für alles gab es wohl ein erstes Mal. Aber auf dieses hätte ich gerne verzichtet.
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